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Christoph Hamm, Programmchef FIFA Fußball-WM 2010 in Südafrika;
Stellvertretender Leiter der Hauptredaktion Sport

Die erste Fußball-WM auf dem afrikanischen Kontinent
Faszination und Herausforderung

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Christoph Hamm
Christoph Hamm



Katrin Müller-Hohenstein, Dennis Wiese und Oliver Kahn
Oliver Kahn, Dennis Wiese und Katrin Müller-Hohenstein
 

Die erste Fußball-Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent stellte das ZDF und den WM-Programmchef Christoh Hamm vor enorme logistische, technische und strategische Herausforderungen.

Die große Fußballwelt zu Gast in Südafrika – erstmals ein Sportgroßereignis auf dem afrikanischen Kontinent. »Können die das?«, war die am häufigsten gestellte Frage vor dem ersten Anstoß am 11. Juni 2010. Sie konnten – wir konnten; ein Mammutprojekt auch für das ZDF-WM-Team, mit vielen Unbekannten und großen Anstrengungen.

Am Anfang stand die übliche Frage: »Was machen wir?«. Zum einen waren da die großen Erfolge der ZDF-Übertragungen aus dem Sony-Center in Berlin 2006 (Deutscher Fernsehpreis) und zuletzt von der Seebühne in Bregenz 2008. Zum anderen lag die WM in einem zwar faszinierenden Land vor uns, aber in einem Land mit hoher Kriminalitätsrate, schwieriger Infrastruktur und in technischer Hinsicht von einem Kollegen als »Fernsehbrachland« bezeichnet.

Die historische, politische und sportliche Dimension der ersten Fußball-WM auf dem afrikanischen Kontinent war für uns als öffentlich-rechtlicher Sender alternativlos: Wir wollten aus dem Gastgeberland senden, nah dran sein an den Menschen, Emotionen, Traditionen und am Sport.

Aufgrund der Gegebenheiten in Südafrika wuchs die Organisation der ZDF-Übertragungen zu einer außergewöhnlichen Herausforderung in den Bereichen Sicherheit, Logistik, Reisen und Unterkünfte. Hinzu kam die technische Premiere, einen solchen Event in HD-Qualität zu senden. Dieser Gemengelage geschuldet, aber auch um kostenökonomische Synergien erzielen zu können, arbeiteten wir in allen Aufgabengebieten sehr viel enger mit der ARD zusammen als bei den zurückliegenden großen Fußballturnieren.

Kern des vielschichtigen ZDF-Programmkonzepts bildeten die vier wesentlichen inhaltlichen Aspekte: Die Spiele, die deutsche Mannschaft, das Gastgeberland Südafrika und die WM-Stimmung in Deutschland.

Den Mittelpunkt der Übertragungen stellte das »Match of the Day« dar. Präsentiert aus dem jeweiligen Stadion durch das »ZDF-Paar« Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn. Sie, die erste Frau im deutschen Fernsehen an dieser prominenten Stelle, vor 20 bis 30 Millionen Zuschauern, in einer Männerdomäne. Er, der Torwart-Titan, authentisch, eloquent und kompetent auf der Bühne, auf der er einst als Aktiver agiert hatte. Dieses Duo entwickelte sich zum unterhaltsamen, witzigen, aber auch sehr kompetenten Team. Sowohl in den begleitenden Medien als auch beim Publikum erfuhren Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn eine sehr positive Resonanz. Hinter diesen Auftritten in den diversen Stadien und Städten steckte eine ausgeklügelte Organisation der Reisen, der Technik und bezüglich der Sicherheit.

Für den Zuschauer nachvollziehbar, war – bei bis zu drei Spielen pro Tag – die zusätzliche Moderationsposition im »International Broadcast Center« (IBC) durch einen lockeren, sympathischen Rudi Cerne, der die übrigen Begegnungen begleitete. Das Studio war ein schönes Beispiel für das enge Miteinander zwischen ARD und ZDF. Durch unterschiedliche Lichtstimmungen und ein paar wenige, unterschiedliche Deko-Elemente konnte diese Präsentationsfläche gemeinsam genutzt werden.

Michael Steinbrecher, das ZDF-Gesicht bei der Nationalmannschaft, berichtete aus dem deutschen Quartier nahe Pretoria und analysierte die deutschen Spiele im Interview mit Bundestrainer Joachim Löw. Vor und nach den Spielen schilderten ZDF-Reporter aus aller Welt die Stimmung in den Städten der beteiligten Nationen. Dabei bildete Deutschland den regelmäßigen Schwerpunkt in allen unseren Übertragungen. Martin Leutke meldete sich aus Berlin, Hamburg und weiteren Städten.

Trotz des engen organisatorischen Zusammenspiels mit der ARD war es uns wichtig, einige exklusive Elemente zu entwickeln, die deutlich zur Programmqualität beitrugen:

3D-Analyse: Spielzüge und -situationen sowie taktische Elemente konnten mithilfe modernster Computertechnik erklärt werden – regelmäßig in einem Beitrag vor dem Spiel und danach in der Analyse bei Oliver Kahn.
Jo-Ann Strauss: Die ehemalige Miss Südafrika und heutige TV-Moderatorin erzählte in ihren On-Reportagen sympathisch, authentisch und liebenswert Geschichten aus ihrer Heimat, wobei die Glamourwelt, aber auch Traditionelles ebenso wie das arme Südafrika vorkamen.
Der Fanexperte: Ein Experiment, eine Innovation im deutschen Fernsehen. Dennis Wiese, der aus einem Casting hervorgegangen war, erwies sich als ein würdiger Vertreter der deutschen Fußballfans in Südafrika. Dabei füllte er seine Rolle einmal als atmosphärischer Bericht­erstatter sowie als Übermittler der Fanmeinung per Internetvotings in einem hohen Maß an Professionalität aus.
ZDF-Schiedsrichterexperte Urs Meier: Die mannigfaltigen Diskussionen um Schiedsrichterleistungen zeigten einmal mehr, dass ein kompetenter und in der Aussage deutlicher Schiedsrichterexperte unerlässlich geworden ist. In Urs Meier hatte das ZDF den Besten seiner Zunft, dazu sympathisch und mit sicherem Auftreten.
WM-Splitter: Der letzte Beitrag des Sendetages, mit leichter Hand gemacht, ein einzigartiges ZDF-Element.

Insgesamt zeichneten sich die ZDF-Übertragungen durch Kompetenz, eine moderne Bildsprache sowie eine frische und innovative Machart aus. Dabei haben wir auf eine ausgewogene Mischung zwischen sportlichen, hintergründigen, nachdenklichen und leichten Beiträgen geachtet. Dazu gab es eine klare Gesamtausrichtung mit einer auffälligen strategischen Verpackung, die dem Zuschauer ein stringentes, modernes, einheitliches Gesamtbild vermittelte.

In enger technischer und redaktioneller Verzahnung mit den Kollegen der Aktualität, die im ZDF-Studio Johannesburg ihre Basis hatten, flossen auch die politisch und gesellschaftspolitisch relevanten Themen ein, ganz im öffentlich-rechtlichen Sinne. Zudem standen Ariane Vuckovic und Axel Storm als Schaltpartner in verschiedenen südafrikanischen Städten zur Verfügung. Diese begleitende Berichterstattung wurde, wie bereits bei der WM 2006 und der EM 2008 über das Koordinationszentrum »Strafraum« im Sendezentrum in Mainz gesteuert. Hierdurch wurde ein sehr aktueller, schnell reagierender Informationsfluss gewährleistet, und als Nebeneffekt konnten effizient Ressourcen gemeinsam genutzt werden.

ZDFonline hatte nie zuvor einen solch reichhaltigen Rechteumfang, der, konsequent und umfänglich genutzt, zu einem großen Erfolg des ZDF-Internetauftritts führte. So wurden alle ZDF-Spiele im Livestream angeboten, dabei durchschnittlich 87 962 Sichtungen erzielt. Der Spitzenwert aller Livestreams zur Fußball-Weltmeisterschaft wird mit 191 724 Sichtungen während des Viertelfinales Argentinien gegen Deutschland am 3. Juli 2010 erzielt.

Die Livestream-Nutzung bei dieser WM war so hoch wie nie zuvor. Alle Anbieter stießen an technische Grenzen. Beim ZDF war diese Grenze trotz umfangreicher Vorbereitung beim Spiel Deutschland gegen Serbien am 18. Juni erreicht: Aufgrund der hohen Zahl der gleichzeitigen Zugriffe beim Anstoß brach der Livestream ab. Eine halbe Stunde vor Spielende konnten die Zuschauer das Spiel auch wieder im Internet verfolgen. Das Livestreaming der weiteren Spiele verlief ohne Ausfälle. Alle Abrufvideos zur WM erzielten vom 1. Juni bis 18. Juli 2010 insgesamt 4,83 Millionen Sichtungen. Zum Vergleich: Zur Fußball-EM 2008 waren es im Juni 2008 insgesamt 1,17 Millionen Sichtungen.

Neben den Videos und dem WM-Blog lieferte das Onlineangebot eine Rundumversorgung mit Live-Ticker, Statistiken und WM-Kurzmeldungen auf allen drei Plattformen (zdf.de/heute.de/sport.zdf.de), mit Hintergründen aus Südafrika, Berichten zur deutschen Nationalmanschaft und einer umgebauten Mediathek, um das vielfältige Video-Angebot präsentieren zu können.

35,9 Millionen Visits erreichten die Onlineangebote des ZDF, das entspricht einem Plus von fast 50 Prozent im Vergleich zu den Monaten vor der WM und ist der beste Vierwochenwert des ZDF überhaupt.

Das Zuschauerpotenzial war mit 61,88 Millionen insgesamt so hoch wie nie (2006: 61,48 Millionen). Im Schnitt sahen 7,66 Millionen Zuschauer (38,4 Prozent Marktanteil) die Übertragungen der Fußball-WM 2010, 10,85 Millionen (48,2 Prozent Marktanteil) die Spiele. Bei den Begegnungen mit deutscher Beteiligung war ein deutlicher Anstieg des Zuschauerinteresses im Vergleich zu 2006 zu verzeichnen.

Die WM-Spiele im ZDF sahen im Schnitt 11,37 Millionen (durchschnittlich 51,3 Prozent Marktanteil). Damit erreichte das ZDF im Schnitt die meisten Zuschauer. Mit dem Halbfinale Deutschland gegen Spanien stellte die ARD mit 31,1 Millionen Zuschauern einen neuen Rekord auf. Dem ZDF gelang mit dem Viertelfinale Argentinien gegen Deutschland mit einem Marktanteil von 89 Prozent Zuschauern (26,01 Millionen) eine neue Bestmarke.

Während das ZDF mit durchschnittlich 8,45 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern (41,7 Prozent Marktanteil) und RTL mit durchschnittlich 6,46 Millionen Zuschauern (25,8 Prozent Marktanteil) insgesamt eine höhere Sehbeteiligung als 2006 aufweisen konnten, sank die durchschnittliche Sehbeteiligung bei der ARD (durchschnittlich 7,4 Millionen; 40,8 Prozent Marktanteil). Beim ZDF war der Anstieg vor allem auf höhere Werte bei den Spielen ohne deutsche Beteiligung sowie auf die besser eingeschaltete Berichterstattung, insbesondere der Analyse nach den Spielen, zurückzuführen. In der Presse wurden die programmlichen Hervorbringungen des ZDF durchweg als abwechslungsreich, kurzweilig und kompetent gelobt, insbesondere die 3D-Analysen fanden Anerkennung. Die positive Entwicklung des ZDF-Experten Oliver Kahn fand in der Chronologie der Berichterstattung ihren Niederschlag. In der zweiten Hälfte der WM wurde ihm Lockerheit, Witz, Eloquenz und Kompetenz bescheinigt. So wurde Oliver Kahn in einem Artikel als der »echte neue Netzer« bezeichnet.

In einer repräsentativen Umfrage haben ZDF- und ARD-Medienforschung eine Imagebewertung durchgeführt. Hierbei schnitt das ZDF am besten ab. 73 Prozent der Befragten bewerteten die Sendungen mit »sehr gut« oder »gut«. Dies entspricht einem Notenschnitt von 2,2 (Schulnotensystem). Die ARD folgte knapp dahinter mit 71 Prozent »sehr gut« und »gut« und kommt damit ebenfalls auf einen Schnitt von 2,2. Sky ging mit 2,3 in die Wertung ein, RTL landete abgeschlagen mit einer Note von 2,5 auf dem letzten Platz.

Umso verwunderter waren die Kollegen senderübergreifend bei der Verleihung des deutschen Fernsehpreises 2010. RTL war aus Sicht der Jury wohl »mal dran«.

Unser Fazit jedenfalls ist positiv. Wir sind gemeinsam mit den Kollegen der ARD ein gewisses Risiko eingegangen, aus Südafrika zu senden. Was bei den erheblichen Anstrengungen von Produktion, Technik, Internationalen Angelegenheiten, ZDF­online und der Hauptredaktion Sport herausgekommen ist, muss keinen Vergleich scheuen.

Die FIFA Fußball-WM im Zweiten war das farbenfrohe und emotionale Ereignis, wie wir es uns vorgestellt hatten. Modern verpackt, umfangreich, stimmungsvoll, charmant und zuschauernah präsentiert, crossmedial im TV und Onlinebereich richtungweisend genutzt und, was den Verantwortlichen aus den verschiedenen Bereichen das Wichtigste war: Alles ist friedlich abgelaufen, niemand ist zu persönlichem Schaden gekommen!

Jo-Ann Strauss
Jo-Ann Strauss

Jo-Ann Strauss verstärkte die ZDF-WM-Berichterstattung im Sommer 2010. Die gebürtige Kapstädterin und ehemalige Miss Südafrika moderiert in ihrer Heimat TV-Shows, Events und Galas. Den ZDF-Zuschauern präsentierte sie ihr Land aus persönlicher Sicht.

Meine Fußball-WM
Ich konnte es nicht glauben: Nach Jahren der Vorbereitung und Aufregung fand die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika statt – und ehe man sich versah, war sie auch schon wieder vorbei. Heute ist dieser ganz besondere Monat nur noch eine Erinnerung. Alles ging so schnell, dass viele Südafrikaner das Gefühl haben, dass sie die Aufregung gar nicht richtig genießen konnten. Ich schaue mir die Geschichten an, die ein tolles Team und ich für das ZDF gedreht haben, und mir wird klar: Es war eine fantastische Zeit. Die Reisen durch das ganze Land und all die interessanten Menschen, die wir den Zuschauern vorgestellt haben, dies war ein besonderes Erlebnis für mich.

Das begann schon im Dezember 2009 mit der Auslosung der Gruppenspiele. Es war ein ganz besonderer Moment zu sehen, wie die Südafrikaner bereit waren, sich und ihre Gäste zu feiern. Unsere Demokratie war gerade mal 15 Jahre alt, und wir wollten der Welt zeigen, dass es auch Positives aus unserem Land zu berichten gibt. Sicherlich, es gibt Probleme in Südafrika. Aber die gibt es überall auf der Welt. Das Einmalige, das wir haben, ist der Geist von »Ubuntu« in unseren Bevölkerungsgruppen. Wir sagen »Umntu ngumtu ngabantu«, was übersetzt heißt: »Ein Mensch ist ein Mensch, weil es die anderen gibt«. Und in den vier Wochen zwischen Mitte Juni und Mitte Juli konnte die Welt sehen, dass ein Land, dem man bis wenige Monate zuvor nicht zugetraut hatte, die größte Sportveranstaltung der Welt zu organisieren, ein wunderbarer Gastgeber war – ja, sogar eine der besten Fußball-Weltmeisterschaften aller Zeiten auf die Beine gestellt hat. Es hat mich berührt zu sehen, wie meine Mannschaft »Bafana Bafana« die Herzen der ganzen Nation gewonnen hat – mit einem Sport, der bis dahin nur von einem Teil der Menschen in unserer Regenbogennation unterstützt wurde. Und natürlich haben wir die Erfolge des Teams aus Deutschland, meiner zweiten Heimat, gefeiert.

Durch die Mitarbeit beim ZDF hatte ich die Möglichkeit, mitten im Geschehen zu sein. Mit »meinem« ZDF-Team bin ich durch das ganze wunderbare Land von Süden nach Norden, von Osten nach Westen gereist. Ich wollte den deutschen Zuschauern das Südafrika zeigen, das kaum ein Besucher verlässt, ohne ein Stück seines Herzens hier verloren zu haben. Aber selbst ich war überwältigt von der Vielfalt unserer Kulturen und Menschen. Ich habe mit Zulus getanzt, den Geburtsort Nelson Mandelas im fast unberührten Ost-Kap besucht – eine Ehre, die nicht vielen zuteil wird – und habe viele unbekannte Helden in unserem geliebten »Mzantsi« gesehen, die versuchen, die Welt für alle zu verbessern.

Es ist nicht einfach, ein Land mit so vielen Unterschieden in oft nur wenigen Minuten vorzustellen. Wir haben meine Universität in Stellenbosch besucht, das Leben der Schönen und Reichen gezeigt, genauso wie die Situation der Menschen, die ihr Leben damit verbringen, den Armen im Land zu helfen.

Was mich berührt hat, war die Reaktion der Zuschauer aus Deutschland, der Schweiz und Österreich. Die vielen E-Mails, die ich von Menschen bekommen habe, die helfen wollen. Diese Zuschriften haben mir klar gemacht, dass die Welt wirklich ein »Global Village« ist und dass das südafrikanische Motto »Ein Mensch ist ein Mensch, weil es die anderen gibt« eigentlich für die ganze Welt gilt.

Jo-Ann Strauss

 
 
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