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2007  
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Markus Schächter, Intendant des ZDF

Die Weichen sind gestellt
2007 – ein Jahr der Grundsatz- und Zukunftsentscheidungen

 
Markus Schächter
Markus Schächter
 
 

Das Jahr 2007 war für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein Jahr zukunftsweisender Weichenstellungen. Mit seiner medienpolitischen Agenda hätte es in den Augen der Auguren eigentlich ein perspektivloses K.O. für die Öffentlich-Rechtlichen bringen sollen. Regelrecht gekämpft wurde um die Grundfrage: Wer darf was in der digitalen Welt? Oder – wie es die Gegner gerne formulieren: Was soll auf dem Markt rasanter technologischer Veränderungen den Öffentlich-Rechtlichen in Zukunft untersagt sein? Die »Kampfrichter« entschieden nicht auf k.o., sondern gaben ein zukunftsträchtiges O.K. Sie taten es in drei richtungsweisenden Grundsatzentscheidungen, die zu den maßgebenden Botschaften des Jahres wurden:

der Kommissionsentscheid aus Brüssel,
der Richterspruch aus Karlsruhe und
die Empfehlung der KEF.

Der Entscheid aus Brüssel
Der Kompromiss in der Beihilfefrage aus beziehungsweise mit Brüssel wurde im Schulterschluss zwischen Ländern und Sendern außerordentlich hart erarbeitet. Seine Umsetzung erfordert einen Spagat: Einerseits zeigt Brüssel die Bereitschaft, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Teilhabe an der digitalen Welt im Sinne einer Technologie-Neutralität zu erlauben, anderseits müssen dafür ganz konkrete Bedingungen erfüllt werden. Dazu gehört unter anderem ein »Drei-Stufen-Test« zur Prüfung neuer oder wesentlich veränderter gebührenfinanzierter Digitalprogramme und Inter­netangebote. Seine derzeit freiwillige, ab 2009 bindende Durchführung ist eine Pionierleistung des ZDF-Fernsehrats und bestätigt, dass der Brüsseler Kompromiss eine tragfähige Grundlage für weitere medienpolitische Entscheidungen hinsichtlich des Public Service darstellt.

Das Urteil von Karlsruhe
Der Spruch von Karlsruhe hat zur Überraschung vieler Medienbeobachter die klare Linie des Bundesverfassungsgericht aus dem Urteil von 1994 nicht nur bestätigt, sondern fortgeschrieben. Er hat in unmissverständlicher Klarheit formuliert, dass ein funktionsfähiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk nach wie vor die Voraussetzung für den privaten Rundfunk bildet, selbst und gerade in einem heute weitgehend kommerzialisierten Medienmarkt. Folgerichtig wurde der öffentlich-rechtliche Funktionsauftrag ausdrücklich ins Internet verlängert. Indem das Internet die Funktion der öffentlichen Meinungsbildung aber nicht nur mitträgt, sondern zugleich auch gefährdet, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk heute sogar unverzichtbarer denn je: Gegenüber neuen Monopolisierungstendenzen bleibt sein Beitrag zur allgemeinen wie individuellen Meinungsbildung grundlegend und ist somit auch auf die neuen Präsentations- und Verbreitungsformen zu übertragen. Der grundlegende Spruch von Karlsruhe steht dabei nicht in Widerspruch zu dem aus Brüssel. Auch wenn eine massive Herausforderung für die konkrete politische Umsetzung der unterschiedlichen Vorgaben beziehungsweise Ansätze bestehen bleibt, ist der Konfrontation zwischen deutschem Verfassungsrecht und europäischem Beihilferecht vorerst die Spitze genommen. Die Politik ist nach heftig geführten Debatten überzeugt, dass das Europäische Gemeinschaftsrecht sehr wohl mit dem Bundesverfassungsgericht zu vereinbaren ist.

Die Empfehlung der KEF
Wie die Kommission in Brüssel und das Gericht in Karlsruhe hat auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs im Jahr 2007 den öffentlich-rechtlichen Kurs unterstützt: Unbeeindruckt von allen medienpolitischen Irritationen, hat sie sehr konsequent ihren Weg als unabhängige Expertenkommission weiter verfolgt. Ihre Empfehlung für eine Anhebung der Rundfunkgebühr zum 1. Januar 2009 sieht eine strukturelle Verbesserung des ZDF vor, mit der unsere wirtschaftlich effiziente Haushaltsführung der letzten Jahre anerkannt wird. Das ZDF, das mit seinem Haushalt auch 2008 wieder auf einer soliden Basis steht, wird am Ende der laufenden Gebührenperiode eine schwarze Null schreiben und damit sein wichtiges finanzstrategisches Ziel erreichen. Dies ist umso bemerkenswerter, als gerade erst zwei Jahre vergangen sind, seitdem das Haus durch Haushaltsdisziplin und einen konsequenten Konsolidierungskurs erstmals seit 16 Jahren schuldenfrei war und ohne neue Kreditaufnahme auskam. Damit hat sich die strukturell unterfinanzierte Anstalt innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne zum solide aufgestellten Programmunternehmen entwickelt.

Die Bilanz des ZDF
Insgesamt lässt sich für das 2007 bilanzieren: Die Guillotine von Brüssel ist nicht auf uns herabgefallen, der Stab aus Karlruhe wurde nicht über uns gebrochen, die KEF hat uns nicht den Geldhahn zugedreht. Das ZDF ist damit gestärkt und selbstbewusst ins Jahr 2008 gegangen. Ein »lean back« kann es dennoch nicht geben: Wie sich der moderne Zuschauer am gemeinsamen Bildschirm für TV und PC in der neuen Haltung des »lean forward« übt, kann sich erst recht kein Sender im hart umkämpften Wettbewerb zufrieden oder gar siegesgewiss zurücklehnen. Rechtliche Absicherung und wirtschaftliche Konsolidierung ist das eine, Konkurrenz- und Zukunftsfähigkeit das andere: Wenn die Architektur einer modernen Medienordnung jetzt im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ihre Formel und Formulierung findet, fordert das ZDF mit Nachdruck seinen Platz auf den unterschiedlichen Plattformen der digitalen Welt ein: Wir müssen zur publizistischen Qualitätssicherung im Internet den unverzichtbaren öffentlich-rechtlichen Grundwert und gegenüber der kommerziellen Konkurrenz den entscheidenden gesellschaftlichen Mehrwert, den Public Value, einbringen. Um dies zu sichern, werden wir, auf der Basis der eigenen Selbstverpflichtungserklärung, unseren Arbeitsschwerpunkt auf die weitere Qualifizierung und Profilierung unserer Programme und die zeitgemäße Umsetzung unseres Programmauftrags legen.

Die Baustellen im ZDF
Mit dem ambitioniertesten Projekt in diesem Jahrzehnt, unserem neuen Nachrichtenstudio, das Ende 2008 seine Arbeit aufnehmen soll, ist der Schwerpunkt im Informationsbereich ebenso greifbar wie sichtbar: Als Kern unserer publizistischen Kompetenz werden wir die »heute-« beziehungsweise »heute-journal«-Familie künftig noch breiter und besser aufstellen. Mit dem neuen Studio setzen wir eine klare programmliche Priorität, um die komplexer und komplizierter werdende Wirklichkeit in Zukunft noch verständlicher und damit hilfreicher zu erklären und dem Zuschauer, etwa durch technisch verbesserte Grafikgestaltung, noch mehr Transparenz und letztlich auch noch mehr Orientierung zu geben.

Die architektonische Baustelle befindet sich in unmittelbarer Nähe zu einer programmlichen Baustelle mit der Aufschrift »Verjüngung«: Gerade beim jungen Publikum ist im Nachrichtenbereich eine Erosion der Akzeptanz besonders auf- und augenfällig. Ein neuer Zugang zur Jugend kann, soll, ja muss genau über jenen Weg erfolgen, auf dem die digitale Technik unaufhaltsam voranschreitet: Um einen Abriss der Generationen zu verhindern, müssen wir in den nächsten Jahren über das klassische Fernsehen hinaus mit komplementären Onlineangeboten junge Menschen ansprechen und damit unsere Integrationsaufgabe als »Rundfunk für alle« breitestmöglich umsetzen. Der erfolgreiche Start der ZDFmediathek im Jahr 2007, der uns in der Fachwelt die Reputation eines führenden Innovationssenders eingebracht hat, konnte eindrucksvoll bestätigen, wie sehr es über neue, nichtlineare Netzangebote tatsächlich möglich sein kann, die Jugend zurückzugewinnen und wieder für den Informationsbereich zu interessieren: Jeder zweite Nutzer, der in der Mediathek das »heute-journal« nachgefragt hat, war unter 30 Jahren. Damit bestätigt sich die Richtigkeit der Maxime: Wer nicht im Netz ist, hat keine Zukunft.

Die Kooperation mit den Verlegern
Ins Netz wollen alle. Darum gilt die Netz-Maxime auch für die Printmedien. Sie suchen zunehmend das bewegte Bild, wie das Fernsehen den programmbegleitenden Text braucht. Nach traditionell guter Kommunikation liegt damit eine Kollision der konkurrierenden Medien praktisch in der Natur der Sache. Als die Fronten 2007 zunehmend in den Vordergrund der medienpolitischen Auseinandersetzung rückten, konnte – auf Initiative des ZDF – in einem ersten Spitzengespräch zwischen dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der öffentlich-rechtlichen Seite auch dieser Konfrontation die Spitze genommen werden. Da wir im Netz keinerlei ökonomische oder regionale Wettbewerbsziele verfolgen, darf von den Verlegern im Kampf um das künftige publizistische Terrain nicht die falsche Tür bewacht werden. Das Angebot des ZDF lautet daher: »Offensive für Qualitätsmedien« im Netz durch Austausch von Inhalten. Kooperation statt Konfrontation. Die Umsetzung ist auf einem vielversprechenden Wege.

Der Krieg der Plattformen
Der eigentliche Kriegsschauplatz liegt woanders: Das von Karlsruhe beschriebene Gefährdungspotential für publizistische Inhalte und damit für die demokratische Gesellschaft geht von anderen, externen Gegnern aus: Wenn in den Netzwerken der Zukunft die Daten- und TV-Netze nahtlos miteinander verknüpft sind und über das Internet-Protocol alles übertragen werden kann, also nicht nur Daten, Texte und Telefonate, sondern auch Radio und Fernsehen, dann tut sich am Internet-Portal eine strukturell andere Front auf: Infrastrukturunternehmen wie Kabelgesellschaften, Satellitenbetreiber oder Telekommunikationsunternehmen befördern sich selbst zu Plattformbetreibern und damit zu Inhalteanbietern oder -vermarktern. Zusätzlich drängen kapitalstarke Wettbewerber aus der Kommunikations-, Computer- oder Spiele-Industrie als Quereinsteiger in den Markt, um die Medien nicht mehr als Mittler für Inhalte zu nutzen, sondern als bloßes Mittel zum Zweck, als Geschäftsmodell zur bloßen Gewinnmaximierung. Wer künftig das Internet beherrscht, beherrscht daher – wenn man nicht aufpasst – auch grenzenlos die Menschen. Im viel zitierten »Krieg der Plattformen« muss folglich das öffentlich-rechtliche Fernsehen »Herr der Inhalte« bleiben.

Das Neue aus der Anstalt
Dem entscheidenden inhaltlichen Grundziel dient letztlich die gesamte medienpolitische Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Jahr 2007. Sie macht das teilweise dramatische Bedrohungsszenario zu einem beherrschbaren Chancenszenario, in dem ein funktional intaktes Public-Value-Angebot die publizistische Kernaufgabe für die Gesellschaft auf der Höhe unserer Zeit erfüllt. Die Entscheidungen des Jahres 2007 waren insofern Grundlagen- beziehungsweise Grundsatzentscheidungen.

Das ZDF, das knapp hinter der ARD als guter Zweiter das Programmjahr abgeschlossen hat, ist aber nicht nur medienpolitisch, sondern auch faktisch für die Zuschauerschaft eine unverzichtbare Größe. Es hat sich 2007 sowohl technologisch wie auch programmlich als Innovationssender mit einigen neuen, preisgekrönten Programmfarben profiliert: angefangen beim politischen Kabarett »Neues aus der Anstalt« als Senkrechtstarter des Jahres, über das ganz unkonventionelle Krimiformat »KDD – Kriminaldauerdienst« bis hin zu den futuristischen Doku-Fictions beziehungsweise Zukunfts-Dokus »2030 – Aufstand der Alten« und »2057 – Unser Leben in der Zukunft«. Dort wurden wenig populäre, bewusst irritierende gesellschaftliche Zukunftsszenarien des demographischen und technologischen Wandels entwickelt und ebenso visionär wie realitätsnah durchgespielt. Unsere Gesellschaft muss möglichen Gefahren ins Auge sehen, um sich die Chancen ihrer Vermeidung zu erhalten. Mit diesen virulenten, uns alle betreffenden Gesellschaftsthemen bewegt sich der öffentlich-rechtliche Funktionsauftrag konkret greifbar auf seinem ureigenen Terrain. Dort wollen wir neben Politikern und Richtern auch weiterhin die Zuschauer davon überzeugen, dass alle Entscheidungen für einen intakten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugleich Entscheidungen für eine intakte Gesellschaft von heute und morgen sind.
 
 
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