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Claudia Ruete, Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen, Redaktionsleiterin Dokumentationen/Reportagen
Peter Wagner, Koordinator ZDFinfokanal

»24 Stunden Südafrika«
Ein unvergessliches »Wir-Gefühl«

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Claudia Ruete
Claudia Ruete


Peter Wagner
Peter Wagner



Tebogo Ratau, ein 15-jähriger Fußballfan
Tebogo Ratau, ein 15-jähriger Fußballfan


Das Kernteam: Autoren, Cutter und Redaktion
Das Kernteam: Autoren, Cutter und Redaktion


Buelani Futshane betreibt ein Aids-Aufklärungsprojekt für 
Jugendliche in Kapstadt
Buelani Futshane betreibt ein Aids-Aufklärungsprojekt für Jugendliche in Kapstadt


VJ Birgitta Schülke im WM-Stadion Soccer City in Johannesburg
VJ Birgitta Schülke im WM-Stadion Soccer City in Johannesburg


Robert bildet eine Gruppe junger Ranger aus, die Wilderer fangen sollen
Robert bildet eine Gruppe junger Ranger aus, die Wilderer fangen sollen


Buschmänner in der Kalahari-Wüste
Buschmänner in der Kalahari-Wüste


Fans der Orlando Pirates bei einem Spiel im Stadion
Fans der Orlando Pirates bei einem Spiel im Stadion


Stefanie Schöneborn filmt die Besucher einer Shembe-Zeremonie
Stefanie Schöneborn filmt die Besucher einer Shembe-Zeremonie


Mark Robertson hat ein Krokodil bezwungen, das nun ausgewildert werden soll
Mark Robertson hat ein Krokodil bezwungen, das nun ausgewildert werden soll


VJ Carsten Behrendt mit dem »Eggmann«, der die Touristen in Kapstadt zum Lachen bringt
VJ Carsten Behrendt mit dem »Eggmann«, der die Touristen in Kapstadt zum Lachen bringt


Hammerhai im Netz der Shark Boards
Hammerhai im Netz der Shark Boards


Zulu-Junge in traditioneller Kleidung
Zulu-Junge in traditioneller Kleidung


Gewürzmischung auf dem Victoria-Markt in Durban
Gewürzmischung auf dem Victoria-Markt in Durban


Lifeguard Sithembiso am Trainingspool in Durban
Lifeguard Sithembiso am Trainingspool in Durban


Strand von Kapstadt bei Sonnenuntergang
Strand von Kapstadt bei Sonnenuntergang
 

24 Stunden Programm, zudem noch aus einem fernen Land, in nur fünf Monaten herstellen. Das geht nur, wenn alle Bereiche des Hauses Hand in Hand arbeiten. Nach anfänglicher Skepsis hatten alle Beteiligten bald den unbedingten Willen, es möglich zu machen. Dabei entstand ein einmaliger Teamgeist, ein »Wir-Gefühl«, das auch noch Monate nach der Ausstrahlung unvergessen ist.

Samstag, 6. Juni, morgens Punkt sechs Uhr: Wir haben ZDF-Geschichte geschrieben. Genau 24 Stunden zuvor hat sie begonnen, die längste Südafrika-Reportage aller Zeiten. 1 440 Minuten voller unvergleichbarer Einblicke in das Leben der Menschen am Kap, in ein Land, das noch immer zwischen Aufbruch und Umbruch steckt, das eine schwere Vergangenheit hinter sich und eine schwierige Zukunft vor sich hat.

Es ist aber nicht allein die schiere Länge und die inhaltliche Strahlkraft, die das Projekt zu etwas Besonderem macht. »24 Stunden Südafrika« hat bewiesen, was das ZDF mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leisten kann, denn der Startschuss fiel nur fünf Monate vor dem Sendetermin.

Am Anfang standen Fragen: Was wissen wir, im Herzen Europas, heute von Südafrika – 16 Jahre nach Abschaffung der Apartheid? Kennen wir mehr als die Klischees aus der Tourismuswerbung? Mehr als Diamanten, wilde Tiere, Gartenroute und Soweto? Das Jahr 2010 lenkte mit der Fußball-Weltmeisterschaft die Blicke auf Südafrika, und ohne die WM hätten wir vermutlich niemals unsere Idee verwirklichen können – die Idee, dieses spannende, wunderbare Land im Spiegel seiner Menschen einen Tag und eine Nacht lang zu betrachten.

In den ersten redaktionellen Sitzungen wird entschieden, dass die Autoren möglichst in allen Landesteilen unterwegs sein sollen, um ein ausgewogenes Verhältnis herzustellen zwischen Stadt und Land, Arm, Reich und neuer Mittelschicht, Jung und Alt, Schönheit des Landes und Elend, Kultur und Politik.

Immer wieder kommen neue Fragen auf. Wie kommen die Kinder in Südafrika morgens zur Schule? Richten sich Familien in Kapstadt anders ein als in Johannesburg? Was wird mittags in den Küstengebieten aufgetischt und was im Binnenhochland? Wie weit ist das Land mit der Überwindung der jahrzehntelangen Apartheid? Welche Vorbehalte gibt es immer noch, welche Hoffnungen sind erfüllt? Wie sieht das Zusammenleben von Schwarz und Weiß heute aus? Welche Rolle spielt die Kriminalität im täglichen Leben? Und wie kleidet sich eigentlich der südafrikanische Fußballfan?

So kommen nach und nach über 70 Protagonisten ins Spiel, die einen Querschnitt Südafrikas darstellen. Oberstes Gebot: Echtzeit. Und das bedeutet: Was die Autoren um sechs Uhr morgens filmen, wird um sechs Uhr morgens gesendet werden, was um zwölf Uhr mittags geschieht, wird auch im Film um zwölf Uhr mittags stattfinden. Es müssen also Protokolle geführt werden. Die Erzählweise: nicht kommentierend, die Menschen selbst sollen Einblicke in ihre Sorgen, Nöte und Hoffnungen gewähren.

Zwölf Reporter, darunter neun Videojournalisten, sind im Frühjahr wochenlang überall in Südafrika unterwegs, erleben Alltag und Abenteuerliches mit den Menschen, die sie begleiten. Die Nähe der Autoren zu den Protagonisten prägt den Charakter über 24 Stunden. Sie tauchen intensiv ein in das Leben vieler Menschen in Südafrika und geben einen einmaligen Einblick in die widersprüchliche Realität des Landes, zu der neben der Freude über den politischen Aufschwung und die Fußball-WM nach wie vor die Angst vor Kriminalität und Gewalt gehören.

»24 Stunden« zeigt auch die Probleme dieser jungen Demokratie deutlich: immer noch gravierende Rassengegensätze, die bittere Armut vieler Menschen, die verheerende Ausbreitung von Aids, die Angst vor der Wiederkehr der Apartheid unter umgekehrten Vorzeichen.

Herz und Seele des Projekts wurde Lukas Schmid, der Regisseur. Schmid, 33 Jahre alt, Absolvent der Filmhochschule Ludwigsburg, erfahrener Kameramann und Cutter, ein überzeugter »Freier« mit schweizerischen Wurzeln. Dass wir ihn gewonnen haben, ist ein wahrer Glücksfall. Ein ruhender Pol, ein kreativer Wirbelwind, ein Vermittler zwischen den Welten, diplomatisch, bestimmt, verbindlich. Zusammen mit den beiden Redakteurinnen Lisa Borgemeister und Andrea Gries bildet Lukas Schmid den harten Kern des Projekts. Alle sind stets erreichbar, steuern die Autoren und sortieren die Geschichten.

Mehr als 400 Stunden Drehmaterial kommen zusammen – klar, dass die Organisation der Postproduktion zu den größten Herausforderungen gehört. Das geht nur mit Disziplin und mathematischem Geschick. Die Zeit sitzt allen bis zuletzt im Nacken: einer der Gründe, sich für eine ungewöhnliche Bearbeitungsweise zu entscheiden. Die Autoren müssen ihr Drehmaterial auswerten und dann aus den Händen geben. Im Schnitt arbeite-ten sie überwiegend mit dem Material anderer Autoren. Dabei entsteht ganz nebenbei die längste Timeline der Welt – Matthias Haedecke berichtet in seinem Jahrbuch-Beitrag vom »Abenteuer Schnitt«. Auch die Vermarktung und die crossmediale Begleitung wird durch die redaktionelle Zelle in Mainz koordiniert.

ZDFonline begleitet die »24 Stunden Südafrika«-Dokumentation mit einem interaktiven Spezial. Der Onlineauftritt orientiert sich an der klaren zeitlichen 24-Stunden-Struktur. Der User kann auswählen, welche Person er zu welcher Stunde sehen will, kann aus verschiedenen Kategorien konkret auswählen, Steckbrief-Informationen zu den einzelnen Protagonisten und deren persönliche Kommentare abrufen. Natürlich ist ein 24-stündiger Livestream der Dokumentation im Angebot. Und die 24-Stunden-Facebook-Seite wird zum Forum von 1 500 Fans, die dort am Sendetag mit den Protagonisten und den Machern chatten.

Ein Satz aus unserer Dokumentation hat uns bis heute nicht mehr losgelassen. Thandi Ndlovu hat ihn formuliert, eine imposante schwarze Frau im besten Alter, deren kleiner Bruder 1976 bei Schülerunruhen in Soweto erschossen wurde, eine Frau, die im Untergrund für den ANC (African National Congress) kämpfte, die dann Ärztin wurde und heute eine erfolgreiche Bauunternehmerin ist: »Wenn mir jemand 1989, vor der Freilassung Mandelas, gesagt hätte, dass ich eines Tages ein Unternehmen führe, in dem ein junger Weißer alles überwacht und leitet, so wie ich mir das vorstelle, den hätte ich für verrückt erklärt. Weiß war weiß und schwarz war schwarz. Es ist so viel, was wir geschafft haben in einer so kurzen Zeit, und meine Befürchtung ist, dass wir nicht genug von der Hoffnung erzählen, die aus diesem Land kommt.«

»24 Stunden Südafrika« erzählt von dieser Hoffnung. Für dieses Projekt sind alle Beteiligten fünf Monate lang über sich hinausgewachsen. Jeder, der dabei war, weiß, dass er etwas ganz Besonderes mitgestalten durfte. Eine Erfahrung fürs Leben.

 
 
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