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Der Zweiteiler »Dresden« traf den Nerv der Zeit und des Publikums. 12,66 und 11,29 Millionen Zuschauer (Teil 1 beziehungsweise Teil 2) machten ihn zu einem Fernsehereignis. Einen solchen Zuspruch für einen Fernsehfilm hat es seit Beginn der kommerziellen Konkurrenz nicht gegeben. Und noch mehr: Wir wissen aus Gesprächen und Zuschauerpost, dass in vielen Familien nach der Sendung über die Erlebnisse im Bombenkrieg gesprochen wurde. Mit den jüngeren Generationen oft zum ersten Mal. Privates Erinnern und traumatische Erfahrungen wurden in einen öffentlichen Diskurs überführt.
»Dresden« hatte eine politische Bewährungsprobe zu bestehen: eine fraglos barbarische Kriegshandlung der Alliierten in aller Deutlichkeit zu zeigen, ohne auch nur im Geringsten den Beifall von der falschen Seite zu ermuntern. Der angloamerikanische Bombenkrieg gegen die deutschen Städte ließ die Zivilbevölkerung den ganzen Schrecken des Zweiten Weltkriegs spüren. Der Angriff auf Dresden am 13. Februar 1945 wurde zum Sinnbild der Flächenbombardements und zum Mythos. Denn seine scheinbare militärische Sinnlosigkeit verstärkte noch die historisch-moralische Wirkung seiner tatsächlichen Grausamkeit.
»Dresden« setzt ein Zeichen für die deutschen Opfer, aber lässt nie einen Zweifel daran, wer letztendlich die Schuld für diesen Angriff hatte: Der von den Nazis mit aller Brutalität in die Welt hinausgetragene Krieg kehrte mit den britischen Lancaster-Staffeln lediglich in die deutsche Heimat zurück.
Unser Ziel war es, dieses heikle Stück deutscher Zeitgeschichte, das so viele Menschen anging, in einer populären fiktionalen Form zu erzählen, nämlich als Antikriegsfilm mit melodramatischem Kern.
»Dresden« ist die Geschichte der jungen Krankenschwester Anna Mauth (die »offizielle« Geschichte, die der Militärs und Politiker, wird bewusst nur am Rand erwähnt). Anna ist verlobt, fühlt sich aber zu einem anderen Mann hingezogen. Ihre bis dahin wichtigste Bezugsperson ist ihr Vater, bis dieser meint, für Annas Zukunft sorgen zu müssen, indem er mit den gemeinsamen Prinzipien bricht. Die Mutter achtet auf die gute Erziehung der Töchter, die kleine Schwester ist ein Teenager, der vom deutschen »Endsieg« schwärmt. Den Zuschauern sind solche Charaktere und ihre emotionalen Beziehungen grundsätzlich vertraut. Sie werden ihnen hier unter der Prämisse erzählt werden, dass es sich um eine großbürgerliche Familie in Dresden im Februar 1945 handelt. Die Stadt ist bis dahin vom Krieg weitgehend verschont geblieben, und niemand ahnt die bevorstehende Katastrophe.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler geben den Rollen ein markantes und einnehmendes Profil, allen voran Felicitas Woll. Sie verleiht der Anna Mauth ein modernes Gesicht, weckt alle Empathie, und mit ihr nimmt auch ein jüngeres Publikum Anteil an den Schrecken des Kriegs. Daneben spielen Benjamin Sadler, John Light, Heiner Lauterbach, Wolfgang Stumph, Marie Bäumer, Kai Wiesinger und Susanne Bormann, um nur einige, stellvertretend für die vielen, zu nennen. Und weil das Publikum im ersten Teil die Figuren kennenlernt und mag, lässt es sich in das plötzlich hereinbrechende Inferno hineinziehen und sich von diesem in den Bann schlagen. Die Gewaltdarstellung im zweiten Teil geht an die Grenzen dessen, was dem breiten Publikum um 20.15 Uhr zugemutet werden kann. Alles andere wäre unrealistisch gewesen und hätte im Nachhinein die Leiden der Opfer herabgesetzt.
Mit der Firma teamWorx mit Nico Hofmann an der Spitze hatte die Redaktion einen Produzenten als Partner, der das komplexe Projekt logistisch und kreativ zu bewältigen verstand. Das Buch von Autor Stefan Kolditz legte größten Wert auf die Authentizität der historischen Fakten. Der Regisseur Roland Suso Richter führte die vielen Projekt-Stränge einschließlich einer Computer- und Pyrotechnik, wie sie im deutschen Fernsehen so noch nicht zu sehen war zu einem packenden Szenario zusammen.
Bei der Finanzierung des Films halfen die Filmstiftungen in NRW, Bayern, Berlin und Mitteldeutschland sowie Jan Mojtos EOS dem ZDF. Das ZDF hat bei dieser Gelegenheit auch auf beeindruckende Weise seine Kampagnenfähigkeit bewiesen und damit die Aufmerksamkeit geweckt, die einem solchen Film angemessen ist.
Das deutsch-englische Liebespaar in der Mitte des Films symbolisiert die Nachkriegsversöhnung erbitterter Gegner. Nach einem heute gängigen Begriff war das Massensterben in Dresden ein gigantischer »Kollateralschaden«. Denn der Angriff zielte ab auf die endgültige Niederlage des militärischen Kontrahenten, der Wehrmacht, und nahm auf Zivilisten keine Rücksicht. Die Frage, wie weit eine Demokratie bei der Bekämpfung eines Gegners gehen darf, der sich an keinerlei Spielregeln hält, denen man sich aber selbst verpflichtet sieht, ist heute so aktuell wie im Frühjahr 1945.
Die Zeit des Nationalsozialismus, dieser Menschheitskatastrophe, welche über Jahrhunderte entwickelte zivilisierte Normen aufhob und doch aus der Mitte der zivilisierten Gesellschaft heraus entstand, ist in all ihren Facetten noch lange nicht ergründet. Deshalb brauchen wir Geschichten, Geschichten über alles Böse und alles Gute, zu dem der Mensch fähig ist.
Auch der ZDF-Zweiteiler »Neger, Neger, Schornsteinfeger« gehört dazu, in dem ein schwarzer Junge in den 30er Jahren überlebt, weil ihm erwartete, aber auch unerwartete Hilfe zuteil wird. Die Verfilmung der Autobiografie des exilierten Hamburgers Hans-Jürgen Massaquoi fußt damit auf einem thematisch ungewöhnlichen Zugang zur NS-Zeit.
Es ist die Chance der Fiktionalisierung von Geschichte, die Empathie für Ereignisse zu verbreitern. Erfundene, aber real vorstellbare Personen veranschaulichen eine Tiefe und Breite von Charakteren, die in der dokumentarischen Geschichtserklärung nur benannt werden können. »Dresden« verbindet das Populäre mit dem Authentischen auf hohem Fernsehspiel-Niveau und setzt damit ein Zeichen. Der Zweiteiler entsprach im Fiktionalen dem Engagement des ZDF für den Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche. Ein Film wie »Dresden« ist jedoch nicht einfach wiederholbar.
Fernsehereignisse lassen sich nicht programmieren. Aber es wird auch weiter in unserer Arbeit darum gehen, deutsche Zeitgeschichte genau zu erzählen und bislang nicht erzählte Episoden in populäre Fiktion zu übersetzen.
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