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2006  
ZDF Jahrbuch
Aus der Programmarbeit
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Peter Arens

Von Skythenkriegern und Klimawandel
Wissenschaft im ZDF

 
Peter Arens
Peter Arens


Kameramann mit Steadycam in der Verbotenen Stadt, Peking
Kameramann mit Steadycam in der Verbotenen Stadt, Peking


Szenenfoto aus der ZDF-Dokumentation »Der Neandertaler«
Szenenfoto aus der ZDF-Dokumentation »Der Neandertaler«


Unter dem Steinkreis befindet sich die Grabkammer mit der Mumie des Skythenkriegers
Unter dem Steinkreis befindet sich die Grabkammer mit der Mumie des Skythenkriegers


Krieger im Pelzmantel mit Waffen und Grabbeigaben
Krieger im Pelzmantel mit Waffen und Grabbeigaben


Karsten Schwanke, Moderator von »Abenteuer Wissen«
Karsten Schwanke, Moderator von »Abenteuer Wissen«


Im Dschungel der Gene – Stammzellen als Wunderheiler
Im Dschungel der Gene – Stammzellen als Wunderheiler
 

Juni 2006, der äußerste nordwestliche Rand der Mongolei, Niemandsland. Einzelne Nomaden durchstreifen wie seit Jahrtausenden mit ihren Yakherden endlos scheinende Graslandschaften, die in den steilen Abhängen des Altaigebirges auslaufen. Hier, am Ende der Welt, sucht Hermann Parzinger, Erfolgsausgräber und Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), nach den versunkenen Spuren eines der rätselhaftesten Völker der Geschichte, der Skythen.

Mit dabei das »Schliemanns Erben«-Team des ZDF mit Gisela Graichen und Peter Prestel, um exklusiv seine neueste Expedition mit der Kamera zu begleiten.

2001 war Hermann Parzinger ein Sensationsfund geglückt: ein skythisches Fürstengrab mit über 6 000 phantastischen Goldobjekten. »Ich fühlte mich wie Howard Carter, als er zum ersten Mal das Grab des Tutenchamuns betrat«, beschrieb Parzinger damals den magischen Moment der Entdeckung. Jetzt, im Sommer 2006, wollen sie in den schwer zugänglichen Höhen des Altaigebirges mehr als Gold entdecken: Mumien von Kriegern, die vor zweieinhalbtausend Jahren die Herrscher der Steppe waren, vom Eis konserviert. Mehrere Wochen haben sie schon gegraben, bei Dauerfrost, langsam läuft ihnen die Zeit davon ...

»Schliemanns Erben« ist eine der erfolgreichsten Dokureihen auf dem Sonntagabend-Termin der »ZDF Expedition«. Die Reihe, die seit Januar 1996 spektakuläre Grabungsexpeditionen deutscher Archäologen rund um den Globus begleitet, erreicht im Schnitt über vier Millionen Zuschauer. Die hohe Akzeptanz von »Schliemanns Erben« beweist, dass vermeintlich sperrige Wissenschaftsthemen nicht auf Zugänglichkeit um jeden Preis setzen müssen, wenn sie viele Zuschauer erreichen wollen. Diese Erkenntnis ist nicht zu verachten in Zeiten, in denen allüberall von der neuen Lust auf Wissen zu hören und zu lesen ist, in denen das Bunte und das Leichte, die »Wissenschaftssendung light« (FAZ), auch in den gewichtigen Feuilletons gerne als neue, notwendige Errungenschaft vor allem der kommerziellen Sender gepriesen wird.

»Schliemanns Erben« wie auch die Reihen »Terra X« oder »Sphinx – Geheimnisse der Geschichte« beweisen indes, dass die bewährten, journalistischen Standards nicht nach unten verschoben werden müssen.

Auch mit einem weiteren modernen Mythos gilt es aufzuräumen, der besagt, dass Wissens- und Wissenschaftsformate im Fernsehen so erfolgreich seien wie nie zuvor. Im Fernsehen war Wissenschaft immer schon äußerst erfolgreich, nur dass diese Erkenntnis nicht in allen Sendern in Programm umgesetzt wurde. Die Reihe »Terra X« beispielsweise, die die große Wissenschafts- und Abenteuerdokumentation im Fernsehen begründet hat, erreichte bereits bei ihrem Start 1982 über elf Millionen Zuschauer. Auch die legendäre »Knoff-hoff-Show«, die zwischen 1986 und 2004 auf über 80 Ausstrahlungen kam, konnte in Spitzenzeiten mit über zehn Millionen Zuschauer rechnen – Werte, die von aktuellen Wissensshows längst nicht mehr erreicht werden.

Was stimmt, ist der Umstand, dass die Bandbreite der Wissenssendungen im deutschen Fernsehen mittlerweile beeindruckend ist. Unsere Gesellschaft, die vor einer sozialen Zerreißprobe steht, sucht im Fernsehen nicht allein die reine Unterhaltungsware, sondern fragt gezielt nach Bildungs­angeboten. Während die einen Sender eher nach dem Wissen im Alltag suchen, beobachten die anderen den Alltag der Wissenschaft; so lässt sich sowohl eine Sendung darüber machen, wie das Sonnenpaneel auf dem Dach des neuen Eigenheims zu installieren ist, als auch eine über Bedingungen und Chancen der Sonnenenergie vor dem Hintergrund unserer katastrophalen Ressourcensituation. Gegen die Vermittlung von Alltagswissen ist nichts einzuwenden, doch darf das Bunte und Nützliche im Wissensjournalismus das Engagierte und Politische nicht verdrängen. Klimawandel, Biotechnik, Atommüll, Energie- und Ressourcenvergeudung stehen daher immer wieder auf der Agenda von »Abenteuer Wissen« und »Joachim Bublath«, und stets aufs Neue gemahnen Karsten Schwanke und Joachim Bublath den Zuschauer an seine Mitverantwortung für diese Welt, die noch Kindern und Kindeskindern eine lebenswerte bleiben muss. Gerade Klimaproblematik und Genforschung werden unsere Tatkraft, Phantasie und Ethik noch eine Weile in Atem halten, und die Wissenschaftsjournalisten des Fernsehens müssen sich einmischen.

Ohne Popularisierung indes wird die Wissenschaft in unserer medialen Welt nicht bestehen können. Popularisierung im Fernsehen vermittels moderner 3D-Animationen und Inszenierung ist kein Teufelszeug, sondern der Gefährte der Kreativität, der für die einfallsreiche, faszinierende Umsetzung eines relevanten Stoffes steht. Informieren, Bilden, Wissen verbreiten und Begeisterung wecken – das ist die Formel unserer populären Bildungsdokumentationen, die übrigens auch von den Historikern und Wissenschaftlern der Hochschulen immer mehr als gültiges Instrument von Wissensvermittlung akzeptiert wird – wie es in der angelsächsischen Welt längst der Fall ist. Die Forschung empfindet es nicht mehr als standeswidrige Zumutung, Wissenschaft für ein großes, gebildetes Publikum aufzubereiten. Nachdem die Naturwissenschaftler die Kommunikationswissenschaftler nicht immer auf Händen getragen haben, sind die Journalisten heute ihre gesuchten Partner, wenn es darum geht, Alltags- und Öffentlichkeitsnähe für ihre Arbeit herzustellen. Man forscht nicht mehr allein in Freiheit und Einsamkeit, sondern auch vor den Objektiven des Kamerateams. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Deutsche Archäologische Institut (DAI), das Fraunhofer Institut – sie alle haben den Wert der Medien glücklicherweise längst erkannt. Besonders fruchtbar ist die Kooperation von Forschung und Journalismus bei »Schliemanns Erben«, deren Erfinderin Gisela Graichen auf eine lange, von großem Vertrauen geprägte Allianz zwischen dem DAI und dem ZDF zurückblicken kann.

Womit wir zurück sind bei unserer Altaigebirgsexpedition im Dreiländereck Mongolei, China und Russland. Am 23. Juli morgens um fünf erreichte das verfrorene Filmteam des ZDF endlich der erlösende Anruf per Satellit: In 2 600 Meter Höhe war ein intakter Eiskurgan entdeckt worden, in dessen Grabkammer ein Reiterkrieger aus der Zeit der Skythen bestattet war.

Das Grab konnte geöffnet und der teilweise mumifizierte Leichnam eines Kriegers unbeschadet geborgen werden. Fast 2 500 Jahre hatte der Verstorbene im Eis überstanden. Er trug einen prächtigen Pelzmantel und einen kunstvoll verzierten und vergoldeten Kopfschmuck. Wieder hatte das Team um Professor Parzinger einen sensationellen Coup gelandet.

Solche Sternstunden der Archäologie werden bald nicht mehr möglich sein. Professor Parzinger geht davon aus, dass die durch den Klimawandel bedingte Erderwärmung den Permafrostboden auftauen wird. Schon in 30 Jahren wird es wohl keine Eismumien mehr geben.

 
 
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