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2006  
ZDF Jahrbuch
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Nikolaus Brender

Tour de France 2006: der Dopingskandal

 
Nikolaus Brender
Nikolaus Brender
 

Sommer 2006, ganz Deutschland hatte sich in eine einzige Fanmeile verwandelt, grenzenlose Fußballbegeisterung zog die gesamte Republik in Bann. Während die Freude über die WM im eigenen Land auf ihrem Höhepunkt war und Millionen Fans mit den Jungs der deutschen Nationalelf mitfieberten, wurde ein anderes Sport-Großereignis, noch bevor es überhaupt begonnen hatte, von einem Skandal ungeahnten Ausmaßes überschattet. Kurz vor Beginn der diesjährigen Tour de France wurden Favoriten wie Jan Ullrich und Ivan Basso sowie 50 weitere Radprofis wegen Dopingverdachts vom Start beim berühmtesten Radrennen der Welt suspendiert.

Damit stellte sich schon vor dem Prolog der Tour de France für das ZDF die Frage, wie der Sender auf eine solche Nachricht reagieren sollte. Reduzierung der geplanten Tour-Berichterstattung aufgrund des Ausschlusses vieler Top-Fahrer? Und damit Gefahr laufen, die Tour durch geringe Medienpräsenz zu bestrafen und das gesamte Fahrerfeld unter Generalverdacht zu stellen? Oder im geplanten Umfang über die Tour de France berichten – und sich dabei aber womöglich dem Vorwurf aussetzen, der Sender reagiere nicht angemessen auf den versuchten oder tatsächlichen Sportbetrug?

Das ZDF hat sich für den zweiten Weg entschieden und seine Berichterstattung dazu genutzt, Hintergründe und aktuelle Entwicklungen der Dopingaffäre umfassend aufzuarbeiten. Allein in der Vor- und Nachberichterstattung zu den Liveübertragungen der einzelnen Tour-Etappen machten die Informationen, Analysen und Interviews zum Thema Doping rund 120 Sendeminuten aus. Hinzu kamen zahlreiche Beiträge in nahezu allen Nachrichten- und Magazinformaten der Chefredaktion. Entsprechend seinem Programmauftrag und seiner Selbstverpflichtungserklärung hat das ZDF damit nicht nur über ein sportliches Großereignis berichtet, sondern in vertiefenden Hintergrundanalysen die besondere Problematik des Einsatzes verbotener leistungssteigender Substanzen im Sport und die Praktiken ihrer internationalen Netzwerke für den Zuschauer transparent gemacht.

Am 27. Juli 2006 allerdings mussten wir uns die Frage stellen, ob es ein Fehler war, den gewählten Weg gegangen zu sein, oder ob eine deutliche Reduzierung der Liveberichterstattung die bessere und konsequentere Lösung gewesen wäre. Denn an diesem Tag wurde bekannt, dass der diesjährige Tour-Sieger Floyd Landis positiv auf Doping getestet worden war.

Jetzt standen wir nicht mehr vor dem Problem, zwischen mehr oder weniger Berichterstattung abzuwägen. Die Tour de France 2006 war nachträglich zu einer Tour der Farce mutiert. Vor diesem Hintergrund drohten künftige Übertragungen in einem Betrug am Zuschauer zu enden, denn ein sauberer Sport war alles andere als garantiert. Mit unseren Vertragspartnern hatten wir einen Fernsehvertrag über eine Sportveranstaltung und nicht über eine Pharmaleistungsschau abgeschlossen. War nun also das Ende der Tour de France im ZDF besiegelt? Es wäre allerdings zu einfach, bequem, selbstgefällig und letztendlich falsch gewesen, mit dem Finger nur auf die anderen, den Tour-Veranstalter und die Rennställe, zu zeigen.

Viele Printkollegen warfen uns auf ihren Medienseiten vor, das Fernsehen hätte zu häufig nach Spitzeneinschaltquoten statt Spitzensport geschielt und deshalb zu lange das unschöne Thema Doping nur am Rande behandelt. Unsere Sendungen sprechen da allerdings eine andere Sprache. Trotzdem müssen wir uns selbstkritisch fragen, in welchem Maße das Medium Fernsehen alleine durch seine Übertragungen Emotionen auf Seiten des Publikums schürt, dadurch Sportler zu Höchstleistungen herausgefordert und angespornt werden und wir somit tendenziell einen Nährboden für Doping begünstigen.

Meine Antwort auf diese Frage lautet: Ja, auch unser Medium hat zu Fehlentwicklungen und bedenklichen Leistungen im Sport beigetragen. Und ja, wir stehen deshalb mit in der Verantwortung.

Vor diesem Hintergrund hat das ZDF mehrere Initiativen ergriffen: So kamen am 24. August 2006 Vertreter der deutschen Profiradställe, der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer und Vertreter von ARD und ZDF zu einem Runden Tisch zusammen. Im Mittelpunkt der Gespräche standen Maßnahmen im Kampf gegen Doping, die vom Verband und den Rennställen für die Zukunft ergriffen werden sollen. In die gleiche Richtung zielte die vom ZDF mit initiierten Gespräche mit den Sportveranstaltern und -verbänden auf internationaler Ebene. Hierzu fand zunächst am 21. September 2006 eine gemeinsame Sitzung verschiedener EBU-Mitglieder mit dem Tour-de-France-Veranstalter ASO über die Dopingfälle bei der diesjährigen Tour und die möglichen Konsequenzen für die künftige Berichterstattung statt. Dabei erläuterten die Tour-Vertreter ihre Möglichkeiten, mit denen sie in diesem Jahr die vorherige Suspendierung der betroffenen Fahrer hatten durchsetzen können. Auf diesem Wege wolle man fortfahren. Allerdings bedürfe es dazu auch der entsprechenden Maßnahmen durch die Rennställe und seitens des Weltverbandes UCI. Die EBU-Mitglieder werden dies unterstützen und ihrerseits versuchen, in weiteren Gesprächen auch mit anderen internationalen Verbänden und sportpolitischen Gremien ihren Einfluss im Kampf gegen Doping geltend zu machen.

Die Beratungen von ZDF und ARD über die Reaktionsmöglichkeiten auf Dopingvorfälle hinsichtlich ihrer Verträge sind zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Ziel der Bemühungen des ZDF ist es dabei, zum einen die grundsätzliche Verpflichtung der Verbände zum Kampf gegen Doping in den Verträgen zu statuieren. Zum anderen soll durch geeignete Regelungen festgelegt werden, dass die Verbände ihre Maßnahmen im Kampf gegen Doping offenlegen und ihre Medien-Vertragspartner kontinuierlich über ihre Aktivitäten informieren.

Darüber hinausgehend ist zu überlegen, ob konkrete Maßnahmen wie zum Beispiel Vertragsanpassungs- oder auch Kündigungsklauseln als mögliche Konsequenzen in den Verträgen festgeschrieben werden sollen. Denn der Kampf gegen Doping und für einen sauberen Sport ist nur dann erfolgreich zu führen, wenn alle Beteiligten gewillt sind, gemeinsam zu handeln. Hierbei kommt dem Medium Fernsehen als wichtigster Informationsquelle für die Öffentlichkeit eine entscheidende Rolle zu.

 
 
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