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Werner von Bergen, Jury-Vorsitzender des Stadtschreiber-Preises

Weltensammler, Menschenforscher, Gipfelstürmer
Von Gabriele Wohmann bis zu Monika Maron – 25 Mainzer Stadtschreiber

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Werner von Bergen
Werner von Bergen



Die Stadtschreiber in historischer Reihenfolge
Die Stadtschreiber in historischer Reihenfolge:
obere Reihe: Gabriele Wohmann (1985), H.C. Artmann (1986), Ludwig Harig (1987)
untere Reihe: Sarah Kirsch (1988), Horst Bienek (1989) und Günter Kunert (1990)


Die Stadtschreiber in historischer Reihenfolge
obere Reihe: Helga Schütz (1991), Katja Behrens (1992), Dieter Kühn (1993)
untere Reihe: Libuše Moniková (1994), Peter Härtling (1995) und F. C. Delius (1996)


Die Stadtschreiber in historischer Reihenfolge
obere Reihe: Peter Bichsel (1997), Erich Loest (1998), Tilman Spengler (1999)
untere Reihe: Hanns-Josef Ortheil (2000 und 2001), Katja Lange-Müller (2002) und Urs Widmer (2003)


Die Stadtschreiber in historischer Reihenfolge
obere Reihe: Raoul Schrott (2004), Sten Nadolny (2005), Patrick Roth (2006)
untere Reihe: Ilija Trojanow (2007), Michael Kleeberg (2008) und Monika Maron (2009)
 25 Jahre sind im Fernsehen, wie im Leben, eine halbe Ewigkeit. Es scheint, dass wir vor einem Vierteljahrhundert in einer anderen Welt gelebt haben. Und doch: Einer der wichtigsten deutschsprachigen Literaturpreise feiert ewig frisch und herausfordernd sein silbernes Jubiläum, der Mainzer Stadtschreiberpreis. 1984 haben sich ZDF, 3sat und die Stadt Mainz zusammengetan, um einen Literaturpreis zu verleihen. Der damalige Leiter der »ZDF-Matinee«-Redaktion, Hajo Schedlich, verbündete sich mit dem damaligen Mainzer Kulturdezernenten Anton Maria Keim. Die Partner hatten erkannt, dass es eine wichtige öffentliche Aufgabe ist, der deutschsprachigen Literatur im boomenden Fernsehzeitalter große Aufmerksamkeit zu verschaffen. Gerade war das Privatfernsehen gegründet worden, von »Dschungelcamp« und »DSDS« war allerdings noch keine Rede. Und so klang es feierlich in den Richtlinien des Preises: »In einer Zeit, in der sich durch Kabel und Satellit das Fernsehen immer weiter ausbreitet, muss es zu seinen vornehmsten Aufgaben, ja, Verpflichtungen gehören, auf die Einmaligkeit unserer Sprache als einzig unverzichtbares Medium hinzuweisen, um der Sprachverflachung mit der gezielten Pflege unserer Sprache zu begegnen.«

Abenteuer Filmemachen
Längst sind wir in der digitalen und globalisierten Welt gelandet, die Medienlandschaft hat sich radikal verändert, doch der Preis und seine Absicht sind so aktuell geblieben wie damals vor 25 Jahren. Zum Jubiläum sind die Preis-Statuten behutsam auf den aktuellen Stand gebracht worden. Jetzt heißt es positiv-programmatisch: »Wir möchten den Reichtum unserer Sprache bewahren und fördern. Durch Bildungsdefizite und mangelnde Kommunikation droht unsere Gesellschaft sprachloser zu werden. Darum wollen wir auch mit den Mitteln des Fernsehens zur Bereicherung und Weiterentwicklung unserer bedrohten Sprache beitragen.«

Der Mainzer Stadtschreiberpreis ist mit einem Preisgeld von 12 500 Euro dotiert und bietet dazu eine extra eingerichtete Dienstwohnung im Renaissanceflügel des Mainzer Gutenberg-Museums an, mittlerweile mit Internetanschluss und DVD-Player. Es ist erwünscht, dass sich die Preisträger möglichst regelmäßig in der Dachwohnung mit romantischem Domblick aufhalten. Und für die Mainzer Bürger da sind. Hanns-Josef Ortheil erfand für sie eine Stadtschreiber-Zeitung, Ilija Trojanow kümmerte sich um jugendliche Schreibtalente, diskutierte mit Trainer-Star Jürgen Klopp und schrieb sogar mit dem indischen Autor Ranjid Hoskote ein Buch über die Weltkulturen.

Patrick Roth und Michael Kleeberg trafen Kardinal Karl Lehmann zu öffentlichen Gesprächen, Sarah Kirsch dichtete im Garten des Kulturdezernenten, und alle Stadtschreiber sprachen ausgiebig den Weinen der Region zu – und zu den Mainzerinnen und Mainzern auf zahlreichen Lesungen.

Was den Preis einmalig und ihn für Autoren der ersten Garde besonders reizvoll macht: Die jeweiligen Stadtschreiber nehmen an einem bis heute ungewöhnlichen und aufregenden Experiment teil. Sie wechseln für einige Zeit ihren Beruf und werden zu Filmemachern. Denn zusammen mit dem ZDF produzieren die Preisträger eine Dokumentation nach freier Themenwahl. Deutschsprachige Literaten lassen sich auf das bisweilen von ihnen argwöhnisch beäugte Fernsehmedium ein.

Die bisherigen 25 Träger des Mainzer Stadtschreiberpreises haben alle höchst originelle Zugänge zu ihrem Thema gefunden. Mit ganz unterschiedlichen Temperamenten hergestellt, hatten die Filme, die »Elektronischen Tagebücher«, alle eine faszinierende, unverwechselbare Handschrift. Über ihre Abenteuer berichten die Schriftsteller zudem alljährlich in einer Stadtschreiber-Sondersendung in 3sat.

Schriftsteller mit großem Namen
Die erste Preisträgerin hieß 1985 Gabriele Wohmann, sie setzte die Maßstäbe. Es folgten der Österreicher H.C. Artmann und deutsche Autorinnen und Autoren wie Ludwig Harig, Sarah Kirsch, Horst Bienek, Günter Kunert, Helga Schütz, Dieter Kühn und Peter Härtling. Der Schweizer Peter Bichsel drehte im Zug, Katja Behrens in Israel, Li­buše Moniková reiste nach Grönland, F. C. Delius weckte in Schweden Kurt Tucholsky aus seinem ewigen Schlaf auf, Erich Loest reiste auf Karl Mays Spuren nach Ägypten, Tilman Spengler auf den kriegerischen Balkan. Hanns-Josef Ortheil, der gleich zwei Mal als Stadtschreiber amtierte, nachdem Brigitte Kronauer den Preis zurückgegeben hatte, reiste nach Rom, Venedig und Prag auf den Spuren seiner Werke, Katja Lange-Müller nach Amerika zum Malerfreund Kedron Barrett, der Schweizer Urs Widmer wanderte von den Gipfeln der Alpen bis zum Mainzer Dom.

Sten Nadolny musste krankheitshalber auf seinen Film verzichten, dafür suchte der Österreicher Raoul Schrott in Deutschland Orte mit den Namen Himmel und Hölle auf. Was einstmals ein spielerisches Experiment war, wenn Schriftsteller das Medium wechseln, ist heute keinesfalls anachronistisch geworden, im Gegenteil. Allein die Filme der letzten Mainzer Stadtschreiber zeigen, welch eine Bereicherung ihre Arbeit für das Kulturprogramm des ZDF ist. Patrick Roths unverbrauchter Blick auf die Doppelbödigkeit Hollywoods, Ilija Trojanows ergreifende Zeugen, die erstmals im Fernsehen über die Verbrechen der kommunistischen Herrscher in Bulgarien berichteten, Michael Kleebergs tiefe Einblicke in den Libanon und auf die Bruchlinien des Nahen Ostens haben uns den anderen Blick beschert, die andere Perspektive, wie sie nur im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, wie sie exklusiv im ZDF zu sehen ist.

Und dann Monika Maron, die 25. Mainzer Stadtschreiberin. Die Chronistin deutsch-deutscher Erinnerungen macht sich in ihrem Film noch einmal auf nach Bitterfeld. Der Stadt, die einst als dreckigster Ort Europas bezeichnet wurde und heute eine neue Blüte als Metropole der Solarindustrie erlebt. Dort, wo ihr erster, berühmter Roman Flugasche spielte, der in der DDR wegen der drastischen Darstellung einer verfehlten Umweltpolitik nicht erscheinen durfte. Monika Maron schaut nach vorne und zurück. Eine Reise in die deutsche Provinz, eine aufschlussreiche Dokumentation, wie es der Zufall so will, im 20. Jahr des Mauerfalls. Das Abenteuer Mainzer Stadtschreiberpreis, es geht weiter.

 

 

 

 
 
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