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2006  
ZDF Jahrbuch
Aus der Programmarbeit
Nikolaus Brender
Klaus-Peter Siegloch
Claus Kleber
Bettina Warken
Stefan Raue
Volker Angres
Barbara Dickmann
Thomas Bellut
Peter Arens
Günther van Endert/
Heike Hempel
Heike Hempel/
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Klaus Bassiner/
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Ruth Omphalius
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Heike Hempel/Jörg Schneider

Das kleine Fernsehspiel und der Rest der Welt

 
Heike Hempel
Heike Hempel


Vielfach preisgekrönt: die deutsch-österreichische Ko­produktion »Schläfer«
Vielfach preisgekrönt: die deutsch-österreichische Ko­produktion »Schläfer«


Der Dokumentarfilm »Die glücklichsten Menschen der Welt« erzählt vom Leben und Überleben in Bangladesch
Der Dokumentarfilm »Die glücklichsten Menschen der Welt« erzählt vom Leben und Überleben in Bangladesch









































Jörg Schneider
Jörg Schneider


»Die Jahreszeit des Glücks« war in Tschechien ein Kinohit
»Die Jahreszeit des Glücks« war in Tschechien ein Kinohit


Ein Goldener Bär für »Grbavica«, eine internationale Koproduktion mit ZDF-Beteiligung
Ein Goldener Bär für »Grbavica«, eine internationale Koproduktion mit ZDF-Beteiligung
 

Das Rezept für einen guten Film, verriet einmal Sam Goldwyn, sei ganz einfach: mit einem Erdbeben beginnen und dann die Action allmählich steigern.

Das kleine Fernsehspiel hat es in diesem Jahr genauso gehalten. Der Schnee lag noch auf den Berliner Straßen, da gab es schon den Goldenen Bären, Deutschlands wichtigsten Filmpreis, für »Grbavica« (»Esmas Geheimnis«) – eine Kinokoproduktion mit dem ZDF/Das kleine Fernsehspiel. Aber gesteigert wurde die Freude darüber noch durch die klaren Worte von Jasmila Žbanić bei der Preisverleihung: Dass sich die Kriegsverbrecher Mladić und Karadžić immer noch nicht in Haft befänden, sagte sie, sondern sich frei durch Serbien und den serbischen Teil Bosniens bewegen dürften, sei ein Skandal. In Berlin und im namensgebenden Stadtviertel von Sarajevo – in Grbavica also – war das common sense. Aber im serbischen Teil ihrer Heimat sah man die Dinge anders: Als Skandal wurde dort Žbanićs Rede empfunden, nicht die von ihr angeprangerten Tatsachen! Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes, hieß das früher, vor der Globalisierung. Das ist im Kleinen Fernsehspiel eine Tradition: über Grenzen zu schielen, die zu fördern, die in ihrer Heimat wenige Möglichkeiten haben, die den Umweg über Das kleine Fernsehspiel wählen, um aus einer neuen Perspektive über ihre Zustände zu schreiben. Darum ist »Grbavica« kein Zufall. Das war schon bei Jim Jarmusch und Agnès Varda so, bei Robert Wilson und Theo Angelopoulos und bei vielen afrikanischen, lateinamerikanischen Filmemachern, unter anderen Antonio Skármeta, Raúl Ruiz, Safi Faye, Jean-Marie Teno, mit denen Das kleine Fernsehspiel und mein Vorgänger Eckart Stein gearbeitet haben.

Und »Grbavica« steht nicht allein: In der gleichen Region spielt »Golden Valley Sarajevo« von Srdjan Vuletić, der die Geschichte eines 16-Jährigen erzählt, der die Schulden seines verstorbenen Vaters zurückzahlen will (2005 ausgestrahlt). Oder der unter anderem in San Sebastian 2005 ausgezeichnete Film »Die Jahreszeit des Glücks«, der das Leben in einer tschechischen Industriestadt schildert und uns dabei unvergessliche Charaktere mit ebenso viel Tragik wie Lebensmut und Witz vorstellt.

Gerade auch im Dokumentarischen zeigten sich Charme und Chancen internationaler Zusammenarbeit: In »Die glücklichsten Menschen der Welt« – ausgestrahlt im Februar 2006 in unserer Reihe »Glück im Unglück« – folgt Shaheen Dill-Riaz vier seiner Freunde auf ihren Wegen durch die Millionenstadt Dhaka, der Hauptstadt des vermeintlichen Paradieses Bangladesch. Im Spätsommer zeigen in »Frozen Angels« Frauke Sandig und Eric Black die Welt der kalifornischen Samenbanken, Leihmütter und Eizellenspenderinnen. John Burgans dokumentarischer Essay »Friendly Enemy Alien« offenbart die Mechanismen moderner Flüchtlingspolitik. Und Thorsten Schütte begleitete über mehrere Jahre zwei Mädchen der Abschlussklasse einer deutschen Privatschule in Windhuk. In »Sheila und Natasha – Leben und Lernen in Namibia« nimmt er dabei auch eine afrikanisch-deutsche Jugendkultur in den Blick, die hierzulande weitgehend unbekannt ist.

Aber zurück zu unseren Spielfilmen. Dort sind internationale Kooperationen, ganz nebenbei gesagt, nur durch die enge Zusammenarbeit zwischen ARTE (Anne Even und Doris Hepp) und ZDF/Das kleine Fernsehspiel möglich, sie sind insgesamt schwer zu realisieren, aber wir sehen es seit jeher als unsere Pflicht an, diese Anstrengung zu unternehmen. Erstaunlicherweise ist das auch mit technologisch und finanziell optimierter Globalisierung nicht einfacher oder selbstverständlicher geworden, im Gegenteil. Man kann den Eindruck gewinnen, dass internationale Kooperationen, die mehr sind als bloße Geldbegegnungen, wo auch Menschen aus verschiedenen Ländern zusammen Filme machen, rarer werden als vor einigen Jahrzehnten, als tschechische Kinderfilme, französische Krimis und italienische Komödien zum Standardfernsehprogramm gehörten.

Nicht zuletzt darum freue ich mich auf die Fülle unseres Programms bis Ende des Jahres. Im Oktober zeigen wir eine Sendereihe mit gleich fünf internationalen Spielfilmproduktionen, die aus Island, Israel, Marokko, Ungarn und Serbien kommen, zum Teil preisgekrönte Filme wie »Tausend Monate«. Im Dezember senden wir im Rahmen der internationalen Senderkooperation nTrade – initiiert und koordiniert von Burkhard Althoff – eine Reihe mit dem aktuellen Thema Innere Sicherheit.

Unser Beitrag dazu wird der exzellente und vielfach preisgekrönte Film »Schläfer« von Benjamin Heisenberg sein. Das ist dann der würdige Abschluss eines großen Jahres – Sam Goldwyn wäre stolz auf das ZDF.

H. H.

Berlin, Sarajevo, Berlin
»The Golden Berlin Bear for the best Film this year goes to: ‚Grbavica’«, verkündete die Jury­präsidentin Charlotte Rampling und übergab den Goldenen Bären an die strahlende Regisseurin Jasmila Žbanić. Ein überragender Erfolg für einen bosnischen Debütfilm, den die Koproduzenten aus vier europäischen Ländern gemeinsam feiern konnten.

Der gleiche Ort, drei Jahre früher: Auf dem Berlinale-Empfang des Kleinen Fernsehspiels hatte ich Jasmila Žbanić zum ersten Mal getroffen, sie kam zusammen mit ihren Koproduzenten Barbara Albert (coop99) und Boris Michalski (Noir Film). Am nächsten Tag, einem dieser typisch nasskalten Berlinale-Tage, setzten wir uns zusammen. Jasmila breitete Archiv- und Recherchematerial über Frauen aus, die während des Kriegs durch serbische Soldaten vergewaltigt wurden. Sie selbst, die die Belagerung Sarajevos miterlebt hatte, wollte mit ihrem Film nicht die Täter anklagen, sondern den bis heute in der Anonymität lebenden Frauen ein Gesicht geben. Ich war schon bei diesem ersten Treffen sehr von ihrem großen Engagement und von ihrem Ziel beeindruckt, trotz dieser brutalen Ereignisse einen subtilen, nachdenklichen und Hoffnung gebenden Film zu machen.

Nach der Zustimmung meiner Redaktionskollegen und ARTE begann die Zusammenarbeit. Dank einer Einladung des Filmfests Sarajevo konnte ich Jasmila Žbanić in der Stadt treffen, in der ihre Geschichte spielt. Eine Stadt, der die dreijährige Belagerung durch serbische Truppen immer noch deutlich anzusehen ist, und die unter der Teilung Bosniens leidet.

Eine wichtige Erfahrung für mich und unsere weitere Zusammenarbeit, die immer wieder um die Fragen kreiste: Wie authentisch soll »Grbavica« werden? Wie real darf man die Erlebnisse und die Gewalt zeigen, ohne dabei die Hoffnung zu verlieren?

Zwei Jahre lang tauschten wir uns über Buch- und Schnittfassungen aus. Ein Dialog, geprägt von gegenseitiger Neugier und Verständnis, mit einer Regisseurin, die den Blick von »außen« immer wieder suchte und in ihre Überlegungen einbezog. Denn Jasmila Žbanić war sehr wichtig, dass ihr Film auch von denen verstanden wird, die diesen Krieg nicht miterlebt haben. Und sie hat es geschafft, diesen Frauen eine Stimme zu geben. Eine Stimme, die gehört wurde, drei Jahre später, von der Berlinale-Jury und ihrer Präsidentin.

J. S.

 
 
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