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2008  
ZDF Jahrbuch
Aus der Programmarbeit
Thomas Bellut
Klaus Bassiner/
Elke Müller
Heike Hempel
Doris Schrenner/
Norbert Himmler
Günther van Endert
Sibylle Bassler
Alexander Hesse
Kamran Safiarian
Nikolaus Brender
Karin Storch
Yvette Gerner/
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Thomas Reichart
Peter Arens/
Guido Knopp
Marcel Bergmann

Karin Storch, Leiterin des ZDF-Studios Tel Aviv

60 Jahre Israel
Wie das ZDF dem Zuschauer den Nahen Osten näherbringt

 
Karin Storch
Karin Storch


Die Altstadt von Jerusalem
Die Altstadt von Jerusalem


Ofra Strauss
Ofra Strauss


Liel Kolet, deren Lieder bereits weltweit bekannt sind
Liel Kolet, deren Lieder bereits weltweit bekannt sind


Tami Cohen
Tami Cohen
  Aktuell war der Höhepunkt der 8. Mai. Da fand Israels Militärshow am Strand von Tel Aviv statt: Die Kunstflugstaffel vollführte atemberaubende Kunststücke, auf den Bruchteil der Sekunde und den Meter genau. Die Marine zeigte Rettungsübungen. Die Piloten von Kampfjets schossen senkrecht in den Himmel, ließen sich scheinbar ins Endlose fallen, um dann doch wieder davonzudüsen. Das Neueste, das Beste, das Abschreckendste wurde zu Wasser und in der Luft vorgeführt. Hunderttausend sollen die Strandpromenade gesäumt haben, von der das ZDF vom »Morgen«- bis zum »Mittagsmagazin« live berichtete. Eigentlich war es eine Militärshow, wie sie viele Staaten am Unabhängigkeitstag veranstalten. Aber in Israel bekam sie ein anderes Gewicht durch die öffentlichen Erklärungen des Moderators: »Eingesetzt im Libanon-Krieg 1982, eingesetzt im Libanon-Krieg 2006«, fügte er jeweils der Beschreibung des militärischen Gerätes hinzu. Und als das Auftanken von Bombern in der Luft geschah, da wusste jeder: Das wird nötig im Fall eines Vorgehens gegen Iran. Israel ist 60 geworden und noch immer bedroht – Hisbollah im Norden, Hamas im Süden, Syrien im Nordosten und, in einer Distanz, die Raketen in 15 Minuten überwinden, Iran. Auch über die Entwicklung in einem Ägypten, das einmal nicht mehr von Hosni Mubarak geführt wird, machen sich die Israelis sorgenvolle Gedanken. Mit den Palästinensern wird zwar wieder verhandelt, aber ein Friedensvertrag, die Zwei-Staaten-Lösung, ist nicht in Sicht. Nach einer repräsentativen Umfrage der großen Tageszeitung Ha´aretz im April 2008 befürchten ein Viertel aller Israelis, dass ihr Land in 60 Jahren nicht mehr bestehen wird. Man stelle sich solch eine Umfrage einmal in Deutschland, in Europa vor. Dann ahnt man, welcher Schatten über dem Alltag liegt.

60 Jahre Israel – wie bringt man dem Zuschauer ein Land näher, zu dem den meisten Zuschauern wohl nur Konflikt und Krieg einfällt? Die Hauptredaktion Außenpolitik entschied sich für eine Reportage über Frauen. Die typische Israelin ist knapp 30 Jahre jung. Sie hat einen gehobenen Bildungsabschluss, zwei Jahre Militärdienst hinter sich und 2,9 Kinder. Das sagt die Statistik. Wen wählt man da aus? Es sollte eben einmal nicht die Panzer fahrende Blondine sein, die aus Äthiopien eingewanderte Langbeinige am Schnellfeuergewehr, die Kampfjetpilotin mit dem harten russischen Akzent. Wir haben uns schließlich auf vier Frauen konzentriert: Liel, eine knapp 18-jährige Sängerin aus dem Kibbuz Kinneret, Ofra Strauss, die 48-jährige Chefin eines riesigen Lebensmittelkonzerns, die eigenwillige Tamar Cohen, 78, die ihren Frieden mit den Palästinensern sucht, und Daniela Weiss, 63, die führend in der Bewegung der Siedler im Westjordanland ist. Liel, durch und durch ein Kibbuzkind, träumt vom Frieden und singt darüber. Wie viele in ihrer Generation möchte sie die Welt bereisen, Freundschaften schließen, coole Klamotten tragen, unbeschwert leben. Die Siedlerin Daniela Weiss ist die eigentliche Mutter der »Hilltop youth«, der fanatischen Jugendlichen, die in Judäa und Samaria – wie sie das Westjordanland nennen – Außenposten errichten und sich Land nehmen, wo es ihnen passt. Es ist schwer, gegenzuhalten, wenn sie sich auf die Bibel beruft.

Ofra Strauss, CEO, Chairperson, Präsidentin, eine der 50 reichsten Frauen der Welt, die unter anderem im Kaffeemarkt eine Spitzenposition erworben hat, gewährte dem ZDF Einblicke in ihr Privat- und Firmenleben, die israelischen Sendern bisher versagt blieben. Ihre Großeltern mussten aus Nazideutschland fliehen. Mit zwei Kühen begannen sie im Norden Israels, in Naharija, ganz von vorne. Aus ihrem Geschäft mit Käse- und anderen Molkereiprodukten wurde ein weltweiter Lebensmittelkonzern. Die Enkelin legt großen Wert auf die berufliche Förderung von Frauen, und Innovation wird in ihrem Unternehmen ganz groß geschrieben. Wer weiß übrigens schon, dass Israel weltweit bei der Zahl der Patente pro Kopf an zweiter Stelle liegt, vor Japan und vor den USA. Oder dass Israel in der Landwirtschaft neue Maßstäbe setzt: Der Milchertrag beispielsweise ist der höchste in der Welt. Eine Palme wirft durchschnittlich 182 Kilogramm Früchte ab, während es im Rest des Nahen Ostens lediglich 17 Kilogramm sind. Das Tröpfchenbewässerungssystem wurde in Israel erfunden, der erste USB-Stick, ein Großteil des Windows-XP-Betriebssystems, die VOIP-Technologie fürs Telefonieren via Internet. In der Pharmazie hat man das größte Unternehmen für Generika, beim Einsatz von Nanorobotern im medizinischen Bereich ist man führend.

Auch Tamar Cohen ist stolz auf ihr Land, obwohl sie viel an der Politik auszusetzen hat. 1948 kämpfte sie für die Unabhängigkeit Israels, frisch weg von der Schulbank. Sie gehörte den Palmach-Einsatztruppen an. Diese jungen Leute arbeiteten im Kibbuz, meist in der Landwirtschaft, und ließen sich heimlich an der Waffe ausbilden. Tamar scherzt gerne: »Wir waren wohl die einzige Armee auf der Welt, die sich selbst ernährte.« Heute fährt die grauhaarige Tamar Cohen jeden Mittwoch als unbezahltes Mitglied der Frauen- und Menschenrechtsorganisation »Machsom Watch« ins besetzte Westjordanland und besucht Checkpoints. Sie redet dort auf die israelischen Soldaten ein, wenn diese Palästinenser nicht korrekt behandeln.

Kleines Land, starke Frauen – so konnte man die Recherchen und Erfahrungen am besten zusammenfassen. Dem interessierten Zuschauer boten das ZDF, seine Partnerprogramme und die digitale Programmfamilie zu »60 Jahre Israel« eine Vielzahl von Dokumentationen und Beiträgen über Land und Leute, Geschichte und Gegenwart. Ob »Im Schatten der Schuld – Deutschlands besondere Verantwortung für Israel« von Eberhard Piltz oder »Zwei Tage im Mai – Israels schwierige Geburt« (Dietmar Schulz), »Real Time Players – Rendevouz im Netz«, eine Zusammenfassung faszinierender Videotagebücher israelischer und deutscher Jugendlicher, bearbeitet von Katrin Eigendorf und Yvette Gerner, oder Gerd Helbigs PHOENIX-Dokumentation über Israel, die Besatzungsmacht im Westjordanland – für jede Altersgruppe, zu jeder Tages- oder Nachtzeit gab es Neues, Interessantes, Hintergründiges. ZDFinfokanal zeigte den Dreiteiler »Die Wüste blüht« und wie Julia Theres Held deutsche Jugendliche jüdischer Herkunft nach Israel begleitete. Der ZDFdokukanal bot den Programmschwerpunkt »Zions Erben«. Das »ZDF-Mittagsmagazin« stellte eine Woche lang »das andere Israel« vor: Das Heilige Land, das Urlaubs­paradies, High Tech und Geschichte, Tradition und Moderne, Normalität und Exotik. Kurzum, so fasste es die Moderatorin Susanne Conrad zusammen: »Israel ist so viel mehr als ein Pulverfass im Nahen Osten.« Und der Kollege Ben Dror Yemini schrieb am 17. Mai 2008 in der Tageszeitung Maariv: »Israel braucht keine Militärparade. Es braucht eine Parade seiner Errungenschaften. Wir könnten sie Parade des Stolzes nennen.«
 
 
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