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Ariane Vuckovic, Leiterin des ZDF-Auslandstudios Johannesburg
Kristina Keppler, Producerin und Koautorin im ZDF-Studio Johannesburg

Das Studio Johannesburg und die WM
Neues Interesse an Afrika

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Ariane Vuckovic
Ariane Vuckovic


Kristina Keppler
Kristina Keppler



Äthiopische Kinder
Äthiopische Kinder


Kristina Keppler, Producer Mfanasibili Nkosi und Ariane Vuckovic
Kristina Keppler, Producer Mfanasibili Nkosi und Ariane Vuckovic


Fischer bieten ihren Fang an
Fischer bieten ihren Fang an
 

Seit August 2007 leitet Ariane Vuckovic das ZDF-Studio in Johannesburg. Kristina Keppler ist Producerin im Studioteam, das aus dem gesamten südlichen Afrika berichtet. Die erste Fußball-WM auf dem Kontinent war für den Gastgeber Südafrika und auch für das Studio ein voller Erfolg …

Vom Lerchenberg etwa 8 700 Kilometer entfernt, an der Südspitze Afrikas, liegt das Studio Johannesburg. Von hier aus berichten wir über das gesamte südliche Afrika, das die Länder Südafrika, Namibia, Angola, Botswana, Sambia, Simbabwe, Malawi, Mosambik, Lesotho und Swasiland sowie Madagaskar, Mauritius, Mayotte und die Komoren umfasst. Eine vielgestaltige Region also, in der Fortschritt und Rückschritt Hand in Hand gehen, Verzweiflung und Hoffnung oft nah beieinander liegen.

Im Fokus unserer Aufmerksamkeit stand in den letzten Jahren besonders ein Land: Südafrika, Gastgeber der ersten Fußball-Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent. Schon seit Ende der WM in Deutschland 2006 richtete sich der Blick der (Fußball-)Welt auf den Kapstaat. Und so wurde es unsere Aufgabe, Antworten auf die zahlreichen Fragen nach Stadionbau, Kriminalität und Vorbereitungen zu geben – und das WM-Land vom ersten Spatenstich an journalistisch zu begleiten. Eine spannende und arbeitsintensive Erfahrung für unser Team.

Durch die neue »Lust auf Afrika« bei Zuschauern und Redaktionen konnten wir von sämtlichen Facetten des Lebens im südlichen Afrika erzählen: Von Politik über Gesellschaft, von Kultur über Wirtschaft und natürlich Sport reichten unsere Berichte und Dokumentationen. Denn das Interesse an Südafrika war gigantisch, sowohl im ZDF-Hauptprogramm als auch in den Redaktionen von ZDFonline, ZDFinfokanal, ZDFneo oder 3sat und PHOENIX. Und deshalb bemühten wir uns also, das Land, im Sinne des ZDF-Programmauftrags, auf unterschiedlichste Weise und mit den verschiedensten Themen abzubilden. Die Studio-Verstärkungen vor und während des Turniers unterstützten uns dabei.

Aufgrund des gesteigerten Interesses bedeutete das Mammutprojekt WM-Logistik für unser kleines Studioteam natürlich eine hohe zusätzliche Belastung, die den Enthusiasmus der fünf festen und auch der zusätzlichen freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch nicht trübte. Für Sport und Aktualität bereiteten wir über Monate hinweg aufwändige Logistik vor, recherchierten von Hotels über Sicherheitsfirmen und Büroräumen bis hin zu Satellitenleitungen für die über 200 ZDF-Kollegen. Und unterstützten die Afrika-Projekte des Hauses, wie etwa die crossmedialen »24 Stunden Südafrika« oder »Afrika unplugged«.

Und der Einsatz hat sich gelohnt: Die WM war nicht nur für das Austragungsland Südafrika ein großer Erfolg, sondern auch für die sportliche und politische ZDF-Berichterstattung rund um das Fußballfest. Dem »WM-Fieber« im Land selbst konnten wir uns natürlich auch nicht entziehen, hatten wir die Vorbereitungen vor Ort schließlich schon seit Jahren verfolgt. Deshalb waren wir auch persönlich erleichtert, dass die Austragung ohne besondere Vorfälle oder Probleme ein Riesenerfolg für Südafrika wurde.

Vier Wochen lang herrschte im Land eine einzige Party, überall wurde gesungen und getanzt. Und das gemeinsam: Die neue Kultur des Miteinanders von schwarzen und weißen Südafrikanern, ein neues Nationalgefühl – das erlebten wir als den schönsten WM-Erfolg und hoffen, dass dieser dem immer noch in vielen Bereichen der Gesellschaft geteilten Südafrika erhalten bleibt. Eines jedenfalls ist sicher: Für den Kapstaat bedeutete die erfolgreiche Ausrichtung des Turniers einen unbezahlbaren Imagewechsel – der die Wirtschaft auf Investitionen hoffen lässt.

Natürlich gab es auch Nachrichtenereignisse jenseits des Sports, über die wir in den vergangen Jahren aus dem Studio berichteten. Etwa die gewalttätigen Hetzjagden auf afrikanische Einwanderer im Mai 2008, bei denen in Südafrika 62 Menschen ermordet wurden. Die umstrittenen Wahlen in Simbabwe 2008 sowie die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im Land. Oder Südafrikas Präsidentschaftswahlen 2009 – und die darauf folgenden Ausschreitungen in Südafrikas Armenvierteln, bei denen die Menschen für ihre Forderung nach besseren Lebensverhältnissen auf die Barrikaden gingen. Noch sind sie fragil, die Demokratien in den Ländern des südlichen Afrika, die meist durch einen Befreiungskampf nach Apartheidkonflikt und Kolonialisierung oder durch lang anhaltende Bürgerkriege legitimiert sind.

Unsere Arbeit im Berichtsgebiet ist also oft von starken Gegensätzen gezeichnet. Obwohl die Menschen hier mit vielen Problemen kämpfen, wird unser Team stets mit offenen Armen empfangen, werden wir bei unseren Drehs immer wieder besonders warmherzig willkommen geheißen. Bei der Berichterstattung aus unserer Region ist allerdings auch Sensibilität gefragt – die vielen unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Denkweisen und nicht zuletzt die Wunden der südafrikanischen Apartheid erfordern im Umgang mit Menschen viel Respekt und Einfühlungsvermögen.

Südafrika ist ein besonderes Land, und wir erfahren täglich die Gastfreundschaft und Freundlichkeit seiner Menschen – ganz gleich, welche Hautfarbe sie haben oder aus welcher sozialen Schicht sie kommen. Und doch ist das Leben und Arbeiten hier so ganz anders als in anderen Berichtsgebieten. Unser Studio liegt mitten in Johannesburg, der gefährlichsten Stadt Südafrikas, einer der gefährlichsten Metropolen der Welt. Die Polizeistatistik verzeichnet im Land etwa 50 Morde pro Tag, die Vergewaltigungsrate ist im internationalen Vergleich extrem hoch.

So sind auch wir täglich der hohen und scheinbar willkürlichen Gewalt ausgesetzt, müssen auf der Arbeit und privat ständig wachsam sein. Fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Studios waren schon selbst Opfer von (Gewalt-)Kriminalität. Die Tochter eines Kollegen wurde vergewaltigt, gefoltert und ermordet. Der Bruder einer Kollegin beim Hijacking erschossen. Ehefrau und Sohn eines weiteren Kollegen wurden beim Hauseinbruch von den Eindringlingen gefesselt und mit Waffen bedroht. Diese und andere Geschichten machen deutlich, dass die schwierigen Lebensbedingungen auch bei unserer Zusammenarbeit im Studio viel Flexibilität und Verständnis fordern.

Dennoch überwiegen unsere positiven Erfahrungen, steckt im südlichen Afrika so viel Lebensfreude und Hoffnung, gibt es hier so viele Geschichten von Aufbruch und Heilung. Deshalb wünschen wir uns für die Zeit nach der Fußball-Weltmeisterschaft vor allem eines: Nachhaltigkeit – auch in unserer Berichterstattung aus dem südlichen Afrika. Wir sind gespannt, wie sich das Interesse an Themen aus unserer Region nun weiterentwickelt – und hoffen sehr, dass Zuschauer und Redaktionen ihren Blick aufs südliche Afrika durch die WM-Berichterstattung geschärft und weiterhin Freude an Berichten aus dem Studio Johannesburg haben.
 
 
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