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2008  
ZDF Jahrbuch
Aus der Programmarbeit
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Doris Schrenner/
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Elmar Theveßen, Leiter der Hauptredaktion Aktuelles
Ralf Paniczek, Hauptredaktion Aktuelles
Thomas Reichart, Redaktion »Frontal 21«

»Mission Gold – Wie sauber sind die Olympischen Spiele?«

 
Elmar Theveßen
Elmar Theveßen


Ralf Paniczek
Ralf Paniczek

Thomas Reichart
Thomas Reichart


Ralf Paniczek und Elmar Theveßen vor dem »Vogelnest«
Ralf Paniczek und Elmar Theveßen vor dem »Vogelnest«


Rezeptfreie Medikamente aus einer chinesischen Apotheke, die zum Teil hochwirksame Dopingmittel sind
Rezeptfreie Medikamente aus einer chinesischen Apotheke, die zum Teil hochwirksame Dopingmittel sind


Die Dopingkontrolleure Carl Stale (links) und Göran Suedsäter vor einer Pekinger Sportschule
Die Dopingkontrolleure Carl Stale (links) und Göran Suedsäter vor einer Pekinger Sportschule
  Die ganze Nacht hindurch brennt Licht. Wenigstens eines kann man den Dopingfahndern bei diesen Olympischen Spielen nicht nachsagen: dass sie keinen Einsatz gezeigt hätten. Im Drei-Schicht-Betrieb, rund um die Uhr, analysieren die Wissenschaftler im Pekinger Labor die Urin- und Blutproben der Athleten. Fast 5 000 Dopingkontrollen hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) durchführen lassen; wenigstens 40 bis 50 Dopingfälle, so hatte IOC-Chef Rogge noch vor Beginn der Spiele in einem ZDF-Interview gesagt, wären wohl zu erwarten. Genau damit rechnete auch die Doping-Taskforce, zu der neun Journalisten aus unterschiedlichen Bereichen des ZDF gehören.

Ralf Paniczek, Thomas Reichart und ich waren nach Peking gereist, um die aktuelle Berichterstattung zum Thema Doping zu bestreiten und Hintergründe sowie Analysen für Fernseh- und Internetauftritte zu liefern. Wir waren auf Dutzende von Dopingfällen eingestellt; bis zum Tag der Schlussfeier waren es sechs – wenn man einmal von den vier Pferden absieht, die positiv auf ein Dopingmittel getestet wurden. Die niedrige Zahl lässt sich erklären, aber dazu später.

Die Arbeit der Doping-Taskforce in diesem Jahr war vor allem auf drei sportliche Großereignisse ausgerichtet, allerdings auch begleitet von den Wirrungen um eine angebliche Liste deutscher Topathleten, die Kunden einer Wiener Blutbank gewesen sein sollen. Es war ein Überläufer aus dem vergangenen Jahr und wird uns wohl auch weiterhin beschäftigen: der Verdacht, dass die österreichische Firma Humanplasma zahlreichen europäischen Spitzensportlern beim Doping mit Eigen- oder Fremdblut geholfen haben soll. In Österreich und Deutschland ermitteln die Staatsanwaltschaften und Kriminalämter. Die mühsamen Recherchen zeigen deutlich die Probleme, auf die Fahnder und Journalisten bei ihrer Aufklärungsarbeit stoßen. Belastbare Dokumente sind schwer zu bekommen, obskure Informanten bieten ihre Dienste an, echte Mitwisser schweigen – oft aus Angst vor der Rache der Beteiligten im internationalen Dopingsystem.

Deshalb ist auch für die Berichterstattung der Taskforce die journalistische Sorgfaltspflicht oberstes Gebot. Sie umfasst neben Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen der Aktualität, von »Frontal 21«, der Hauptredaktion Kultur und Wissenschaft und Online auch einige Reporter der Hauptredaktion Sport, die sich schon lange mit der Dopingthematik beschäftigen. Die Doping-Taskforce ist damit integraler Bestandteil der Sportberichterstattung.

Der Informationsaustausch ist eng, dank der regelmäßigen Besprechungen, einem E-Mailverteiler, einem gemeinsamen Datenlaufwerk mit Dokumenten, Interviewabschriften und Rechercheergebnissen sowie einer Materialsammlung auf dem ZDF-Sendeserver, auf die alle aktuellen Redaktionen Zugriff haben. Ein eindrucksvolles Ergebnis dieses synergetischen Arbeitens sind Grafikanimationen zu verschiedenen Dopingarten wie EPO- oder Gendoping. In enger Absprache mit Wissenschaftlern führender Forschungsinstitute hat Dr. Thomas Bleich diese Grafiken von der Abteilung Grafikdesign erstellen lassen. Sie liegen als Einzelmodule und eingebettet in Erklärbeiträgen für die Nutzung in Fernsehsendungen und in der Dopingwatch-Rubrik unter www.sport.zdf.de vor. Mit ihrer Hilfe will die Taskforce die Erklärkompetenz des ZDF auch in ihrem Fachgebiet hervorheben.

Ein Teil der kontinuierlichen Recherchen der Doping-Taskforce in der ersten Jahreshälfte 2008 kam auch der Berichterstattung über die Fußball-Europameisterschaft und die Tour de France zugute, bei der Hermann Valkyser (Hauptredaktion Sport) vor Ort in Frankreich in den Sportstrecken und Nachrichtensendungen der Frage nachging, ob der Radsport nach den Skandalen der vergangenen Jahre einen Neuanfang gemacht hat. Es sieht nicht wirklich danach aus, auch wenn die französische Anti-Dopingagentur und die Strafverfolgungsbehörden erstmals mit scharfen Maßnahmen gegen die erwischten Dopingsünder vorgingen. Aber das ZDF erfuhr, dass in den Testlabors bei zahlreichen Proben auffällige Werte gemessen wurden. Obwohl sie nicht über die Grenzwerte hinausgingen, also die Proben als negativ gewertet wurden, bleibt dennoch der Eindruck, dass immer noch weitergedopt wird.

Herausragender Schwerpunkt der Arbeit waren die beiden Dokumentationen im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking, zwei außergewöhnliche und aufsehenerregende Filme von Ralf Paniczek und Thomas Reichart in Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedern der Taskforce und mit dem ZDF-Studio Peking. In der ersten Folge, »Mission Gold – Wie sauber sind Chinas Staatsathleten?«, führte sie die Spurensuche im Reich der Mitte zu einer ehemaligen chinesischen Gewichtheberin, deren Gesundheit durch staatlich angeordnetes Doping schwer geschädigt wurde. Ihre herzergreifende Geschichte ist Rahmenhandlung für den Blick auf internationale Dopingkontrolleure, deren Arbeit in China behindert wird, auf Pharmaunternehmen, die den weltweiten Markt mit Dopingmitteln überschwemmen, und auf ehemalige DDR-Trainer, die Chinas Staatsathleten auf Goldmedaillenkurs trimmen sollen. Für den zweiten Teil, »Mission Gold – Wie sauber sind die Olympischen Spiele?«, schaute die Doping-Taskforce auf ehemalige DDR-Dopingtrainer in Diensten der deutschen Olympiamannschaft, auf die neuesten Dopingmethoden aus aller Welt und auf die Löcher im Kontrollsystem.

In den Monaten vor der Eröffnungsfeier hatten die Welt-Anti-Dopingagentur (WADA) und eine Reihe von internationalen Sportverbänden mit umfangreichen Kontrollen versucht, möglichst viele Dopingsünder zu enttarnen. Zum Teil war diese Strategie erfolgreich. Dutzende von Athleten, darunter vor allem griechische Gewichtheber und russische Leichtathleten, wurden aus dem Verkehr gezogen. Mit diesen Erfolgen begründet das Internationale Olympische Kommittee (IOC) jetzt, warum es bei den Wettbewerben in China selbst nur so wenige Dopingfälle gab.

Über sie berichtete die Doping-Taskforce in mehr als 20 Beiträgen in den Übertragungen und Nachrichtensendungen sowie in Hintergrundberichten für den Onlinesport. Dabei standen natürlich auch die wundersamen Leistungen des amerikanischen Ausnahmeschwimmers Michael Phelps, die zahlreichen Weltrekorde im Schwimmstadion und die unglaublichen Leistungssteigerungen jamaikanischer Sprinter im Fokus.

Erklärbar wären sie allesamt durch neueste Dopingmethoden, die im internationalen Sport eingesetzt werden. Solange die Beweise fehlen, verdienen die Leistungen sicher Hochachtung, aber ein fader Beigeschmack bleibt.

Denn auch im Dopinglabor von Peking wurde eine Reihe von Proben mit auffälligen Werten entdeckt, auch wenn diese nicht ausreichten, um die mutmaßlichen Täter zu überführen. Warum haben die Fahnder da nicht genauer hingeschaut? Und waren die Kontrollen wirklich so streng, wie vorher vom Internationalen Olympischen Kommittee angekündigt? Nach den Recherchen der Taskforce gibt es erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des Kontrollsystems. So ließ das IOC in Peking nicht auf so genannte Designer-Steroide und SARMS-Wirkstoffe testen, obwohl beide Mittel auf der Liste der verbotenen Substanzen stehen und mit neuesten wissenschaftlichen Methoden nachweisbar sind. Gleiches gilt für Insulin, das es Athleten ermöglicht, nach einem harten Wettkampf innerhalb kürzester Zeit die Glykogenspeicher in den Muskeln wieder aufzuladen. Im Hinblick auf die Mehrfachbelastungen einzelner Athleten, die sich überraschend schnell regenerieren konnten (zum Beispiel Michael Phelps oder Sprintstar Usain Bolt), wäre gerade dieser Test von großer Bedeutung gewesen.

In Peking fehlte es offenbar auch an der notwendigen Expertise für die Tests auf Fremdblutdoping und Wachstumshormone. Dem zuständigen Experten aus dem Anti-Dopinglabor in Lausanne war von den chinesischen Behörden die Einreise verweigert worden. Fielen dadurch die Kontrollen möglicherweise sogar auf den Stand vor den Olympischen Spielen in Athen 2004 zurück? All diese Punkte bedürfen der Aufklärung, eines tieferen Blicks hinter den schönen Schein des Anti-Dopingkampfes von Peking. Die Doping-Taskforce des ZDF bleibt dran.
 
 
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