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Elmar Theveßen, Leiter der Hauptredaktion Aktuelles

Die Digitalisierung der Nachrichten

 
Elmar Theveßen
Elmar Theveßen


Logo der »ZDFheute 100 sec«
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Bauarbeiten für das neue Nachrichtenstudio
Bauarbeiten für das neue Nachrichtenstudio


Grundsteinlegung durch Markus Schächter und Ministerpräsident Kurt Beck
Grundsteinlegung durch Markus Schächter und Ministerpräsident Kurt Beck
 

Es war ein Besuch in der Zukunft. Äußerlich sieht es aus wie ein normales Großraumbüro; und natürlich sieht man den Kolleginnen und Kollegen, die da gemeinsam an langen Tischgruppen arbeiten, nicht an, dass sie eigentlich nicht zueinander gehören – jedenfalls bisher nicht.

Bei NOS, dem öffentlich-rechtlichen Sender in den Niederlanden, hat es eine Revolution gegeben. Die Digitalisierung hat alle erfasst, durcheinandergewirbelt und in einer perfekt gestalteten Etage, durchsetzt mit »Chill-out«-, also Ruhezonen, im Sendegebäude in Hilversum zusammengewürfelt. Fernsehschaffende, Radiomenschen und Onliner sitzen nebeneinander. Alle Wirtschaftsredakteure aller drei Medienformen an einem Tisch, alle Inlandsredakteure an ihrem und die Auslandsexperten an einem anderen. Hier wird multimedialer Journalismus gemacht und dann verteilt auf alle Plattformen inklusive Handy- und Straßenbahnfernsehen.

Warum ich das schildere? Weil ich von unserem Besuch bei NOS im Rahmen eines EBU-Workshops zum Thema Digitalisierung beeindruckt war. Aber ist das, was die niederländischen Kolleginnen und Kollegen da gewagt haben, wirklich ein Vorbild für uns? Ein Teil davon ist ja schon ein alter Hut für die aktuellen Sendungen des ZDF. Immerhin schneiden und senden wir schon seit einigen Jahren mit Hilfe unserer Server. Aber jetzt steht die nächste Stufe an, die Verschmelzung von Fernseh- und Onlineaktivitäten.

Während ein Konzept für die strukturellen Veränderungen, die dafür notwendig sind, von einer Steuerungsgruppe um den Leiter des »ZDF-Morgenmagazins«, Eckart Gaddum, erarbeitet wird, schaffen wir in der Aktualität bereits einige Rahmenbedingungen, die uns beim Übergang in die multimediale Nachrichtenproduktion helfen sollen. Ein wichtiger, erster Schritt ist die Produktion der »heute 100sec«, die seit September 2007 im Infokanal und online zu sehen ist. Über die Mediathek kann sie auch auf internetfähige Handys heruntergeladen werden. Diese kürzeste Form unserer Nachrichten besteht aus einem Nif-Block, eingebettet in An- und Abmoderation durch die Gesichter der frühesten und spätesten Sendung der »heute«-Familie, Kay-Sölve Richter und Normen Odenthal. An Wochenenden werden die 100 Sekunden von acht bis 20 Uhr produziert, an Wochentagen nur von 13 bis 20 Uhr, da vormittags bereits kurze »heute«-Formate für das Hauptprogramm oder den Infokanal zur Verfügung stehen.

In der Kürze liegt die Würze – insbesondere für die Nutzung auf digitalen Plattformen wie Handys oder PDAs. Das hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen in den Niederlanden erkannt. Während das ZDF für das Handy über die Mediathek bisher vor allem längere Formate anbietet, also komplette Sendungen, filetiert NOS seine Magazine und liefert sogenannte »short items«. Die Überlegung dahinter: Wer auf Bus oder Bahn wartet, hat keine Zeit für eine halbstündige Dokumentation, aber sicher für einen kurzen Magazinbeitrag oder für die Nachrichtenübersicht. Dieser Theorie folgt in Deutschland schon der Privatsender RTL mit seiner Kurzausgabe von »Explosiv« fürs Mobiltelefon. Wäre Ähnliches auch für »Leute heute« oder »hallo deutschland« vorstellbar, also 100 Sekunden Promi-News oder Boulevard? Was würde so etwas für unsere Workflows bedeuten? Will das ZDF in diesem Bereich mitmischen und dürfte es das überhaupt? Die rechtlichen und medienpolitischen Rahmenbedingungen müssten sicher intensiv geprüft werden.

Konzentrieren wir uns doch zunächst auf die »heute 100sec«, die noch deutlich verbessert werden könnte. Bisher kommen die An- und Abmoderationen aus der Konserve, denn für täglich oder stündlich frische Moderationen fehlt es an den technischen Möglichkeiten beziehungsweise den Studiokapazitäten. Das kann sich erst ändern, wenn das neue Nachrichtenstudio im Dezember 2008 fertiggestellt ist. Der Neubau ist eine weitere, wesentliche Rahmenbedingung für unser Vordringen in die digitale Multimediawelt, denn der Ausbau des zweiten Studiobereichs mit kleiner Regie erhöht die Flexibilität für die Produktion kurzer Informationsformate. Auch im Hinblick darauf wird es darauf ankommen, die Workflows zu definieren und die redaktionellen Kapazitäten in räumlicher Nähe zum neuen Nachrichtenstudio vorzuhalten.

Wie das aussehen könnte, lässt sich bei ARD aktuell in Hamburg besichtigen. Der Nachrichtenkanal EinsExtra wird in einem Großraumbüro hergestellt, an den ein kleiner Studiobereich angegliedert ist, ähnlich wie in der Redaktionsetage von NOS in Hilversum. Bei beiden Sendern steht den Journalisten ein Arbeitsplatz mit integrierter Schnitt- und Ablaufsoftware zur Verfügung. Tatsächlich werden wir auch in der Hauptredaktion Aktuelles in naher Zukunft die Möglichkeit schaffen, Nachrichtenblöcke oder kurze Einspieler von Redakteuren fertigen zu lassen. Dazu sollen die Mitarbeiter im Jahr 2008 auf entsprechender Hard- und Software geschult werden.

Die wohl wichtigste Rahmenbedingung für den Erfolg in der Welt digitaler Nachrichten aber ist das neue Design. Es wird unseren Sendungen einen modernen Look geben, der auch ein Brückenschlag zwischen der Welt des Internets und der des Fernsehens sein soll, die mit der Verfügbarkeit neuer Endgeräte immer enger zusammenwachsen. Dabei kommt es darauf an, neue Zuschauergruppen mit innovativen Techniken anzusprechen, ohne unsere Stammkunden zu verschrecken. Daran werden wir in den nächsten Monaten intensiv arbeiten. Das verbindende und entscheidende Element dabei wird die Philosophie der Nachrichtensendungen im ZDF sein: Wir wollen und werden die verständlichsten und damit auch die besten Nachrichten im deutschen Fernsehen machen. Das ist ein hoher Anspruch. Um ihn zu erfüllen, müssen wir die Möglichkeiten der virtuellen Technik und der grafischen Gestaltung optimal nutzen. Die komplexer werdende Welt besser zu erklären als alle anderen – das ist das Ziel.

Für die Fernsehnachrichten wird es grundsätzlich schwieriger, sich in der digitalen Welt zu behaupten. Seit Ende der 90er Jahre sind die Zuschauerzahlen und Einschaltquoten der gro­ßen Sender in Europa und den USA kontinuierlich zurückgegangen, im Schnitt um etwa 25 Prozent. Dieser Trend verläuft parallel zur Digitalisierung in den Haushalten und zur Verfügbarkeit einer ständig wachsenden Zahl von Endgeräten, mit denen der Verbraucher Zugang zu Information und Unterhaltung hat. Noch nie gab es so viele Wege, sich zu informieren. Das heißt leider noch lange nicht, dass die Menschen tatsächlich auch besser informiert sind, eher im Gegenteil: Aufgrund des fast unüberschaubaren Angebots, in dem seriöse Nachrichten immer schwerer zu identifizieren sind, entscheiden sich immer mehr Menschen für das Eintauchen ins Meer der Zerstreuung, denn auch die Möglichkeiten der Unterhaltung haben sich in den vergangenen Jahren vervielfacht.

Gleichzeitig verändert sich das Informationsbedürfnis. Die Menschen informieren sich tagsüber zunehmend über das Internet auf ihrem Computer am Arbeitsplatz oder auf ihren mobilen Geräten. Wenn nichts Wesentliches in der Welt geschieht, gibt es für eine wachsende Zahl vor allem junger Zuschauer wenig Gründe, am Abend eine der Hauptnachrichtensendungen im deutschen Fernsehen einzuschalten. Wenn es aber doch wesentliche Ereignisse gibt, finden sich die Zuschauer wieder ein und fordern dann mehr Hintergrund und Erklärung zu komplizierten Sachverhalten. Deshalb ist es so wichtig, die Marken »heute« und »heute-journal« auf verschiedenen digitalen Plattformen zu etablieren. Auf diese Weise wird das ZDF als Leuchtturm und Wegweiser im Meer der Zerstreuung wiedererkannt. Die Zuschauer sollen auf der Suche nach Orientierung zu den Informationsangeboten der öffentlich-rechtlichen Sender finden.

Auf diese Herausforderungen werden wir uns weiter vorbereiten. Dazu gehört auch die Arbeit über Redaktionsgrenzen hinweg, themenbezogen, für Fernsehen und online. »Clusterbildung«, so nennt es die BBC, die in den vergangenen Jahren wohl die radikalste Reform ihrer Strukturen durchgeführt hat. Bei NOS war die digitale Revolution nicht ganz so groß, aber auch die Kolleginnen und Kollegen in den Niederlanden haben ihre Erfahrungen gemacht. Für viele war es nicht einfach, sich an das projektbezogene Arbeiten zu gewöhnen, all ihr Material mit allen zu teilen und sich selbst an die Schneidecomputer zu wagen. Aber mehr als ein Jahr nach der Revolution sind die NOSler so motiviert wie lange nicht mehr. Wie gesagt, es war ein eindrucksvoller Besuch in der Zukunft.
 
 
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