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2005  
ZDF Jahrbuch
Aus der Programmarbeit
Michaela Pilters/ Robert Bachem
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Joachim Holtz
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Thomas Fuhrmann/ Jürgen Volk

Thomas Fuhrmann/Jürgen Volk

»das aktuelle sportstudio« – eine Erfolgsgeschichte

 
Thomas Fuhrmann
Thomas Fuhrmann


Jürgen Volk
Jürgen Volk


Michael Steinbrecher vor türkischer Kulisse
Michael Steinbrecher vor türkischer Kulisse
 

Der Klassiker unter den deutschen Sportsendungen ist seit August 2005 wieder regelmäßig um 22 Uhr im ZDF-Samstagabendprogramm. Der alte, neue Name und die alte, neue Sendezeit sind die äußeren Zeichen, um mit einer Neu-Positionierung an die Erfolge in der langen Tradition des »aktuellen sportstudios« anzuknüpfen. Durch das schwierige Wettbewerbsumfeld mit einem rein fiktionalen Gegenprogramm oder zuschauerstarken Unterhaltungssendungen am Samstagabend und keiner festen Beginnzeit hat die Sendung in den vergangenen Jahren gelitten. Nur durch die Rückbesinnung auf die äußeren Erkennungsmerkmale ist natürlich noch kein Terrain zu gewinnen. Mit der Rückkehr zu Titel und Sendezeit gehen auch konzeptionelle Änderungen einher. Die Fußball-Bundesliga ist und bleibt unverzichtbarer Bestandteil der Sendung, gerade vor dem Höhepunkt im Jahr 2006, der Fußball-Weltmeisterschaft. Zu der hohen Qualität der Hintergrundberichte über die Fußball-Bundesliga ist eine Schwerpunktsetzung bei Spitzenspielen gekommen. Ein zweiter oder gar dritter Aspekt des Spiels beleuchtet in filmischer Form oder durch Interviews die Begegnung. Fußball ist wichtig, aber Fußball ist nicht alles, auch nicht im »aktuellen sportstudio«. Die Sendung will nicht nur packende Bilder und Emotionen liefern und Sportereignisse analysieren, sie will auch Sportarten auf unterhaltsame Art und Weise erklären. Was bedeutet die Wattzahl, die Rennrad-Profis bei Bergankünften, im Zeitfahren oder im Zielsprint erreichen? Keine Tour-Etappe kommt ohne diese beeindruckenden Zahlen aus, aber auch für sportinteressierte Zuschauer müssen sie erläutert, übersetzt werden. Der ZDF-Radsportexperte Peter Leissl hat das im Selbstversuch im »aktuellen sportstudio« demonstriert unter fachkundiger Anleitung des besten deutschen Rennrad-Profis, Jan Ullrich. Ein Beispiel für den Teil des neuen Konzepts, der Sportarten auf unterhaltsame Weise erklären und erläutern will.

Darüber hinaus sendet »das aktuelle sportstudio« verstärkt von den Orten des sportlichen Geschehens. Bereits in den vergangenen Jahren war die Sendung im Anschluss an ausgewählte Boxübertragungen oder bei besonderen Ereignissen wie dem DFB-Pokal-Finale vor Ort. Durch eine größere Anzahl dieser Außenübertragungen ist eine bessere Zuschauerbindung möglich. »das aktuelle sportstudio« schafft es, durch das Senden von außergewöhnlichen Orten oder speziellen Ereignissen einen erkennbaren Mehrwert für das Publikum zu schaffen. Zwei Beispiele: Genau ein Jahr vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft hat »das aktuelle sportstudio« am 11. Juni 2005 im Anschluss an das Eröffnungsspiel im neuen Münchener Stadion vor der imposanten Kulisse des neuen Fußball-Tempels den WM-Countdown im ZDF eingeleitet. Ein Gespräch mit dem Trainer der brasilianischen Nationalmannschaft Carlos Parreira und eine Reckübung des frischgekürten Turneuropameisters Fabian Hambüchen auf dem Rasen der Allianz Arena waren die Höhepunkte der Sendung.

Vor der einmaligen Kulisse der Sultanahmet-Moschee im Herzen Istanbuls präsentierte »das aktuelle sportstudio« am 8. Oktober 2005 – im Anschluss an das Freundschaftsspiel Türkei – Deutschland – das internationale Flair der Sendung. Vier Monate Vorbereitungszeit für die Kollegen der Redaktion, Produktion und zahlreichen anderen Abteilungen des ZDF mündeten in diesen anderthalb Stunden. Eine hervorragende Zusammenarbeit, die Details sind im unten stehenden Beitrag aus produktioneller Sicht beschrieben. Auf einer Openair-Bühne begrüßte Michael Steinbrecher Gäste wie Christoph Daum, Franz Beckenbauer oder die Altintop-Brüder, die einen Vorgeschmack auf die Fußball-WM in Deutschland gaben. Diese Ausgabe des »aktuellen sportstudios« wurde außerordentlich gut angenommen: 4,2 Millionen Zuschauer sahen die Sendung, das entsprach einem Marktanteil von 18 Prozent. Eine schöne Belohnung durch die Zuschauer und Ansporn für das kommende Jahr.

T. F.

Erfolgreiches Auswärtsspiel
8. Oktober, Atatürk-Stadion in Istanbul. Die deutsche Fußballnationalmannschaft trifft auf die Türkei. Da die Zuschauer im »aktuellen sportstudio« hochkarätige Gäste erwarten, lag die Idee nahe, live aus Istanbul zu senden, um Franz Beckenbauer und die Spieler des Tages in der Sendung begrüßen zu können. Der Autor schildert die Vorbereitungen und den Verlauf einer Sendung, die deutlich erfolgreicher war als das Spiel der deutschen Mannschaft.

Nach ersten Vorgesprächen waren wir uns schnell einig, dass wir nach dem Spiel nicht aus dem sich schnell leerenden Fußballstadion senden sollten, sondern aus der Innenstadt Istanbuls. Damit ließ sich auch der kulturelle Hintergrund des Austragungsorts transportieren. Bei unserer Motivsuche ergab sich eine schier unglaubliche Möglichkeit: Wir konnten »das aktuelle sportstudio« auf dem Sultanahmet-Platz produzieren, zwischen den kulturhistorisch bedeutendsten Bauwerken Istanbuls, der Sultanahmet-Moschee und der Hagia Sophia. Die türkischen Kollegen machten uns das Besondere klar: Noch nie gab es eine Fernsehübertragung dieser Größe auf diesem auch in religiöser Hinsicht viel beachteten Platz. Und das auch noch während des Fastenmonats Ramadan. Von der für den Transport der Studiogäste aus dem vor den Toren der Stadt gelegenen Atatürk-Stadion notwendigen Hubschrauberlandung bei Nacht im Herzen der Stadt ganz zu schweigen.

Nach Prüfung der notwendigen finanziellen Mittel entschieden wir uns für ein Produktionsmodell unter Beschäftigung türkischer Firmen in den Bereichen Beschallung, Licht- und Bühnentechnik. Ein deutscher Übertragungswagen stand uns wegen der eine Woche zuvor erstmals in Istanbul ausgetragenen DTM-Läufe kostengünstig zur Verfügung. Um sowohl Verständigungsprobleme während der Produktion frühzeitig zu vermeiden als auch unseren Qualitätsstandard zu wahren, wurden Vertreter unserer Fachbereiche in den Sparten Licht und Beschallung eingesetzt. Wo immer möglich, handelte es sich dabei um türkischsprachige Mitarbeiter aus der Zentrale.

Zur Überwachung der Bauausführung und internen Bauabnahme war unser Sicherheitsingenieur vor Ort. Ein Ingenieur des Leitungswesens war für die reibungslose Abwicklung des Leitungskonzepts zwischen den verschiedenen Übertragungsorten und der Sendezentrale in Mainz im Einsatz. Soweit das Konzept. In der Realität wurden wir dann doch häufiger von kleineren und größeren Problemen überrascht.

Und täglich grüßt der Muezzin
Die Unterbringung eines großen Teils unseres Teams erfolgte in kleinen, landestypischen Hotels nahe des Produktionsorts, um bei langen Dienstzeiten nicht auch noch lange Ab- und Anfahrten hinnehmen zu müssen und zugleich auch, um Reisekosten zu sparen.

Während des Ramadans ist es gläubigen Moslems nicht erlaubt, nach Sonnenaufgang und dem damit verbundenen Ruf des Muezzins zum Morgengebet zu essen und zu trinken. Dieses Fasten dauert dann an, bis nach Sonnenuntergang der Muezzin zum Abendgebet ruft. Nun geht im Osten die Sonne auch im Oktober noch sehr früh auf. Schon um 5.15 Uhr ertönte unüberhörbar der Ruf des Muezzins. Doch damit nicht genug. Denn schon vor dem allmorgendlichen Ruf gehen Trommler durch die Straßen, um von vier Uhr an die Gläubigen daran zu erinnern, rechtzeitig aufzustehen, wenn sie vor dem Morgengebet noch etwas essen möchten. Dies hatte zur Folge, dass unsere Nächte nicht nur wegen der immer längeren Arbeitszeiten doch recht kurz waren.

In unmittelbarer Nachbarschaft des Produktionsorts befand sich ein großer Platz mit unzähligen Essens- und Verkaufsständen. Nach dem Abendgebet versammelten sich tausende Istanbuler Bürger, um gemeinsam zu Abend zu essen. Viele Essensstände verbrauchen auch viel Strom. Da waren wir doch nach dem allabendlichen Stromausfall im gesamten Stadtteil Sultanahmet froh, zur Sicherung unseres Strombedarfs ein großes Stromaggregat mitgenommen zu haben.

Von Zaunfüßen und Hundebissen
Die Produktion zeichnete sich durch viele Unwägbarkeiten aus. So mussten wir ständig mit dem Besuch eines Abgesandten der örtlichen Behörden rechnen, der, wieder einmal, bereits getroffene Vereinbarungen »wohlwollend« in Frage stellte. Zum Beispiel mussten die angedachten Bürocontainer einer Zeltvariante an anderem Ort weichen. Nur: Zelte müssen anders beheizt werden als Container, und sie sind schwerer zu sichern, gerade weil wir uns inmitten tausender, Ramadan feiernder Moslems befanden. Geholfen hätte hier der geplante 400 Meter lange Zaun, der sich bereits seit einigen Tagen auf dem Weg befand, aber seltsamerweise nicht eintreffen wollte. Also erhöhten wir zunächst die Anzahl des Wachpersonals und der Heizungen. Daneben wurden mit teils archaischen Mitteln gebaute Lichttürme nach Fertigstellung und Begutachtung durch andere, modernerer Bauart, ersetzt.

Nachdem der Übertragungswagen am Donnerstag zu nachtschlafender Zeit wegen Lkw-Fahrverbots in der Innenstadt geparkt werden musste und wir die mit vielen erbosten Straßenhändlern geführten Diskussionen wegen vermeintlich schlechter Geschäfte durch unsere Präsenz beendet hatten, erfuhren wir, dass der türkische Ministerpräsident sich zum Abendgebet angesagt hatte. Dies wurde auch gleich durch einen Anruf seiner Sicherheitsleute bestätigt, die darauf bestanden, den gesamten Ü-Wagenpark wieder zu entfernen, da er ein Sicherheitsrisiko darstelle. Zum Glück befand sich die Ü-Wagenbesatzung noch auf dem Flughafen, sonst wäre der Ü-Wagen schon vollständig verkabelt gewesen. Endlich traf auch der lang ersehnte Zaun ein. Doch die Freude währte nur kurz, denn bei Sichtung des Materials fehlten die Füße. Diese wurden zwar nach nur halbtägiger Wartezeit nachgeliefert, nur passten sie leider nicht zu den Zaunelementen. Erst durch den kurzentschlossenen Einsatz eines Schlossers konnte beides vereint und der Sicherheitszaun errichtet werden.

Mittlerweile war es Freitag und alles lief wie geplant. Alles? Fast alles, denn bei der abendlichen Probe unseres Vorprogramms verschob sich die Bühnenfläche geringfügig. Bei der Reparatur der über einer Hecke errichteten Bühne wurde ein türkischer Mitarbeiter von einer Hündin gebissen, die mit ihren Welpen unter der Hecke lebte. Aber keine Sorge, es war nicht so schlimm, wie es zunächst klingt. So kam wenigstens der über die gesamte Produktionsdauer vor Ort anwesende Notarzt zum Einsatz. Die anschließende Sendungsprobe verlief weitgehend problemlos.

Vom Anpfiff und einer hektischen Schlussphase
Am Sendetag waren alle erwartungsgemäß sehr nervös. Es kam, wie es nach dieser Woche kommen musste. Die Stromversorgung in den Zelten fiel nach dem erfolglosen Versuch, eine defekte Heizung zu reparieren, für einige Stunden aus. Die Monitore und Computer zur Kommunikation und Sichtung des Programms konnten erst nach Einsatz eines zusätzlichen kleinen Stromaggregats wieder in Gang gesetzt werden.

Es war inzwischen 19 Uhr Ortszeit. Der Zuschauereinlass begann. Die Zuschauer – vor allem in Istanbul lebende Deutsche sowie einige Touristen, die im Verlauf der Woche am Produktionszelt um Karten gebeten hatten – konnten sich das Fußballspiel auf einer Großbildwand anschauen. Tausende Zaungäste standen im Hintergrund und sahen begeistert zu. Die Übertragung des Fußballspiels lag in den Händen des ZDF, das für die technische und produktionelle Qualität sorgte. Für die Qualität des Spiels trug das ZDF hingegen keine Verantwortung.

Nach Beendigung des Freundschaftsspiels und der Niederlage der deutschen Nationalelf begann »das aktuelle sportstudio« mit dem Schwenk einer Kamera, die auf einem der Minarette der Hagia Sophia stand. Michael Steinbrecher befragte Christoph Daum, Trainer von Fenerbahçe Istanbul, zum Spielverlauf. Während dieser Gast nach der ersten Halbzeit mit dem Auto zum Produktionsort gekommen war, sollten die nächsten Gäste mit dem Hubschrauber eintreffen. Wir warteten auf das Zeichen, dass der am Atatürk-Stadion wartende Helikopter mit Franz Beckenbauer und den Brüdern Altintop startbereit sei. Gegen 22.20 Uhr startete der Hubschrauber, nach zirka zehn Minuten sollte er auf dem Landeplatz des Istanbuler Wasserwerks landen. Michael Steinbrecher war noch im Gespräch mit Christoph Daum. Als um 22.40 Uhr noch immer nichts vom Helikopter zu hören war, wurden wir langsam nervös. Endlich, nach fünf endlos langen Minuten, hörten wir, dass er sich im Landeanflug befand. Es war höchste Zeit, denn der Limousinenservice mit Polizeieskorte benötigte zirka zehn Minuten vom Bosporusufer zum Set, und das Sendeende war für 23.15 Uhr geplant.

Es war 23 Uhr, als die ersten Lichter des Konvois zu sehen waren. Kurze Zeit später kamen Franz Beckenbauer und die Altintop-Brüder durch das Auftrittstor. Die Sendung war ein voller Erfolg. Und das nicht nur aus Sicht des deutschen Publikums in Istanbul und in der Heimat. Auch in der Türkei wurde »das aktuelle sportstudio« viel beachtet.

J. V.

 
 
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