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Roman Beuler, Redaktionsleiter »hallo deutschland«

»Ich kann Kanzler!«

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Roman Beuler
Roman Beuler



Die Kandidaten beim Vorentscheid im Bonner Plenarsaal
Die Kandidaten beim Vorentscheid im Bonner Plenarsaal


Delano Osterbrauck, Jacob Schrot, Siegfried Walch, Nuray Karaca, Antje Krug und Philip Kalisch
Delano Osterbrauck, Jacob Schrot, Siegfried Walch, Nuray Karaca, Antje Krug und Philip Kalisch


Die Jury und der Gewinner: Günther Jauch, Anke Engelke, Jacob Schrot, Henning Scherf und Moderator Steffen Seibert
Die Jury und der Gewinner: Günther Jauch, Anke Engelke, Jacob Schrot, Henning Scherf und Moderator Steffen Seibert


Das Finale
Das Finale
 Naja, das stimmt so natürlich nicht, zumindest nicht für mich. Aber immerhin durfte ich an einem aufsehenerregenden ZDF-Projekt mitwirken, eben an »Ich kann Kanzler!«. Das begann schon mit der redaktionsübergreifenden Zusammenarbeit. In einem Team aus der Innenpolitik, der Redaktion »hallo deutschland« und der Hauptredaktion Neue Medien zu arbeiten, hat neben dem Reiz der professionellen Herausforderung auch einfach großen Spaß gemacht.

Aber erst einmal zurück zum Ursprung der Idee. Vor zwei Jahren stellte uns Panagiotis Trakaliaridis aus der strategischen Programmentwicklung in der Programmkonferenz eine kanadische Show vor, die es geschafft hatte, Politik auf eine Art darzustellen, die unterhaltsam ist und Spaß macht. »Geht so etwas?« haben wir natürlich alle gefragt. Besteht Politik im Fernsehen denn nicht immer aus den O-Tönen von Mandatsträgern, Generalsekretären oder Ministern? Und ist das Bild vom Gang über den Flur als Antexter nicht schon die Vollendung der Kreativität in der Politikberichterstattung? Aber eine Politikshow, noch dazu im Gewand einer Castingsendung – wie soll das gehen?

Es wird gehen, waren Bettina Schausten und ­Nikolaus Brender überzeugt. Als das ZDF die Rechte am kanadischen Format »Next great leader« erworben hatte, wurde redaktionsübergreifend ein Team zusammengestellt, das sich mit Verve auf die Aufgabe stürzte, um den Erfolg, den das Format in Kanada hatte, auch in Deutschland möglich zu machen.

Im Superwahljahr 2009 hatten wir die Gelegenheit, diese Idee für das deutsche Fernsehen und das Internet umzusetzen – und die Resonanz war umwerfend: Rund 2 500 junge Menschen im Alter von 18 bis 35 Jahren bewarben sich online als »Kanzler«. Sie machten uns die Auswahl nicht leicht: Etliche Tage verbrachten wir damit, diejenigen zu finden, denen wir die besten Chancen einräumten. Übrig blieben 40 Kandidatinnen und Kandidaten, die sich und ihre Idee für Deutschland online darstellen durften. Unter »kanzler.zdf.de« konnte sich jeder Internetuser ein Bild von den jungen Frauen und Männern machen, von ihren Überzeugungen und ihrem Engagement für Politik – und natürlich durfte auch jeder seinen Kommentar im Netz dazu abgeben. In einer Demokratie ist der Austausch von Meinungen schließlich eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Bildung eines politischen Urteils.

40 Kandidaten, 40 politische Profile, 40 Ideen: Der ehemalige Deutsche Bundestag in Bonn war ein passender Rahmen für einen ersten Wettstreit der Kandidaten. Hier traten die politischen Jungtalente ans Rednerpult und präsentierten sich unserer prominenten Jury: Anke Engelke, Günther Jauch und Henning Scherf, die mit Wissen und Witz den Ideen der Bewerber auf den Grund gingen und nach zwei Tagen der Auswahl die schwere Aufgabe hatten, die Besten der Besten herauszufiltern. Es fiel ihnen schwer – denn selten traten in einer Casting-Situation so viele außergewöhnliche Persönlichkeiten mit ihren Ideen gegeneinander an. Hier konnte sich Cora Zeugmann vorstellen, die 27-Jährige, die sogar für Barack Obama in den USA Wahlkampf gemacht hatte. Oder Mirko Wolf: der Ex-Boxer und Personal Trainer, der als Paten für seine Bewerbung einen Scheich aus Abu Dhabi mit ins Rennen genommen hatte. Jeder Kandidat hatte seine Stärken, aber für mehr als sechs junge Frauen und Männer war im »Endspiel« am 19. Juni nun mal kein Platz.

Schon zu diesem Zeitpunkt war uns klar, dass das Projekt für alle Beteiligten ein Gewinn ist. Die Resonanz zu »Ich kann Kanzler!« in der Öffentlichkeit und in den Medien war positiv. Die ZDF-Webuser, die Politiker und die Journalisten sprachen darüber. »Ich kann Kanzler!« wurde – obwohl grammatikalisch natürlich falsch – zu einem geflügelten Wort in der Poltikberichterstattung. Nun wäre das ja nicht das erste Mal, dass es mit einem guten Slogan gelingt, die deutsche Sprache zu bereichern. Und was Verona Pooth mit »Da werden Sie geholfen« gelungen ist, das hatten wir jetzt auch geschafft. Gerade die Tatsache, dass schon im Titel eine erkennbare Ironie liegt und der »Spaßfaktor« von Politik betont wird, hatte geholfen, so viele junge Menschen und übrigens auch ZDF-Kolleginnen und -Kollegen für das Projekt zu begeistern.

Aus den »Vorwahlen« im Bonner Bundestag wurde schließlich die erste Fernsehsendung unseres Projekts, wir brachten sie als 45-minütige Dokumentation ins Hauptprogramm. Die Sendung war uns wichtig, weil wir den Zuschauern zeigen wollten, wie verschieden die Ideen, die Beweggründe und das Auftreten der Kandidatinnen und Kandidaten gewesen waren. »Ich kann Kanzler!« sollte eben auch zeigen, dass politisches Engagement sich auch auf anderen Wegen Bahn brechen kann als nur den traditionellen, parteipolitischen. Und es sollte vor allem eine Aufforderung sein, Politik eigenverantwortlich zu gestalten und Initiative zu entwickeln, sozusagen eine Bürgerpflicht. Welcher Fernsehsender in Deutschland, wenn nicht das ZDF, wäre denn in der Lage, dieses so ausführlich und unterhaltsam auf den Schirm zu bringen?

Dann kam mit der Einschaltquote erst einmal die große Ernüchterung: Nur 1,14 Millionen Zuschauer (4,2 Prozent Marktanteil) wollten die Dokumentation »Ich kann Kanzler! – Die Vorentscheidung« sehen. Aber in der Politik wie beim Fernsehen gilt: Kurz vor dem Ziel sollte man nicht aufgeben.

Denn unabhängig von der niedrigen Einschaltquote waren wir überzeugt, dass unser Format etwas leisten und bewegen kann. Es kann zeigen, dass in Deutschland keine Politikverdrossenheit herrscht, sondern dass sich viele junge Menschen mit Verve einmischen wollen und dass sie gewillt sind, für ihre Idee einzustehen und diese zu vertreten. Politik in einer Demokratie lebt von Öffentlichkeit und die wollten wir mit unserem Projekt herstellen.

Unser persönliches Sommermärchen hatte also erst angefangen. Jetzt fuhren wir nach Berlin. Im Zentrum der deutschen Politik, der Hauptstadt und vor einem Publikum, das repräsentativ das deutsche Wahlvolk spiegelte, kam es zum politisch-spielerischen Showdown.

Zum Schluss standen sich im Finale von »Ich kann Kanzler!« zwei junge Männer gegenüber und mit ihnen auch zwei Politikertypen, wie sie unterschiedlicher kaum sein können: Hier der 18-jährige, in der Union engagierte, aber bislang noch unerfahrene Jacob Schrot aus Brandenburg, dort der 31-jährige Philip Kalisch, der bereits als Referent für den SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs arbeitet. Jacob Schrot und Philip Kalisch hatten sich durchgesetzt in einer Gruppe von zuletzt sechs Kandidaten. Deren Vielfalt war beeindruckend: angefangen bei Antje Krug, der alleinerziehenden Mutter von vier Kindern bis zum 25-jährigen Jungunternehmer aus Bayern, Siegfried Walch.

Die zweistündige Livesendung war ein Ereignis: Über drei Millionen Zuschauer sahen zu, 1 500 User pro Minute waren live im Netz dabei, und an der »Kanzler«-Wahl haben sich über 200 000 Zuschauer an der TED-Umfrage am Ende der Sendung beteiligt. Über zwei Millionen Pageimpressions hatte www.kanzler.zdf.de bislang. Ein herausragendes Ergebnis für unseren Internetauftritt, der ohnehin eine wesentliche Säule des gesamten Projekts war.

Unser Fazit für das Pilotprojekt »Ich kann Kanzler!« im deutschen Fernsehen: ein gelungenes Experiment! Hauptstadtstudioleiter Peter Frey, der die Kandidaten bei »Ich kann Kanzler!« journalistisch-bissig befragte, brachte es bei der After-Show-Party auf den Punkt: »Solange wir solche jungen Leute in unserem Land haben, brauchen wir um die Demokratie nicht zu bangen.«

Diesen Eindruck konnten wir alle – vom ZDF und von den ausführenden Produzenten I&U und MBTV – teilen: Unglaublich viele junge Leute mit Ideen und dem Mut, diese auch öffentlich zu vertreten, waren dabei. Sie hatten Spaß und vergaßen dennoch nicht, dass sie sich in einem Wettbewerb, in einer Konkurrenz untereinander, befanden und dass sie am Schluss vor einem Millionenpublikum bestehen mussten. »Wir sind nicht die Generation Komasaufen«, sagte der Sieger Jacob Schrot, »das will ich hier auch mal zeigen«. Und das hat er auch geschafft – seine Freude, sein Esprit und sein Interesse haben uns und die Zuschauer überzeugt. So sehr, dass die Show nicht der einzige Auftritt von Jacob Schrot in diesem Jahr blieb – auch bei den Sendungen zur Bundestagswahl war der Sieger ein begehrter und kluger Gesprächspartner für das ZDF.

Politikverdrossenheit? Davon war – zumindest bei »Ich kann Kanzler!« – nichts zu spüren! Und gerade weil wir wissen, dass es so viele junge Leute mit politischen Ideen, mit Überzeugung und mit Gestaltungswillen in Deutschland gibt, sollten wir bei »Ich kann Kanzler!« Neuwahlen nicht ausschließen.
 
 
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