ZDF.de                 Kontakt    
Suche
Erweiterte Suche
 
2010  
ZDF Jahrbuch
Themen des Jahres
Markus Schächter
Kurt Beck
Carl-Eugen Eberle
Christoph Hamm
Dennis Wiese
Claudia Ruete/
Peter Wagner
Matthias Haedecke
Ariane Vuckovic/
Kristina Keppler
Hans Joachim Suchan
Ruprecht Polenz
Eckart Gaddum
Karin Müller

Ruprecht Polenz, Vorsitzender des ZDF-Fernsehrats

Transparenz zahlt sich aus
Zum Abschluss des Drei-Stufen-Tests

PDF 
 
Ruprecht Polenz
Ruprecht Polenz
 

Der Drei-Stufen-Test zum Telemedienbestand wurde im August erfolgreich abgeschlossen. Rückblick und Fazit des Vorsitzenden des ZDF-Fernsehrats.

Er war schon vor seinem Start als »bürokratisches Monster« bezeichnet worden. Nun ist der Drei-Stufen-Test zum Telemedienbestand von ZDF, 3sat und PHOENIX erfolgreich abgeschlossen. Mit der Bekanntgabe der Ergebnisse der rechtsaufsichtlichen Prüfung am 13. August 2010 fand der Drei-Stufen-Test seinen formalen Abschluss. Die zuständige Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein teilte dem Intendanten mit, dass einer Veröffentlichung der Telemedienkonzepte nichts mehr entgegensteht. Die Rechtsaufsicht bestätigte damit erfreulicherweise, dass der Fernsehrat beim Drei-Stufen-Test korrekt gearbeitet und die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags eingehalten hat.

Für den Fernsehrat und seine Geschäftsstelle bedeutete dies den Abschluss von zwei Jahren intensiver Arbeit zusätzlich zu den laufenden Aufgaben des Gremiums. Für das Haus brachte das Ergebnis Planungssicherheit und Rechtssicherheit. Zum ersten Mal gibt es nun einen klar definierten Auftrag für die Telemedien. Die Telemedienkonzepte geben Richtlinien dafür vor, was das Haus im Netz anbieten darf und wo die Grenzen zu nicht zulässigen Angeboten liegen. Auch für Dritte und Marktteilnehmer besteht nun Klarheit, wie weit der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Telemedienangebote reicht.

Kritik der Verlegerverbände
Leider entsteht angesichts der auch nach Abschluss der Verfahren immer noch heftig vorgetragenen Kritik der Verlegerverbände in den Printmedien der Eindruck, ihre spezifischen Interessen in dem Verfahren seien nicht angemessen gewürdigt worden. Dem kann ich für das Verfahren des ZDF-Fernsehrates entschieden widersprechen. In der eigens für den Drei-Stufen-Test eingerichteten Projektgruppe Telemedien wurden alle Stufen des Prozesses in zahlreichen Sitzungen intensiv begleitet. Daran waren auch die Verleger mit einem der beiden Vertreter des Bundes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) im Fernsehrat beteiligt. Dass am Ende nicht alle Entscheidungen im Sinne der Verleger ausgefallen sind, liegt in dem demokratischen Meinungsbildungsprozess innerhalb des Gremiums Fernsehrat begründet.

In einem Rückblick möchte ich noch einmal den Hintergrund des Drei-Stufen-Tests und den Verlauf des Verfahrens darstellen, um abschließend ein erstes Fazit aus den dort gesammelten Erfahrungen zu ziehen.

Hintergrund des Drei-Stufen-Tests
Die Europäische Kommission hatte das Beihilfeverfahren, das durch Beschwerden unter anderem über die Online-Aktivitäten der deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bereits im Jahr 2002 angestoßen worden war, im April 2007 eingestellt. Vorausgegangen war ein Kompromiss mit der Bundesregierung, der für ARD und ZDF eine gesetzliche Präzisierung des Auftrages sowie die Einführung eines Testverfahrens für neue und wesentlich veränderte Telemedienangebote vorsah. Nach dem in der Folge novellierten Rundfunkstaatsvertrag war dieses Testverfahren, der so genannte Drei-Stufen-Test, auch für den Bestand der Telemedien durchzuführen. »Herren des Verfahrens« waren die für das Programm zuständigen Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten, im Fall des ZDF also der Fernsehrat.

Verfahren
Der Fernsehrat prüfte die Telemedienkonzepte des ZDF (zdf.de, heute.de, sport.zdf.de, ZDFmediathek, tivi.de, theaterkanal.de, unternehmen.zdf.de und ZDFtext), von 3sat (3sat.de, 3sat-Mediathek und 3sat-Text) und PHOENIX (PHOENIX.de und PHOENIX-Text). Grundlage der daraus resultierenden Entscheidungen waren die jeweiligen vom Intendanten fortgeschriebenen Telemedienkonzepte. Die weiterentwickelten Konzepte berücksichtigten vor allem die im Zuge des Verfahrens formulierten Erwartungen des Fernsehrats an die Telemedienkonzepte.

Der Fernsehrat konnte bei seinen Beratungen auf verschiedene Erkenntnisquellen zurückgreifen. Dazu zählten die Telemedienangebote selbst, die Stellungnahmen Dritter, die Ausführungen des Intendanten, die Gutachten zu den marktlichen Auswirkungen sowie eine zusätzliche, gesetzlich nicht vorgegebene Expertenkonsultation. Diese bot ausgewählten gesellschaftlichen Gruppen und Verbänden die Möglichkeit, zusätzlich zu ihren schriftlichen Stellungnahmen ihre Positionen im Dialog mit dem Gremium darzulegen. Eingeladen waren sowohl Kritiker als auch Befürworter der Telemedienangebote sowie der Intendant des ZDF.

Die marktlichen Gutachten wurden nach einem vorangegangenen europaweiten Vergabeverfahren von der Bietergemeinschaft Goldmedia GmbH, Salans LLP und Goldmedia Custom Research GmbH erstellt. Die Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Telemedien von ZDF, 3sat und PHOENIX nur in geringem bis sehr geringem Ausmaß auf die untersuchten Märkte auswirken. Bei einem Marktaustritt der ZDF-Onlineangebote würden werbefinanzierte Anbieter lediglich in einem Umfang von 0,4 Prozent des Marktes profitieren. Bei den 3sat-Onlineangeboten wären es 0,1 Prozent, bei den PHOENIX-Onlineangeboten 0,01 Prozent.

In die Entscheidungen zu den 3sat- und den PHOENIX-Telemedien wurden die Beschlussempfehlungen der Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD einbezogen, da es sich hierbei um Gemeinschaftsangebote von ARD und ZDF handelt.

Ein weiterer wichtiger Verfahrensbestandteil war die Durchführung eines Workshops zur Identifizierung von Qualitätskriterien. Hierfür zog der Fernsehrat mit verschiedenen renommierten Wissenschaftlern externen Sachverstand hinzu. Darauf aufbauend konnte er eine Konkretisierung von Qualitätskriterien nach verschiedenen Rubriken (Information, Sport, Unterhaltung/Fiktion, Bildung/Wissen, Ratgeber, Kultur, Kinderangebote) und bezogen auf die staatsvertraglich vorgegebenen Werte (demokratischer, sozialer und kultureller Wert) erarbeiten. Diese Kriterien leiteten den Fernsehrat bei der Beurteilung des qualitativen Beitrags der ZDF-Telemedienangebote zum publizistischen Wettbewerb.

Entscheidungsfindung und Beschlüsse des Fernsehrats
Der Fernsehrat wurde bei seinen Aufgaben in den Prüfverfahren durch die Projektgruppe Telemedien unterstützt. Die Beschlüsse des Fernsehrats basieren außerdem auf den Beratungen des Ausschusses für Finanzen, Investitionen und Technik sowie der jeweiligen Programmausschüsse für die Chefredaktion, die Programmdirektion und die Partnerprogramme.

Die Projektgruppe Telemedien sowie die Ausschüsse und das Plenum des Fernsehrats prüften die Genehmigungsfähigkeit (Einhaltung der gesetzlichen Ge- und Verbote) sowie die Genehmigungsvoraussetzungen (die drei Stufen) des § 11 f Rundfunkstaatsvertrag: Erstens, das kommunikative Bedürfnis, zweitens, den qualitativen Beitrag zum Wettbewerb und drittens, den finanziellen Aufwand der Telemedien von ZDF, 3sat und PHOENIX. Dabei wurden deren marktliche Auswirkungen berücksichtigt und der publizistische Beitrag der vorhandenen Angebote von Wettbewerbern gewürdigt. Die abschließende Prüfung ergab, dass der publizistische Wert dieser Angebote bei weitem den von Kritikern befürchteten Einfluss auf den Markt überstieg. Der Aufwand für die Telemedien wurde vom Intendanten plausibel dargelegt, sodass keine Anzeichen für eine Überkompensierung zu erkennen waren.

Streitfrage »Presseähnlichkeit«
Besonders ausführlich erörterte der Fernsehrat die Frage, ob etwa bei heute.de Verstöße gegen das gesetzliche Verbot von presseähnlichen Angeboten ohne Sendungsbezug vorliegen. Nach umfänglicher In-Augenscheinnahme der Angebote und Prüfung der Telemedienkonzepte kam er mit klarer Mehrheit zu dem Ergebnis, dass die Telemedien von ZDF, 3sat und PHOENIX nicht presseähnlich sind. Aufgrund ihrer hohen Videoanteile und der Kombination von Standbildern und Texten mit Verlinkungen sowie Blogs und anderen interaktiven Elementen unterschieden sie sich in ihrer Gestaltung von Zeitungen und Zeitschriften.

Dessen ungeachtet lieferte der Intendant auf Aufforderung des Fernsehrats in den fortgeschriebenen Telemedienkonzepten eine ausführliche Begründung für die umfangreiche Textbasierung von Angeboten wie heute.de. Auch sicherte er zu, den Fernsehrat bei einer erheblichen Ausweitung des Textanteils bestehender Angebote zu informieren.

Fazit
Der Fernsehrat wird sich noch mit der systematischen Evaluation des Drei-Stufen-Tests beschäftigen, um daraus Schlüsse für eventuelle weitere Verfahren zu ziehen. Eine wichtige Erkenntnis kann an dieser Stelle bereits vorweg genommen werden: Sämtliche Befürchtungen, der Fernsehrat als binnenplurales Aufsichtsgremium sei mit dem Drei-Stufen-Test überfordert, wurden widerlegt. Es ist gelungen, das Verfahren in einem engen Zeitkorsett und in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben erfolgreich durchzuführen. Wir haben hier gemeinsam Neuland betreten. Die Fernsehräte mit den unterschiedlichen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Hintergründen konnten gerade in diesem Verfahren ihr jeweiliges Know-how konstruktiv einbringen. Ich bestreite nicht, dass mit dem Drei-Stufen-Test ein hoher personeller und finanzieller Aufwand verbunden war. Die externen Kosten beliefen sich auf insgesamt rund 808 000 Euro, wobei die Kosten für die Erstellung des Marktgutachtens mit rund 511 000 Euro den größten Teil davon ausmachten. Die gewonnenen Erfahrungen und die noch zu leistende Evaluation werden dazu beitragen, den Aufwand bei eventuellen weiteren Verfahren in Zukunft zu minimieren.

Die Transparenz im Verfahren gegenüber der Öffentlichkeit und innerhalb des Fernsehrates hat sich ausgezahlt: Die wesentlichen Dokumente wurden zeitnah zu den Entscheidungen auf der Webseite des Fernsehrats der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Alle wichtigen Verfahrensschritte wurden mit entsprechenden Pressemeldungen begleitet. Mit der Expertenkonsultation ging der Fernsehrat im Interesse der Transparenz des Verfahrens über die gesetzlichen Anforderungen hinaus und erhielt dafür auch eine positive Resonanz. Für den Fernsehrat selbst wurde mit dem Fernsehrats-Intranet eine Infrastruktur geschaffen, die für die Mitglieder auch in Zukunft von großem Nutzen sein wird.

Mit dem Drei-Stufen-Test wurde schließlich die Zusammenarbeit der beiden Organe Fernsehrat und Intendant auf eine neue Grundlage gestellt. Der Fernsehrat wurde durch die neue Aufgabe als Kontrollorgan und »Quasi-Gesetzgeber« aufgewertet, was auch für seine zukünftige Rolle von Bedeutung sein wird. Denn er musste den vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen zur Konkretisierung des Auftrags für die Telemedienangebote ausfüllen. Zu beachten war dabei die so genannte »chinesische Mauer«: Auf der einen Seite stand das Gremium als Aufsichtsorgan der Rundfunkanstalt, das die Telemedienkonzepte zu prüfen hatte, und auf der anderen Seite das Haus als zu kon-trollierende Institution. Eine zeitlich und fachlich derart intensive Auseinandersetzung mit einem höchst komplexen Thema wie dem Telemedienauftrag hatten beide Organe seit Bestehen des ZDF noch nicht zu bewältigen. Dass dies nun gelungen ist, erfüllt mich mit besonderer Freude.
 
 
zum Seitenanfang