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2008  
ZDF Jahrbuch
Aus der Programmarbeit
Thomas Bellut
Klaus Bassiner/
Elke Müller
Heike Hempel
Doris Schrenner/
Norbert Himmler
Günther van Endert
Sibylle Bassler
Alexander Hesse
Kamran Safiarian
Nikolaus Brender
Karin Storch
Yvette Gerner/
Katrin Eigendorf
Matthias Fornoff
Elmar Theveßen/
Ralf Paniczek/
Thomas Reichart
Peter Arens/
Guido Knopp
Marcel Bergmann

Thomas Bellut, Programmdirektor

Aus gegebenem Anlass
Die Qualitätsdebatte muss sein – und ist für uns eine alte Bekannte

 
Thomas Bellut
Thomas Bellut


Anna Netrebko und Rolando Villazón
Anna Netrebko und Rolando Villazón


Marcel Reich-Ranicki und Thomas Gottschalk
Marcel Reich-Ranicki und Thomas Gottschalk
  Nach dem Eklat beim Deutschen Fernsehpreis und der anschließenden Debatte über Qualität im Fernsehen fragte ich mich: Wie kann man zu der Auffassung kommen, wir Fernsehleute machten mit voller Absicht ein miserables Programm, ohne jede Abwägung vor der Ausstrahlung, ohne jegliche Maßstäbe von Qualität, und das alles auch noch geschmückt mit Fernsehpreisen, die wir uns gegenseitig überreichen? Die Debatte über die Qualität unserer Programme wird im ZDF schon lange geführt, ohne dass wir glauben, als Öffentlich-Rechtliche auf der sicheren Seite des Lebens zu stehen. Für die kommerziellen Veranstalter gibt es andere Maßstäbe, was bei gewinnorientierten Unternehmen sicher keine Überraschung ist. Es gibt aber durchaus eine Schnittmenge an Programmen, die systemübergreifend funktionieren können, zum Beispiel im Bereich der Fiction. Deshalb bin ich eindeutig dafür, auch weiterhin systemübergreifend Fernsehpreise zu verleihen. Das öffentlich-rechtliche System ist aber allein durch die Gebührenfinanzierung stärker zur Qualitätsüberprüfung verpflichtet.

Dass es überhaupt zur Pauschalität des Vorwurfs, das Fernsehen sei schlecht, kommen kann, liegt an der Vielfalt der Angebote im deutschen Fernsehen, den unterschiedlichen Erwartungen der Nutzer und für ein öffentlich-rechtliches Vollprogramm wie dem ZDF zusätzlich an dem Umstand, dass wir Fernsehen für alle machen. Unser Streben geht dahin, die größtmögliche Vielfalt anzubieten, um ein attraktives Programm für viele Zuschauer herzustellen. Das impliziert bereits, dass nicht alle Angebote immer alle Zuschauer beziehungsweise Zuschauergruppen befriedigen und entsprechend immer einzelne Zuschauer oder Zuschauergruppen Kritik am Programm äußern können. Denn wir sind zwar kein klassik.tv, aber wir zeigen Netrebko und Co. dann, wenn Klassik passiert. Ebenso wenig sind wir ein Sportkanal, aber Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaften gehören zum ZDF. Auch wertvolle Wissenschaft wollen wir nicht rund um die Uhr anbieten, aber mit Harald Lesch – um nur einen unserer wichtigen Köpfe zu nennen – haben wir den besten echten Professor, den es im deutschen Fernsehen gibt. Und am Wochenende unterhalten wir mit Shows oder mit dem Großen Sonntagsfilm, um auch das Bedürfnis nach Entspannung zu erfüllen.

Positiv gewendet, könnten ja auch die vielen guten Kritiken für einzelne Programme, von den Nachrichten über Dokumentationen zu Fernsehfilmen, Unterhaltungsshows und Serien, zum Urteil führen: Deutsches Fernsehen ist gut.

Dass man Fernsehen für schlechtes Fernsehen halten kann, ist genauso legitim. Qualität ist aber nicht »Drei-Sterne-Küche gegen Currywurst« oder »Prokofiev statt Pilcher«. Wir brauchen natürlich beides. Aber solange die Qualitätsdebatte sich auf dem Niveau »Prokofiev statt Pilcher« bewegt, verfehlt sie den Kern einer Diskussion über Qualitätskriterien und Maßstäbe, die an einzelne Programme anzulegen sind.

Jeder würde zunächst behaupten, Qualität – unabhängig vom Gegenstand – zu erkennen. Meist handelt es sich hierbei aber um eine Beurteilung nach eigenem Geschmack, und es gibt wahrhaft seltsame Geschmäcker, selbst Programmdirektoren verirren sich gelegentlich. Eine Diskussion über die Qualität eines Gegenstands erfordert aber vor allem: die fundierte Kenntnis des Angebots, die genaue Kenntnis des Handwerks und des Machbaren nach den gegebenen Umständen.

Um unsere Programmkritiken im Haus nicht zu einer Debatte über unterschiedliche Geschmäcker werden zu lassen, haben wir Anfang 2007 mit fünf Kriterien für Programmqualität eine aktuelle, aber allgemeingültige Grundlage unseres Qualitätsmanagements entworfen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Kriterien:

Unsere Programme sollen Maßstäbe setzen und neues, überraschendes, provokantes, herausforderndes Fernsehen bieten.
Unsere Programme sollen produktionell und gestalterisch absolut auf der Höhe der Zeit sein und die Zuschauer ästhetisch in Bild, Sprache, Ton, Lichtsetzung, Schnitt und Grafik überzeugen. Handelnde Personen sollen glaubwürdig sein. Unsere Produktionen wollen Aufmerksamkeit erregen.
Unsere Programme sollen möglichst viele Menschen erreichen, weil sie Zuschauer ansprechen, einbeziehen, anregen und interessieren. Zuschauer sollen ihre Lebenswelten in unseren Programmen wiederfinden.
Wir wollen zeigen, was wichtig ist und den Zuschauern ermöglichen, alle wichtigen Ereignisse zu beobachten und zu verfolgen.
Wir achten in unseren Programmen universelle Werte und tragen damit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Dies beinhaltet das Aufgreifen von Konflikten und die Darstellung unterschiedlicher Perspektiven.
Ziel dieser Kriterien war es nicht nur, Standards zu bestimmen, nach denen wir unsere Programme prüfen können, sondern auch, eine gemeinsame Sprache über Qualität zu finden. Damit eben auch »Prokofiev« mit »Pilcher« ins Gespräch kommen kann.
Damit soll auch verhindert werden, dass Qualität mit »besonders wertvoll« oder »selten« verwechselt wird. Vielleicht wird in der öffentlichen Diskussion deshalb Qualität im Fernsehen gerade dort vermutet, wo die wenigsten Menschen hinsehen.
Qualität ist aber kein wertvoller Gegenstand, sondern eine Eigenschaft, die jedem Gegenstand innewohnen kann. Und das, obwohl man gerne mal dem Massenprodukt die Fähigkeit zur Qualität abspricht. Hochkultur, Kunst, Literatur, Klassik und Theater gehören sicher zu den Themen, die wir im öffentlich-rechtlichen Fernsehen anbieten wollen. Das alleine und mehr davon macht aber unser Fernsehen nicht per se besser. Auch diese Programme können gut oder schlecht produziert und präsentiert werden. Und auch die Berichterstattung über Themen aus Literatur, Kunst und Theater, Politik und Gesellschaft muss Qualitätsstandards erfüllen – genauso wie Fernsehfilme, Serien oder Unterhaltungsshows. Wir wissen, dass uns in all diesen Genres mal Besseres, mal weniger Gutes gelingt, und wir sind bereit, darüber zu diskutieren.
Dabei fühlen wir uns gerade gegenüber unseren Zuschauern in der positiven Pflicht, die Fernsehgebühren zu legitimieren. Eine Qualitätsdiskussion mit unseren Zuschauern ist deshalb selbstverständlich fester Bestandteil unserer täglichen Arbeit und wird mit professionellen Instrumenten wie Imageuntersuchungen, Repräsentativbefragungen oder qualitativen Studien unterstützt. Das ZDF hat zum Jahresbeginn 2007 ein flächendeckendes und tagesaktuelles Programmbewertungssystem etabliert. Täglich bewerten in einer repräsentativen Befragung etwa 1 800 Zuschauer ihre gestern gesehenen Sendungen. Das ZDF ist der einzige Sender in Deutschland, der ein derartiges flächendeckendes Programmbewertungssystem betreibt. Die mit repräsentativen Verfahren ermittelten Bewertungen in Kombination mit der Erfassung der Sendungseigenschaften und der Sehmotive prüfen die vorher ermittelten Qualitätsmaßstäbe über die gesamte Programmfläche des ZDF ab – dies im Vergleich mit den Sendungen der Konkurrenten. Damit ergänzt die Programmbewertung die vorgeschalteten qualitätssichernden Verfahren und rundet sie.
Aus diesen Studien wissen wir recht umfassend, was Zuschauerinnen und Zuschauer an unseren Programmen auszusetzen haben, aber auch, was sie an unserem Programm schätzen und dass sie das deutsche Fernsehen nicht so schlecht finden, wie es in mancher öffentlichen Diskussion erscheinen mag.
 
 
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