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2008  
ZDF Jahrbuch
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Kamran Safiarian, Redaktion Kirche und Leben katholisch

Auf den Spuren des Propheten – einmal nach Mekka und zurück

 
Kamran Safiarian
Kamran Safiarian


Die Kaaba, das Haus Gottes
Die Kaaba, das Haus Gottes


Kamran Safiarian und Abdul-Ahmad Rashid im Pilgergewand
Kamran Safiarian und Abdul-Ahmad Rashid im Pilgergewand


Pilger auf dem Weg zur Steinigung des Teufels
Pilger auf dem Weg zur Steinigung des Teufels
  Sie gilt als der heiligste Ort der islamischen Welt – doch was geht in der saudi-arabischen Wüstenstadt Mekka zur Hadsch-Zeit wirklich vor? Menschenmassen in weißen Gewändern, steinewerfende Gläubige und Massenpaniken waren bisher die einzigen Bilder, die wir aus dem Fernsehen, aus Bildbänden oder von Erzählungen kannten. Doch was war mit der einzigartigen spirituellen Erfahrung? Und was mit dem außerordentlichen Gemeinschaftserlebnis im Islam?

Im Dezember 2007 hatten wir erstmals die Gelegenheit, uns als Journalisten und Muslime ein eigenes Bild fernab aller Medienberichterstattung zu machen. Und so war Mekka für uns vom »Forum am Freitag« mehr als nur ein Job.

Begleitet von unserem ägyptischen Producer Amr Hedia, der bereits Mekkaerfahrung hatte, machten wir, Kamran Safiarian und Abdul-Ahmad Rashid, uns auf den Weg. Um möglichst nahe ans Geschehen heranzukommen, entschieden wir uns, als Muslime mitzupilgern. Die ZDF-Ausbildung als Videojournalist bot mir die zusätzliche Chance, mich in und um Mekka unauffällig zu bewegen. Selten ist es unseren deutschen Journalistenkollegen bisher gelungen, so unmittelbar und authentisch die Hadsch zu begleiten und davon zu berichten. Schon allein, weil es nur Muslimen gestattet ist, die Heilige Stätte zu betreten.

In Mekka wollen wir eine Pilgergruppe aus Hamburg begleiten. Schon am Frankfurter Flughafen spielen sich für uns überraschend eindrucksvolle Szenen ab – betende Pilger am Abfluggate. Während des Fluges ertönt über den Wolken über Bordmikrofon plötzlich die Stimme eines Imams mit einem Hinweis für die Reisenden. Daraufhin ziehen die Pilger als Zeichen ihres Weihezustandes ihr nahtloses weißes Gewand über, zum Teil in der Bordküche. Vor dem Erreichen des heiligen Bezirks von Mekka müssen nämlich alle männlichen Pilger ihren Weihezustand einnehmen. Im Weihezustand ist es verboten, sich zu rasieren, zu streiten oder Geschlechtsverkehr zu haben – Pilgern hat seine eigenen Gesetze. In Mekka wird uns ein persönlicher Begleiter zur Seite gestellt, er soll uns rund um die Uhr betreuen; doch wenn wir ihn zu Gesicht bekommen, dann meistens beim Essen oder auf seinen jemenitischen Fahrer schimpfend – Pressefreiheit auf Arabisch. Wie alle Wallfahrer legen auch wir unsere Pilgerkluft an und tauchen ein in die exotischen Gassen Mekkas. Gemeinsam mit unserer Gruppe pilgern wir zum Haus Gottes, der Kaaba, dem ersten Höhepunkt der Hadsch. Filmen ist im Inneren streng verboten, ich darf meine »VJ«-Kamera nicht in die heilige Moschee nehmen. Sieben Mal umrunden wir gegen zwei Uhr morgens die Kaaba, gemeinsam mit vielen hunderttausend Gläubigen. Vor der Kaaba sehen wir Luxushotels: Pilgern und Profit liegen im Reich der Saudis nicht weit auseinander. Im Basar von Mekka gibt es Shoppingmalls wie in den USA, und auch einen Drive-in entdecken wir, wo das Hadschmenü umgerechnet zweieinhalb Euro kostet. Wenig bemerken wir vom strengen, puritanisch ausgelegten Islam wahhabbitischer Prägung. Auf unserer zweiten Station, der 20 Kilometer von Mekka entfernten Ebene Arafat, begleiten wir den Iraner Jalal, einen Manager aus Kalifornien. Während ich um fünf Uhr morgens mit meiner »VJ«-Kamera, dem Pilgergewand und Flip-Flops auf den Berg der Vergebung klettere, fliegen Amr und Abdul mit dem Hubschrauber über die Ebene Arafat. Unbeschreiblich, wie die Gläubigen zu Tausenden auf den Berg klettern und Gott um Vergebung bitten – eine einzigartige Erfahrung. Schon der Prophet hatte Arafat als den Höhepunkt der Hadsch bezeichnet. Die Ruhe wird nur kurz gestört, als iranische Pilger anlässlich des Besuchs des iranischen Präsidenten Ahmadinejad in Mekka plötzlich »Tod Israel und Tod Amerika«-Plakate auspacken und in unsere Kamera halten.

Über drei Millionen Menschen sind zur Hadsch-Zeit in Mekka unterwegs, überall auf den Straßen sitzen, schlafen oder essen Pilger. Immer wieder treffen wir Gläubige, die sich keine Unterkunft leisten können und sogar betteln.

Völlig erschöpft erreichen wir am Abend das Journalistencamp in Arafat und essen gemeinsam mit anderen Journalisten Kamelfleisch mit Reis, zu sechst aus einer Schüssel. Der Weg zur nächsten Station Muzdalifa, wo die Steine gesammelt werden, mit denen man später die Steinsäulen und damit symbolisch den Teufel bewirft, wird beinahe zum Höllentrip. Elf Stunden für wenige Kilometer, schließlich steigen wir aus dem Bus und gehen mit dem internationalen Journalistentross zu Fuß weiter. Zum Schlafen kommen wir kaum mehr, denn tagsüber drehen oder fahren wir, und nachts pilgern wir selbst bis in die Morgenstunden. Schließlich erreichen wir die überwältigende Zeltstadt Mina. Hunderttausende feuerfeste Zelte bieten den Pilgern eine Bleibe und Schutz. Schon am frühen Morgen strömen Millionen an den Ort, wo einst dem Propheten Abraham der Teufel erschienen sein soll. Die Steinigung der den Teufel darstellenden Steinsäulen ist eine der bedeutendsten Riten der alljährlichen Hadsch und erinnert an die Vertreibung des Teufels durch den Propheten Abraham. Auch wir werfen an jede Säule sieben Steine und filmen dieses Ritual. Dabei werde ich mit meiner »VJ«-Kamera gemeinsam mit Abdul festgenommen – vielleicht waren wir dem Heiligen zu nahe gekommen. Nach arabischen Erklärungsbemühungen Abduls schließlich kommen wir frei. Zurück in unserem Camp, bloggen und mailen wir wie bisher täglich unsere Bilder und Texte in unseren ZDF-Mekkablog. Ich schneide auf meinem Laptop die Nacht durch einen Film für das »heute-journal«, derweil gibt Abdul dem saudi-arabischen Fernsehen ein Interview. Amr kümmert sich inzwischen darum, dass auch wir, wie alle anderen Pilger, ein Opfertier schlachten. Denn die Hadsch fordert ein weiteres Ritual – das Schlachten eines Opfertieres zum Opferfest. Es erinnert an den gottesfürchtigen Abraham, der auf Gottes Geheiß statt seines Sohnes ein Tier opferte. Die Realität für die Pilger sieht so aus: Sie zahlen lediglich für ihr Opferlamm. Insgesamt werden pro Hadsch über eine Million Schafe geschlachtet und unter Bedürftigen in 26 Ländern verteilt. Schließlich steht für uns noch ein Besuch beim Friseur an, der sich in Sichtweite der Säulen befindet. Männer müssen sich als Zeichen der Reinigung die Haare schneiden lassen. Ein Ritus, den auch wir vollziehen, um Hadschis zu werden.

Wir fahren ein letztes Mal nach Mekka. Mit Motorrädern kämpfen wir uns durch den Stau in der Heiligen Stadt. Abends treffen wir den kahlrasierten Jalal aus den USA wieder. »Das Bemerkenswerteste war«, so sagt er uns, »dass es hier kaum Anzeichen von Gewalt und Aggression gab.« Ohne sich zu kennen, seien alle Gläubigen füreinander da gewesen, so etwas habe er noch nie erlebt.

Uns geht es genauso – eine solche Pilgerfahrt mit all den Begegnungen, Erfahrungen und Strapazen war einzigartig. Das vielleicht größte und friedlichste spirituelle Massenereignis der Welt – wir durften dabei sein und ließen viele Zuschauer und Interessierte durch unseren erfolgreichen Blog unmittelbar an der Hadsch teilhaben. Einmal nach Mekka und zurück – für viele Muslime, wie auch für uns, beginnt nach der Hadsch ein neues Leben.
 
 
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