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2008  
ZDF Jahrbuch
Aus der Programmarbeit
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Klaus Bassiner, Hauptredaktionsleiter Reihen und Serien (Vorabend)
Elke Müller, Redaktionsleiterin Reihen und Serien (Vorabend)

»Die Gustloff« als Beitrag wider das Vergessen

 
Klaus Bassiner
Klaus Bassiner


Elke Müller
Elke Müller


Kai Wiesinger, Karl Markovics und Michael Mendl auf der Kommandobrücke
Kai Wiesinger, Karl Markovics und Michael Mendl auf der Kommandobrücke


Etwa 10 000 Menschen gehen am 30. Januar 1945 an Bord der Wilhelm Gustloff
Etwa 10 000 Menschen gehen am 30. Januar 1945 an Bord der Wilhelm Gustloff


Hellmut Kehding (Kai Wiesinger) tröstet Erika Galetschky (Valerie Niehaus)
Hellmut Kehding (Kai Wiesinger) tröstet Erika Galetschky (Valerie Niehaus)
  Die Schiffskatastrophe der Wilhelm Gustloff gehört zu den besonders tragischen Ereignissen am Ende des Zweiten Weltkriegs, die bei Angehörigen und Zeitzeugen in schmerzhafter Erinnerung geblieben sind. Obwohl mehr als 9 000 Menschen den Tod fanden, war das bis heute größte Unglück der Seefahrtsgeschichte kein weithin bekanntes Symbol für die Schrecken des Kriegs. Das ZDF hat mit der Ausstrahlung des zweiteiligen Fernsehfilms »Die Gustloff« am 2. und 3. März 2008 und der anschließenden, ebenfalls zweiteiligen Dokumentation dazu beigetragen, dieses Unglück als ein Symbol für die schrecklichen Kriegsereignisse einer breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen.

8,45 Millionen Zuschauer sahen den ersten Teil und 7,87 Millionen den zweiten – das entspricht einem Marktanteil von 23,5 Prozent beziehungsweise 22,9 Prozent. In der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen waren es 2,58 Millionen im ersten Teil und 2,16 Millionen im zweiten, was einem Marktanteil von 16,9 Prozent beziehungsweise 16,7 Prozent entspricht.

Das ZDF hat hier einmal mehr bewiesen, dass historische Themen große Wirkung entfalten und auch jüngere Menschen ansprechen können. Deshalb sehen wir unsere Aufgabe auch weiterhin darin, Geschichte nicht nur wahrhaftig, sondern auch spannend, eindringlich und emotional bewegend zu erzählen.

Es sollte ein Antikriegsfilm und ein Film wider das Vergessen werden – darin waren sich alle Beteiligten von Anfang an einig, denn die Fakten, die vom Untergang der Wilhelm Gustloff bekannt sind, zeugen davon, was Krieg mit Menschen machen kann.

Nachdem Hitlers Wehrmacht im Sommer 1941 die Sowjetunion überfallen hatte und allein an der Ostfront Millionen Soldaten und Zivilisten ihr Leben lassen mussten, begann die Rote Armee im Januar 1945 ihre Winteroffensive gegen das Deutsche Reich. Mit bis zu 20-facher Überlegenheit wurden die deutschen Linien an der Ostfront überrannt. Binnen Tagen waren 2,5 Millionen Ostpreußen in einem riesigen Kessel eingeschlossen. Im kältesten Winter seit Jahrzehnten, bei annähernd minus 18 Grad, flohen Hunderttausende Richtung Ostsee. Sie hofften, von dort nach Westen in Sicherheit gebracht zu werden. In Gotenhafen (heute: Gdynia) an der Danziger Bucht sammelten sich Zehntausende, denen meist nichts geblieben war als das nackte Leben. Das größte und bekannteste Schiff, das dort im Tarnanstrich als Wohnschiff für die Soldaten einer U-Boot-Lehrdivision am Kai lag, war die Wilhelm Gustloff. Als Vergnügungsdampfer für etwa 1 500 Passagiere konzipiert und 1938 vom Stapel gelaufen, sollte es mehr als 10 000 Menschen – darunter zirka 8 800 Frauen, Kinder und Alte – in Sicherheit bringen.

Es kam anders: Die Wilhelm Gustloff wurde am 30. Januar 1945, am zwölften Jahrestag der Machtergreifung Hitlers, von einem sowjetischen U-Boot beschossen und versenkt. In der Nacht starben mehr als 9 000 Menschen, sechs Mal mehr als beim Untergang der Titanic. Der Untergang der Wilhelm Gustloff ist die bislang größte Schiffskatastrophe der Seefahrt.

Dass es soweit kommen konnte, wird unter anderem auch einem fatalen Kompetenzgerangel auf der Kommandobrücke zugeschrieben. Auch gab es Gerüchte von Sabotage beziehungsweise einem bewusst gesetzten Fanal gegen Nazi-Deutschland.

Der Drehbuchautor Rainer Berg hat dieses Stück deutscher Geschichte nach langen und umfangreichen Recherchen mithilfe des Gustloff-Überlebenden und Chronisten Heinz Schön neu beleuchtet. »Die Gustloff« ist somit auch ein persönlicher und authentischer Film geworden. Als bekannt wurde, dass das ZDF den Untergang der Wilhelm Gustloff verfilmt, wurden uns Redakteuren immer wieder persönliche Schicksale aus der damaligen Zeit erzählt. Es war interessant und berührend, wenn sogar im Bekanntenkreis und der eigenen Familie über Erlebnisse mit diesem Thema berichtet wurde, und man spürte, dass dieses schreckliche Ereignis deutscher Geschichte auch heute, nach über 60 Jahren, lange noch nicht bewältigt ist.

Als Kinder der Nachkriegszeit setzen wir uns mit der deutschen Vergangenheit und einer besonderen Schuld auseinander. Und deshalb ist es Teil des Selbstverständnisses unserer Arbeit, dafür zu sorgen, dass diese Vergangenheit nicht vergessen wird. Dass sich auch heute viele junge Leute sehr dafür interessieren, wie es der damaligen Generation erging und wie es zu diesem schrecklichen Krieg kommen konnte, beweist die Resonanz auf andere Filme, die sich mit Krieg und Nationalsozialismus beschäftigen. Für uns steht das Schicksal der Flüchtlinge im Film »Die Gustloff« darüber hinaus aber auch für alle Menschen, die vor Krieg und Entsetzen fliehen. Und heute wie damals sind es vor allem Frauen, alte Menschen und Kinder, die als Flüchtende nur eine Hoffnung haben: zu überleben.

Gemeinsam mit den Produzenten Norbert Sauer und Cornelia Wecker sowie dem Drehbuchautor Rainer Berg einigten wir uns sehr schnell darauf, unsere Geschichte auf drei Erzähltage zu komprimieren, um dem Zuschauer eine Ahnung davon zu geben, wie die Situation damals in Gotenhafen gewesen sein muss und welche Hoffnung auf Rettung die Wilhelm Gustloff, das »Traumschiff der 30er Jahre«, bei den Menschen auslöste.

Fiktion hat das Privileg, Figuren zu erfinden, die man greifen, begreifen und denen man vor allem glauben kann. Was mag in den Leuten vorgegangen sein, die sich damals auf die Wilhelm Gustloff geflüchtet und die damit auch schon an ihre Rettung geglaubt haben? Den großartigen Schauspielern – allen voran Kai Wiesinger, Valerie Niehaus, Heiner Lauterbach und Dana Vávrová, die hier stellvertretend für die besondere Besetzung bis in die kleinsten Rollen genannt seien – ist es zu verdanken, dass wir uns als Zuschauer vorstellen können, was die Menschen damals gedacht haben, als sie glaubten, all das Leid, das sie auf der Flucht erleben mussten, schon hinter sich gelassen zu haben und endlich in Sicherheit zu sein. Und es ist dem renommierten Regisseur Joseph Vilsmaier gelungen, uns eine Vorstellung davon zu geben, was damals wirklich geschehen ist, über welche Grenzen Menschen in der Lage waren zu gehen – im Guten wie im Bösen. Joseph Vilsmaier steht für die Güte und Ernsthaftigkeit, mit der sich der Film diesem sensiblen Thema nähert. Drehbuchautor und Zeitzeuge, hervorragender Cast, renommierte Szenen-, Masken- und Kostümbildner, der Kameramann und nicht zuletzt neueste Digitaltechnik haben entschieden dazu beigetragen, Qualität auf höchstem Niveau mit Spannung und Unterhaltung zu verbinden.

Aber alle, die wir an diesem Projekt mitgearbeitet haben, haben dabei nicht vergessen, dass diese Katastrophe eine war, die von Menschen selbst verursacht wurde. Und so gilt, was wir bei der Arbeit an diesem Film erneut begriffen haben: Es geht darum, etwas zu erzählen, was wirklich bewegt, um dazu beizutragen, dass eine solche Katastrophe nie wieder geschehen wird.
 
 
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