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2005  
ZDF Jahrbuch
Aus der Programmarbeit
Michaela Pilters/ Robert Bachem
Reinold Hartmann
Werner von Bergen
Wolfgang Herles
Gert Scobel
Bettina Eistel
Claus Beling
Nina Ruge
Joachim Holtz
Guido Knopp
Matthias Fornoff
Detlev Jung
Thomas Fuhrmann/ Jürgen Volk

Michaela Pilters/Robert Bachem

Habemus papam

 
Michaela Pilters
Michaela Pilters


Robert Bachem
Robert Bachem
 

Die Chronik der ZDF-Berichterstattung zum Tod des Papstes begann noch im alten Millennium, als eine Arbeitsgruppe aus Programmplanung, Chefredaktion und Programmdirektion erste Überlegungen anstellte, was im Falle des Ablebens von Johannes Paul II. im Programm vorzusehen sei. Ein Papier hielt die verschiedensten Szenarien fest, und Kompetenzen wurden festgelegt. Denn eines war schon damals klar – weder die Redaktion Kirche und Leben katholisch noch die Hauptredaktion Außenpolitik, das Studio Rom oder die Aktualität allein konnten dieses bevorstehende Ereignis umfassend darstellen. Peter Frey (damals noch Hauptabteilungsleiter Außenpolitik) und Michaela Pilters (Leiterin der Redaktion Kirche und Leben katholisch) sollten die Sendungen moderieren. Robert Bachem wurde zum Leiter der Sendungen auserkoren und sollte die Planungen in Rom übernehmen. Christian Gambla war der Erste Produktionsleiter, der zunächst gemeinsam mit Georges Nasser die umfangreichen produktionellen Vorarbeiten leistete.

Vermutlich gibt es nur wenige Papiere, die so viele Fassungen erlebt haben wie diese ersten Planungen, denn über die Jahre verschieben sich auch Programmakzente und Zuschauergewohnheiten. Ging man beispielsweise früher davon aus, dass ein Verstorbener am Todestag nicht lebend gezeigt und das große Lebensbild daher erst am Tag nach dem Tag X gesendet werden sollte, so war später selbstverständlich davon die Rede, dass ein solches Porträt auf den besten Sendeplatz um 20.15 Uhr gehöre. Was aber, wenn ausgerechnet dann »Wetten, dass ..?« auf dem Programm stünde, wenn der Papst stirbt? Und was, wenn dies während eines wichtigen Fußballspiels geschehen würde? Je gebrechlicher Johannes Paul II. wurde, desto dichter wurden die Sitzungen, desto ausgefeilter die Spielpläne. Nach Katastrophen wie dem 11. September oder dem Irak-Krieg – um nur die wichtigsten zu nennen – wurden die Papstplanungen immer wieder angepasst. Aber sie kamen der Berichterstattung auch zugute. So war der »Alarmplan Papst« auch die Grundlage für die Planungen anderer Großereignisse. Allerdings wurden für keinen anderen Todesfall derart viele Beiträge vorbereitet. Die so genannte Bundeslade umfasste nicht weniger als 50 nach Themen geordnete Stücke, in fast allen Längen. Die Aktualisierung dieses Programmvermögens war jedes Jahr ein Albtraum für die Programmplaner.

Längst war klar, dass das ZDF in Rom für die Begleitung der zu erwartenden Feierlichkeiten ein eigenes Set brauchen würde. Im Jahr 1999 fanden die »Location Scouts« aus dem Studio Rom gemeinsam mit Werner Kaltefleiter, dem Vatikanexperten der Kirchenredaktion, die geeignete Terrasse in Rom. Schwierige und höchst geheime Verhandlungen folgten, denn obwohl die US-amerikanischen Kollegen oder die BBC ebenso ihre Dächer unter Vertrag hatten, hätte das Bekanntwerden der Verträge das Kloster der Salvatorianer, dem die Terrasse gehörte, in Schwierigkeiten gebracht. Mit dem Tod des Papstes zu spekulieren war ungehörig. Dennoch ließen sich die Patres überzeugen, dem ZDF ihre Räume zur Verfügung zu stellen, mit strikten Auflagen, die Klausur zu beachten.

Inzwischen ging Peter Frey nach Berlin, und Matthias Fornoff übernahm die Koordination von Chefredaktion und Programmdirektion als Papstbeauftragter. Im Studio Rom erbten Karin Storch und Gerd Helbig von ihren Vorgängern die undankbare Aufgabe der ständigen Bereitschaft.

Ein Bühnenbild wurde entworfen, Regisseur Juergen J. Grosse entwickelte mit den Kolleginnen und Kollegen der Produktionsabteilungen das Konzept für das römische Set. Wie lange würde es dauern, bis von dort gesendet werden könnte? Wie viele Stunden braucht der Übertragungswagen über die Alpen nach Rom? Und wo sollten im Ernstfall alle beteiligten Kolleginnen und Kollegen untergebracht werden? Wie erfahren wir zuverlässig, aber möglichst frühzeitig vom Tod des Papstes, und wer startet die Operation Papst in welcher Phase? Immer häufiger gab es alarmierende Meldungen aus dem Vatikan oder von Korrespondenten anderer Medien, und immer musste neu entschieden werden, ob die »Papsttruppe« in Bewegung gesetzt werden sollte oder nicht – im Falle eines blinden Alarms eine äußert kostspielige Entscheidung. Aber was, wenn der Alarm doch ernst wäre?

Das 25-jährige Jubiläum Johannes Pauls II. und die Heiligsprechung von Mutter Teresa 2003 boten eine willkommene Gelegenheit, unser Dachstudio im Kloster zu testen. Der Probelauf in Form einer dreistündigen Livesendung brachte viele Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge für die Kolleginnen und Kollegen aus Produktion und Technik. Nicht zuletzt war es dieser Generalprobe zu verdanken, dass unser ZDF-Studio Rom näher an den Ort des Geschehens verlegt wurde. Die räumliche Nähe von Studio, Kloster und Vatikan haben sich als unschätzbarer Wettbewerbsvorteil erwiesen.

Im Februar 2005 wurde der Papst in die Gemelli-Klinik eingeliefert, sein Gesundheitszustand gab Anlass zur Sorge, und auch im Vatikan wurde – wenn auch hinter vorgehaltener Hand – über seinen Tod spekuliert. Der Rückkehr in den Apostolischen Palast folgte die erneute Einlieferung zum Luftröhrenschnitt, der Papst war verstummt und die Amtsgeschäfte ruhten, aber er lebte. Erneut eine schwierige Phase für Koordinator Matthias Fornoff, der zwei Tage vor dem Tod die richtige Entscheidung traf, den Alarmplan zu aktivieren. In der Nacht zum 1. April 2005 verdichteten sich die Gerüchte, die so genannte »Grotte« als Krisen- und Koordinationszentrum wurde eingerichtet, ein erstes »ZDF spezial: Bangen um Johannes Paul II.« ins Programm genommen. Der Ü-Wagen der Firma Satcom setzte sich, mit Thomas Marquardt an der Spitze, in Bewegung. Thomas Krost und die ZDF-Techniker flogen nach Rom, um das Set unter der Leitung von Georges Nasser vorzubereiten. In Mainz warteten wir stündlich auf die Todesmeldung. Rund um die Uhr war das Nachrichtenstudio mit Technik und Moderation standby. Als dann die Eilmeldung vom Tod des Papstes kam, wurden auch die Routiniers zu höchster Anspannung und Konzentration angespornt: Livegespräche im Studio, Schalten nach Rom und Krakau, vorbereitete Zuspielungen und aktuelle Bilder, Interviews und Telefonate in der »Grotte«. Das ZDF konnte gegenüber anderen Sendern seine journalistische Kompetenz und produktionelle Schlagkraft ausspielen und hat sich im Wettlauf um die Gunst der Zuschauer stark behauptet. Die langjährigen und exakten Vorbereitungen bewährten sich, ein eingespieltes Team wusste genau, was zu tun war. Der Reisedienst hatte riesige logistische Probleme mit Bravour gemeistert, das Leitungswesen und die Kolleginnen und Kollegen von der Technik sich selbst übertroffen. Unmögliches wurde möglich gemacht, ohne Murren und Klagen. Der Todesnacht folgten vier Wochen intensivster Berichterstattung aus Rom. Wir waren live bei der Überführung des Leichnams in den Petersdom dabei, übertrugen das Requiem vom Petersplatz, den Einzug ins Konklave und die spannenden Stunden, als die rätselhafte Farbe des Rauchs aus dem Schornstein die Wahl des neuen Papstes ankündigte, spitzten mit unserer Kamera durch die Balkontür, bevor Kardinal Estevez den neuen Papst verkündete, begleiteten Jubel und Erstaunen über den deutschen Papst und waren bei seiner feierlichen Amtseinführung dabei. Dazwischen »ZDF spezials«, ungezählte Nachrichten- und Magazinbeiträge, Diskussionsrunden und Dokumentationen.

In der Zusammenarbeit zwischen Programmdirektion und Chefredaktion wurden neue Wege beschritten, die sich bewährt haben und auch beim Weltjugendtag im August in Köln fortgesetzt werden konnten. Das Know-how von Fachredaktion, Aktualität, Studio und Produktion zusammenzubringen, über alle Strukturen hinweg, hat sich gelohnt. Trotz aller körperlicher Belastungen, die Überstunden, kurze Nächte, beengte Produktionsverhältnisse und die ständige Anspannung mit sich brachten – alle waren sich bewusst, Teil eines historischen Ereignisses zu sein. Wir jedenfalls waren stolz darauf, und das positive Echo der Zuschauer auf unsere Sendungen hat uns gezeigt, dass sich unsere Anstrengungen auf jeden Fall gelohnt haben.
 
 
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