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Harald Lesch, Moderator der Sendung »Abenteuer Forschung«

Anmerkungen zur ersten bemannten Mondlandung vor 40 Jahren

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Harald Lesch
Harald Lesch



Der erste Mensch betritt den Mond
Der erste Mensch betritt den Mond


Der »blaue Planet«, aus der Ferne betrachtet
Der »blaue Planet«, aus der Ferne betrachtet
 Am 20. Juli 1969 wirbelte die US-Landefähre »Eagle« kurz vor dem Touchdown viel Staub auf – auch in symbolischer Hinsicht. Einige Stunden später betraten mit Neil Armstrong und Buzz Aldrin die ersten Menschen den Erdtrabanten und markierten die größte Zäsur der Kulturgeschichte, ja, die bisherige größte Zäsur in der Wissenschafts- und Technikgeschichte überhaupt. Während viele so genannte historische Ereignisse in 1000 Jahren längst wieder in Vergessenheit geraten sein werden, wird die erste Apollo-11-Mission auch nach dem Jahr 2969 in lebhafter Erinnerung bleiben, weil sie, langfristig gesehen, den Aufbruch der Menschheit ins All symbolisiert. Und: weil sie ein Medienereignis war, an dem Milliarden Menschen live Anteil nahmen. Nie zuvor – und auch nicht danach – waren so viele Menschen über so viele Stunden gefesselt von unscharfen, verrauschten Bildern, von teilweise kaum verständlichen Kommentaren, um das einzigartige Ereignis mitzuerleben.

Die erste Mondlandung avancierte – im unzulässigen Superlativ formuliert – zum »historischsten« Ereignis in den Annalen der Menschheitsgeschichte. Keine andere geschichtliche Begebenheit wirkte so nachhaltig, markierte eine derart tiefe positive und zugleich breite Zäsur. Selbst die Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus 1492, für sich gesehen natürlich ein singuläres historisches Ereignis, aber global betrachtet, eben nur eine Wiederentdeckung eines Kontinents, den schon Jahrhunderte zuvor unbekannte Seefahrer mehrfach frequentierten, kann mit der Apollo-Mission 11 nicht konkurrieren. Denn vor 40 Jahren betraten Menschen im wahrsten Sinne des Wortes erstmals »Neuland«. Sie setzten ihre Füße auf einen außerirdischen »Kontinent«, den keiner zuvor je betreten hatte. Der Mensch verließ erstmals die Erde, betrat einen fremden Himmelskörper und sah seine Heimatwelt mit eigenen Augen – als funkelnden blauen Smaragd. Selbst der erste Mars-Astronaut, der in naher Zukunft durch den Staub des Roten Planeten watet, wird mit Armstrongs Schritten nicht Schritt halten können. Aus historischer Perspektive wird selbst die erste bemannte Mars-Mission im Schatten der Mondlandung stehen.

Gewiss, der 20. Juli 1969 (21. Juli 1969, 3.56 Uhr MEZ) hat, retrospektiv gesehen, keineswegs den Sprung der Menschheit in ein neues Raumfahrtzeitalter eingeleitet, den Neil Armstrong mit seinem geflügelten Wort vom kleinen Schritt für einen Menschen so pathetisch beschworen hatte. Schließlich währte das Mondabenteuer nur dreieinhalb Jahre, hüpften im Zeitraum von Juli 1969 bis Dezember 1972 im Rahmen sechs verschiedener Missionen gerade einmal zwölf Menschen auf dem Erdtrabanten. Seit nunmehr knapp 37 Jahren bestaunte keine Menschenseele mehr den tiefschwarzen Mondhimmel. Keiner erblickte die bizarre, von Kratern durchzogene, wüstenartige Landschaft, den fein mehligen Sandstaub und das fremdartig hellstrahlende Sonnenlicht mit eigenen Augen.

Während die sowjetische Sputniksonde 1957 das unbemannte und der Kosmonaut Juri Gagarin 1961 das bemannte Raumfahrtzeitalter einleiteten, begann aus heutiger Sicht mit der Apollo-11-Mission mitnichten irgendeine neue ­Raumfahrtära. Die Apollo-Missionen ebneten weder den Weg zu einer permanent bemannten Mondbasis noch erwiesen sie sich als das erhoffte Sprungbrett zum Mars. Im Gegenteil – die Mond-Missionen symbolisierten den Beginn der großen Krise der bemannten Raumfahrt. Sie führten allen Enthusiasten unvermissverständlich vor Augen, was technisch machbar ist, wenn der Wille die tragende Säule einer Idee ist – und was eben nicht realisierbar ist, wenn die erste Begeisterung verfliegt und die finanziellen Ressourcen versiegen, weil irdische Probleme den Blick auf das Außerirdische verstellen.

Als sich am 12. Dezember 1972 Eugene Cernan vom Mond verabschiedete, konnte zu diesem Zeitpunkt noch keiner ahnen, dass er der letzte Mensch des 20. Jahrhunderts sein sollte, der seinen Fuß auf einen fremden Himmelskörper setzt und das amerikanische bemannte Raumfahrtprogramm so schnell auf Nimmerwiedersehen im Haushaltsloch der NASA verschwinden würde.

Zugegeben, der wissenschaftliche Ertrag der sechs erfolgreichen bemannten Apollo-Mondlandungen wurde erst 20 Jahre nach der ersten Landung gewürdigt. Ihre Gesteinsproben erwiesen eindeutig den Ursprung des Mondes aus einem Zusammenstoß der Urerde mit einem Körper, doppelt so schwer wie der Mars. Hinzu kam, dass das Interesse der Bevölkerung von Apollo-Mission zu Apollo-Mission schwand. Nur das Drama der Apollo-13-Mission, die für alle drei Astronauten hätte durchaus tödlich enden können, hielt die Welt noch einmal in Atem; danach wurde es sukzessive still um die bemannte Raumfahrt. Der Reiz des Neuen war dahin – der Mond als Reiseziel seiner Faszination entledigt. Nur einige blecherne Forschungssonden verewigten sich auf dem Erdtrabanten – in Gestalt von kleinen Kratern. Seither ist der Mond ein verwaister Satellit der Erde. Die bemannte Raumfahrt zog sich in den Erdorbit zurück, wo sie bis heute verblieben ist.

Frühestens in der nächsten Dekade werden Menschen dem Mond erneut die Aufwartung machen; dann höchstwahrscheinlich keine Amerikaner, sondern eher Chinesen. Das »Space Race« um den Mond geht in die nächste Runde. Dieses Mal begnügen sich die Mondreisenden aber nicht mehr allein mit Gesteinsproben. Ihr Interesse gilt dann vielmehr einer permanent besetzten Mondstation und den hiesigen beträchtlichen Rohstoffvorkommen, die später einmal zu lunaren Exportschlagern avancieren sollen.

Langfristig die größte Zäsur aller Zeiten
Wenn unsere Nachkommen die heutige Diskussion über den Sinn und Unsinn der bemannten Raumfahrt nur noch mit einem milden Augurenlächeln quittieren und die Apollo-11-Mission Jahrhunderte zurückliegt, wird ihre historische Bedeutung umso größer sein. Denn je tiefer der Homo sapiens sapiens ins All vordringt, desto mehr rücken seine historischen Wurzeln ins Bewusstsein. Als Christoph Columbus 1492 den amerikanischen Kontinent betrat, konnte er sich ebenso wenig ein Bild über die Folgen seiner Entdeckung machen wie wir heute über jene der ersten bemannten Mondmission. Columbus‘ Schritte auf dem neuen Land hatten radikale Konsequenzen – sowohl für Europa als auch im Besonderen für die Ureinwohner. So werden die Historiker der Zukunft Armstrongs ersten Schritten fraglos eine noch größere Bedeutung zuschreiben als uns heute bewusst ist.

Erst wenn der Mensch – angetrieben von der unversiegbaren Quelle »Neugier«, beflügelt von wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn und motiviert von ökonomisch-ökologischen Zwängen (Überbevölkerung, Ressourcenknappheit) – den Sprung weg vom Orbit ins All wagt, den Mond und Mars besiedelt sowie erste interstellare Sonden entsendet, wirkt die historische Dimension der Apollo-Mission unmittelbar.

Mag sein, dass gegenwärtig viele Menschen rund um den Globus von dem 40. Jahrestag der ersten Mondlandung Notiz nehmen; feiern und entsprechend würdigen werden ihn dagegen nur wenige. Dies wird späteren Generationen vorbehalten bleiben. Es werden vor allem jene sein, für die die bemannte Raumfahrt so selbstverständlich ist wie für uns die Fortbewegung via Flugzeug. Sie mögen vielleicht auf dem Mond oder Mars leben und wie einst die Apollo-Astronauten die Erde als blauen Smaragd bewundern.

Müssten diese in 1000 Jahren jedoch einmal davon Zeugnis ablegen, welches Ereignis in den Annalen der Menschheitsgeschichte das in ihren Augen oder Sensoren (es könnten ja auch Roboter sein) bedeutsamste ist, werden sie unter Garantie die erste Mondmission zur Sprache bringen. Moon-Hoax wird dann längst vergessen sein. Die erste Mondmission vom Juli 1969 jedoch nicht, weil sie 3009 ein unmittelbarer Teil allgegenwärtiger Geschichte ist. Ein Teil der Geschichte des »Homo spaciens«.

40 Jahre nach dem ersten Schritt auf den Mond hat die Redaktion Naturwissenschaft und Technik in zweieinhalb Stunden Sendezeit den Weg dorthin nachgezeichnet. Nicht allein die technischen Entwicklungen haben den Weg geebnet, zumindest ebenso bedeutsam waren Pioniergeist, Risikobereitschaft und Machtstreben. Wissenschaft geschieht nicht isoliert im »Elfenbeinturm« von Forschungseinrichtungen. Sie dient der Gesellschaft, wird genutzt, wird gelegentlich instrumentalisiert. Dies zu beleuchten ist spannend, ist wichtig, und Wissenschaftssendungen sind dazu ein hervorragendes Instrument. Auch in der Zukunft.
 
 
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