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Carl-Eugen Eberle, Justitiar

Das Rundfunkgebührenurteil des BVerfG vom 11. September 2007
Antworten und offene Fragen

 
Carl-Eugen Eberle
Carl-Eugen Eberle
 
 

»Das Urteil hat Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geschaffen«, so wurde allenthalben die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die Verfassungsbeschwerden von ARD und ZDF gegen den 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag kommentiert. Und in der Tat, das Urteil besticht auf den ersten Blick durch klare Aussagen. Den Beschwerden gegen die vom Vorschlag der KEF abweichende Gebührenfestsetzung wurde stattgegeben, weil die Abweichungen und die Begründungen hierfür verfassungswidrig waren. Die weiteren Beschwerden gegen gesetzlich neu eingeführte Prüfungsmaßstäbe der KEF wurden zwar zurückgewiesen, das Gericht legte die Vorschrift jedoch verfassungskonform so aus, dass sie keine neuen Maßstäbe setzt, sondern nur die Maßstäbe verdeutlicht, die von der KEF derzeit schon angewandt werden. Und vor allem: Der verfassungsrechtlich begründete Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde mit Blick auf neuere technologische und ökonomische Entwicklungen fortgeschrieben und erweitert.

Recht haben und Recht bekommen ist die eine Seite gerichtlicher Verfahren, Recht durchsetzen die andere. Dies gilt insbesondere für verfassungsgerichtliche Entscheidungen, wenn sie nicht einfach wie Zahlungs- oder Räumungstitel vollstreckt werden können, sondern auf Beachtung und Umsetzung im politischen Prozess ausgerichtet sind. So war die Bindung an das nunmehr in vollem Umfang bestätigte Gebührenurteil des BVerfG aus dem Jahre 1994 regelrecht verblasst: Unter Hinweis auf die verstrichene lange Zeit seit dieser Entscheidung, auf die gewandelten Verhältnisse, auf die insgesamt neu besetzte Richterbank und vor allem unter Pochen auf die Entscheidungsprärogative der Parlamente wurden die Maximen dieses Richterspruchs mehr oder minder offen weggeredet. Sie wurden dem – populistisch und medial geforderten – Schutz kommerzieller Konkurrenten vor den Wettbewerbern ARD und ZDF geopfert.

Wie wird nun mit dem Urteil vom 11. September 2007 in der politischen Praxis umgegangen werden? Dem soll hier anhand dreier zentraler Problemfelder nachgegangen werden, zu denen das Gericht dezidierte Aussagen gemacht hat. Es sind dies der Funktionsauftrag der Rundfunkanstalten, der verbleibende Handlungsspielraum der Parlamente und alternative Modelle zur Gebührenfestsetzung.

1. Der Funktionsauftrag zwischen verfassungsrechtlicher Dynamik und beihilferechtlicher Regulierung
Auch jetzt wieder werden die prägnanten Ausführungen des Gerichts zum Funktionsauftrag der Rundfunkanstalten unter Hinweis auf das Kommissionspapier zur Beendigung des beihilferechtlichen Verfahrens teilweise infrage gestellt und relativiert. Schon im Verfahrensschriftsatz der Länder haben europarechtliche, speziell beihilferechtliche Aspekte, eine hervorgehobene Rolle gespielt. Sie wurden als Leitlinien für die Auslegung des deutschen Verfassungsrechts herangezogen. Beihilferechtliche Aspekte sollten das eher kultur-, gesellschafts- und demokratieorientierte Verständnis der Rundfunkfreiheit modifizieren.

Das Gericht lässt sich mit keinem Wort auf diese europarechtliche Betrachtungsweise ein. Vielmehr hält es an den anerkannten Funktionen fest, die dem Rundfunk aus verfassungsrechtlicher Sicht zukommen. Aus ihnen leitet es nicht nur das weiterhin bestehende Erfordernis gesetzlicher Vielfaltsicherung ab, sondern auch den Funktionsauftrag der Rundfunkanstalten, der als solcher durchgängig so benannt wird und der nun offensichtlich an die Stelle des umstrittenen Begriffs der Grundversorgung getreten ist.

Das Gericht hat den Funktionsauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, wie er im Gebührenurteil aus dem Jahre 1994 statuiert wurde, nicht nur bestätigt, sondern unter Berücksichtigung der technologischen Entwicklung und der Erscheinungsformen des kommerziellen Rundfunks fortgeschrieben. Er umfasst danach

seinen Beitrag zur allgemeinen und individuellen Meinungsbildung, zur Meinungsvielfalt und damit zur Willensbildung in der Demokratie
unter Einbeziehung neuer interaktiver Präsentationsformen, wie sie das Internet bietet
und unter Einbeziehung neuer Verbreitungsformen, womit neben dem Internet auch zum Beispiel mobiles Fernsehen zu verstehen ist.

Das Erfordernis einer Ausweitung des Funktionsauftrags in das Internet und in mobile Verbreitungsformen hinein begründet das Gericht mit neuen Gefährdungslagen, die sich aus der Betätigung neuer Player wie beispielsweise der – ausdrücklich genannten – Telekoms und internationalen Finanzinvestoren ergeben, aber auch aus technologischen Entwicklungen wie etwa der Einführung von Navigatorsystemen. Sie begünstigen Monopolisierungstendenzen, damit verbinden sich Gefahren für die Meinungsvielfalt und dies erfordert spezifische gesetzliche Sicherungen der Meinungsvielfalt, und begründet den Funktionsauftrag für ARD und ZDF.

Diese ausdrückliche Verlängerung des Funktionsauftrags in das Internet hinein ist aus zweierlei Gründen bedeutsam. Zum einen erkennt das Gericht, dass das Internet im Hinblick auf die Grundfunktionen des Rundfunks (Meinungsvielfalt und andere) von Relevanz ist. Es tritt als meinungsbildendes Medium zum Rundfunk hinzu, ist mit ihm vernetzt und verwoben, teilt auf diese Weise also dessen Funktionspotential, aber auch die Gefährdungslagen. Die Vorsorge vor den Gefahren vorherrschender Meinungsmacht erstreckt sich auch auf neue mediale Erscheinungsformen und ist der Grund für die Teilhabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an ihnen.

Zum anderen verliert der herkömmliche Rundfunkbegriff mehr und mehr seine Konturen als dogmatischer Aufhänger für mediale Vielfaltsicherung. Das ist insofern konsequent, als bei der medialen Gefahrenvorsorge – und um diese handelt es sich beim Rundfunkrecht – nicht eine technisch-gegenständliche, sondern eine funktionale Betrachtungsweise angebracht ist, wie sie das Bundesverfassungsgericht praktiziert.

Wie ist diese verfassungsrechtlich gebotene Novellierung des öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrags mit den Vorgaben des europäischen Beihilferechts zu vereinbaren? Insoweit ist von Bedeutung, dass das Amsterdamer Protokoll den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenfalls nicht technisch-gegenständlich, sondern funktional versteht, nämlich unter Berücksichtigung seiner Funktionen für Demokratie, gesellschaftliche Integration und Kultur.

Aber auch die vereinbarten zweckdienlichen Maßnahmen im Artikel-19-Schreiben der Kommission sehen ebenfalls keine technisch-gegenständliche Beschränkung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor. Vielmehr wird die Betätigung im Internet ebenso wie die Nutzung neuer Verbreitungsformen – Stichwort mobiles Fernsehen – als beihilferechtlich zulässig angesehen. Eine Beschränkung auf »programmbegleitende Angebote mit programmbezogenem Inhalt« wie in der geltenden staatsvertraglichen Internet-Ermächtigung erfolgt nicht.

Stattdessen wird – speziell für das Internet – auf die journalistische Modalität der Angebote abgestellt und eine verfahrensmäßige Sicherung vor wettbewerbsverzerrender Expansion eingefordert. Im Drei-Stufen-Verfahren wird künftig die Auftragsbezogenheit des Vorhabens geprüft, sein Beitrag zum publizistischen Wettbewerb und seine marktlichen Auswirkungen sowie der mit ihm verbundene Aufwand. Diese Prüfung und die anschließende Genehmigung neuer oder veränderter digitaler Programm- oder Internetangebote obliegt den anstaltsinternen Aufsichtsgremien (Rundfunkrat, Fernsehrat), die zu den marktlichen Auswirkungen auch Stellungnahmen Dritter berücksichtigen werden.

Mit diesem Verfahren wird sowohl verfassungsrechtlichen wie auch beihilferechtlichen Erfordernissen gleichermaßen Rechnung getragen: Die verfassungsrechtlich gebotene Autonomie der Anstalten wird dadurch gewahrt, dass die Beauftragung nicht durch den Gesetzgeber, sondern durch repräsentativ besetzte Gremien der Anstalten selbst erfolgt. Die beihilferechtlich geforderte konkrete Mandatierung liegt im gesetzlich angeleiteten Genehmigungsakt der anstaltsinternen Aufsichtsgremien. Zwischen den verfassungsrechtlichen und den beihilferechtlichen Anforderungen an den öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrag besteht insoweit also kein Konflikt.

Ein Problem könnte allenfalls daraus resultieren, dass aus der Sicht des Beihilferechts der Funktionsauftrag möglichst genau vorgegeben werden sollte, während aus verfassungsrechtlichen Gründen die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur in abstrakter Weise festgelegt werden darf. Keinesfalls dürfen staatliche Vorgaben bereits so detailgenau sein, dass sich daraus die Rundfunkgebühr dem Betrag nach ableiten ließe, so das BVerfG. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich aber dann auf, wenn der Funktionsauftrag der Anstalten, wie im Kommissionspapier vorgesehen, gewissermaßen arbeitsteilig und gestuft vom Gesetzgeber und von den anstaltsinternen Gremien konkretisiert wird: Ersterer setzt den staatsvertraglichen Rahmen für die Aufgabenfelder der Anstalten, letztere nehmen im Wege des Drei-Stufen-Verfahrens die konkrete Mandatierung vor. Da es sich hierbei dann um autonom gesetztes Anstaltsrecht handelt, gilt das Konkretisierungsverbot nicht in gleicher Weise wie für die vom Gericht allein angesprochenen »staatlichen« Vorgaben.

Doch gibt es auch für die Gremien Grenzen dafür, wie genau sie den Funktionsauftrag der Anstalten vorgeben dürfen beziehungsweise ab welchem Veränderungsgrad bestehender Angebote sie die Durchführung eines Drei-Stufen-Tests reklamieren dürfen. Diese Grenzen resultieren aus der organschaftlichen Aufgabenteilung innerhalb der Anstalten, wonach die Gremien nur zur Aufsicht berufen sind und die Programmautonomie des Intendanten zu respektieren haben. Alle Beteiligten sind jedoch gut beraten, die jeweiligen Grenzen ihrer organschaftlichen Rechtsstellung nicht auszutesten, sondern von ihren Kompetenzen immer im Geiste kompetenzrechtlicher Rücksichtnahme Gebrauch zu machen.

2. Abweichungsmaßstäbe für den Gebührengesetzgeber
Das BVerfG hat zwar die Verantwortung des Gebührengesetzgebers für die Festsetzung der Rundfunkgebühr betont. Gleichzeitig hat es aber auch das Verfahren der fachlich geprägten Ermittlung des Finanzbedarfs der Anstalten gefestigt und den politischen Gestaltungsfreiraum für ein Abweichen vom Gebührenvorschlag der KEF außerordentlich stark eingeengt. In Fortführung seiner Rechtsprechung aus dem Gebührenurteil von 1994 lässt es die Berücksichtigung medienpolitisch motivierter Abweichungsgründe nicht zu. Vielmehr kommt als Abweichungsgrund praktisch nur noch der Schutz der Rundfunkteilnehmer vor unangemessener Belastung in Betracht. Die Berufung hierauf wird zukünftig noch dadurch erschwert, dass Abweichungsgründe strikt nachprüfbar sein müssen. Der Gesetzgeber wird also die Faktoren, die eine unzumutbare Belastung der Gebührenzahler begründen, substantiiert darlegen müssen.

Das Gericht benennt in diesem Zusammenhang die allgemeine wirtschaftliche Lage, die Einkommensentwicklung oder sonstige Abgabenbelastungen der Bürger als zulässige Abwägungsbelange, soweit sie sich auf die finanzielle Belastung der Gebührenzahler auswirken. Da die allgemeine wirtschaftliche Lage bereits als Kriterium bei der Bedarfsermittlung durch die KEF dient und das Einkommen im Wege der Befreiungstatbestände Berücksichtigung findet, bleibt die Abgabenbelastung des Bürgers insgesamt als wohl maßgeblicher Abwägungsbelang übrig. Das Gericht lässt allerdings offen, wie die Angemessenheit der Belastung durch Rundfunkgebühren zu ermitteln ist: Ist es angemessen, dass, wenn alle Abgaben steigen, die Rundfunkgebühr nicht oder nur weniger steigen darf? Gibt es einen Grenzwert, ab dem die Abgabenlast insgesamt als unangemessen anzusehen ist? Welche Abgaben dürfen zur Ermittlung einer allgemeinen Abgabenlast herangezogen werden angesichts der Tatsache, dass sie die Gebührenpflichtigen jeweils unterschiedlich treffen können?

Die Schwierigkeiten vergrößern sich noch dadurch, dass auch bei einem Abweichen vom Gebührenvorschlag der KEF nach Ansicht des Gerichts die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu wahren ist. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Bedarfsermittlung durch die KEF nicht über das hinausgehen darf, was zur funktionsgerechten Aufgabenerfüllung der Anstalten erforderlich ist, kann ein Abweichen vom Gebührenvorschlag zu einer Gebührenfinanzierung unterhalb der Funktionsfähigkeitsschwelle führen. Außerdem würden gegenüber Brüssel Zweifel genährt, dass die KEF in der Lage sei, eine Überkompensation der Anstalten zu vermeiden.

Aus all diesen Gründen stellt ein Abweichen vom Gebührenvorschlag der KEF einen Systembruch dar, der nur in absoluten Ausnahmefällen praktiziert werden sollte. Als Ventil für die Ausübung eines politischen Ermessens, das mit der vom Gericht betonten parlamentarischen Verantwortung des Gesetzgebers indiziert wird, taugt es nicht. Es bleibt das Dilemma, dass sich die Parlamente zur konkreten Gebührenentscheidung berufen fühlen, sie von dieser Entscheidung gerne im Sinne einer Entlastung der Bürger Gebrauch machen wollen und ihnen gleichwohl verfassungsmäßig weitgehend die Hände gebunden sind. Weitere Konflikte sind absehbar.

3. Alternativmodelle zur Rundfunkfinanzierung
Das Gericht erkennt dieses Dilemma und empfiehlt verfahrensmäßige Auswege, die verfassungsrechtlich zwar nicht geboten sind, aber aus der Problematik in verfassungskonformer Weise herausführen.

Seine Präferenz liegt offensichtlich bei der Indexierung der Rundfunkgebühr, die in zwei Stufen vorstellbar erscheint. Zum einen ist dies eine indexgestützte Berechnung des Finanzbedarfs der Anstalten. Diese wird aber heute schon praktiziert, indem beispielsweise die Programmaufwendungen entsprechend einem medienspezifischen Index unter Abzug eines Rationalisierungsabschlags fortgeschrieben werden. Dabei handelt es sich um eine in der Praxis sehr bewährte Methodik der Bedarfsermittlung.

Das Gericht geht aber darüber hinaus und legt dem Gesetzgeber zu dessen Entlastung sogar eine Vollindexierung der Gebühr nahe. Ob diese Entlastung der Parlamente aber erreicht werden kann, muss bezweifelt werden. Denn aus europarechtlichen wie aus verfassungsrechtlichen Gründen bedarf die Finanzierung der Anstalten einer periodischen Überprüfung. Beihilferecht verbietet, dass die Anstalten zu viel Geld erhalten. Verfassungsrecht gebietet, dass sie funktions- und bedarfsgerecht finanziert werden. Dem europarechtlichen Verbot der Überkompensation steht also gewissermaßen das verfassungsrechtliche Verbot der Unterkompensation gegenüber. Beide Grundsätze erfordern von Zeit zu Zeit eine genaue Ermittlung des Finanzbedarfs der Anstalten und gegebenenfalls eine Korrekturentscheidung. Auch bei einer Vollindexierung werden also weder das KEF-Verfahren noch eine abschließende Gebührenentscheidung des Gesetzgebers obsolet. Dass eine solche Indexlösung bestehende finanzielle Ungleichgewichte unter den Anstalten noch verstärkt, sei hier nur am Rande noch festgehalten.

Zu einer Entlastung des parlamentarischen Gesetzgebers führt nur das dritte Alternativmodell des Gerichts. Das Gericht hat es nämlich – wie schon im Rundfunkgebührenurteil aus 1994 – als verfassungskonform angesehen, dass die Rundfunkgebühr im Verordnungswege festgesetzt wird. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Rundfunkfinanzierung, etwa in der Form des KEF-Verfahrens, in einer Ermächtigungsgrundlage festlegt und die konkrete Gebühr selbst unter Befolgung dieser Vorgaben durch Verordnung festgestellt wird, die dann keiner parlamentarischen Beschlussfassung mehr bedarf. Diesem auch vom ZDF seinerzeit vorgeschlagenen Verfahren wurden in der politischen Praxis wenig Realisierungschancen eingeräumt. Insbesondere im parlamentarischen Raum herrschte die Ansicht vor, dass man die Gebührenentscheidung und die damit vorgestellten politischen Gestaltungsmöglichkeiten nicht aus der Hand geben wolle. Ob dieser Gesichtspunkt angesichts des engen Handlungsspielraums, den das Gericht den Parlamenten bei der Gebührenfestsetzung belässt, heute noch tragfähig ist, sollte ernsthaft geprüft werden. Dies gilt umso mehr, als auch eine Lösung denkbar ist, wonach die KEF zusammen mit ihrem Bericht regelmäßig auch die Kriterien einer für den Gebührenzahler angemessenen Gebührenbelastung prüfen und mit entsprechendem Zahlenmaterial Aufgreifkriterien für eine dann zu treffende parlamentarische Abweichungsentscheidung liefern könnte. Der Vorteil dieser Verfahrensweise wäre, dass die parlamentarische Befassung auf das konzentriert wäre, was dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen auch zusteht, nämlich die Ausgestaltung des Verfahrens und die Letztentscheidung im Ausnahmefall. Davon unberührt bleibt ohnehin seine Befugnis, dem Inhalt des Funktionsauftrags einen Rahmen zu setzen und auch damit den Finanzbedarf der Anstalten zu begrenzen.

4. Schlussbemerkung
Die Ausführungen sollten verdeutlichen, dass bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung konfrontative Konzepte fehl am Platz sind. Für die Steuerung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – sei es hinsichtlich seiner Finanzierung wie auch hinsichtlich seiner Aufgabenkonkretisierung – geht es um den schonenden Ausgleich zwischen staatlichem Gestaltungsinteresse einerseits und Wahrung der Autonomie des Rundfunks andererseits. Hier sollte für alle Seiten der kompetenzrechtliche Grundsatz der Rücksichtnahme gelten, der immer dann greift, wenn sich Kompetenz- beziehungsweise Tätigkeitsbereiche überlappen und Lösungen gefunden werden müssen, die keinen der Beteiligten einseitig gegenüber dem anderen zurücksetzen. Ein Beispiel für die Praktizierung dieses Grundsatzes ist auf Seiten der Anstalten die Selbstverpflichtung, den oben erwähnten Drei-Stufen-Test für neue Digitalvorhaben schon vor Inkrafttreten des 11. RfÄStV umzusetzen. Wie der Gesetzgeber den Rücksichtnahmegrundsatz praktiziert, werden die anstehenden Rundfunkänderungsstaatsverträge zeigen.

 
 
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