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Ruprecht Polenz

Die aktuelle Selbstverpflichtungserklärung des ZDF: Commitments für die Gesellschaft

 
Ruprecht Polenz
Ruprecht Polenz
 
 

Erinnern Sie sich noch an den Börsencrash des Neuen Marktes? Dem Getöse folgte eine Zeit des Schocks über erlittene Verluste, der Wut über die Glücksritter sowie einer gewissen Lähmung des Vertrauens in neue Unternehmen. Eben aus diesen negativen Erfahrungen entstand die sogenannte »Europäische Transparenz-Richtlinie«, die börsennotierten Unternehmen klare Auflagen in Bezug auf ihre Informationspflichten gegenüber den Anlegern und der Öffentlichkeit macht.

Nun: Was für börsennotierte Unternehmen recht ist, muss einem gemeinwohlorientierten Rundfunkunternehmen wie dem ZDF allemal billig sein. Daher hat es vor rund drei Jahren eigene Überlegungen in die rundfunkpolitische Diskussion eingebracht, wie es im Sinne seiner Zuschauer und Gebührenzahler seinen eigenen Auftrag konkretisieren und kurzfristig überprüfbar machen kann: die Selbstverpflichtungserklärung. Diesen Vorschlag hat der Rundfunkgesetzgeber aufgegriffen und in Paragraf 11 Absatz 4 des geltenden Rundfunkstaatsvertrags in einen zweijährlichen Turnus der Bilanzierung der geleisteten Programmarbeit sowie des Ausblicks auf das Programm der kommenden beiden Jahre eingebunden.

Im Oktober 2006 hat das ZDF den Ministerpräsidenten der Länder zum zweiten Mal nach dem 1. Oktober 2004 seine Selbstverpflichtungserklärung für sein Programmangebot für die Jahre 2007 und 2008 vorgelegt: die »Programmperspektiven des ZDF 2007 bis 2008«. Bereits im Juni 2006 hat es dem Fernsehrat seine »Bilanz über die Programmperspektiven 2004 bis 2006« vorgelegt.

Anders als in Teilen der Tagespresse mitunter kolportiert, sind diese Selbstverpflichtungserklärungen kein weiteres medienpolitisches Ritual unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Sie sind im Gegenteil gerade eine Maßnahme, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in eben dieser Öffentlichkeit stärker zu verankern, indem er umfassend Rechenschaft über sein Programm und dessen Bedeutung für die ihm verfassungsrechtlich übertragene Gewährleistung der »Grundversorgung« ablegt. Eine solche Verankerung und Rückbindung an die Öffentlichkeit ist in Zeiten des Umbruchs unumgänglich. Die Fernsehlandschaft verändert sich heute grundlegend. Wie immer, wenn die Technik große Entwicklungssprünge macht, entstehen neue Anforderungen an die Ordnungspolitik. Starke kommerzielle Marktteilnehmer versuchen in solchen neu entstehenden Märkten, die noch nicht so reguliert sein können wie es erforderlich wäre, Wettbewerbsvorteile für sich zu sichern. Sie schaffen Fakten und drängen dann die Ordnungspolitik, im Nachhinein einen Rechtsrahmen für die neue Situation zu schaffen – möglichst zu ihrem eigenen Vorteil. Gelingt ihnen dies nicht, dann pochen sie zumindest auf Regelungen, die ihre Konkurrenten behindern.

Der beständige Subventionsvorwurf der EU-Generaldirektion Wettbewerb aus Brüssel gegen die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann als ein aktuelles Beispiel für den durchsichtigen Versuch gelten, den Markt zu Gunsten des sogenannten freien Wettbewerbs neu zu formieren. Es ist sehr einfach, Rundfunkgebühren als »Zwangsgebühren« zu verunglimpfen und sich damit des öffentlichen Beifalls zu versichern. Dabei wird aber großzügig über die Tatsache hinweggetäuscht, dass der freie Markt im Rundfunkbereich aufgrund der ihm eigenen Steuerungsmechanismen zu gravierenden Verwerfungen führen muss. Unter anderem aus genau diesem Grunde gibt es das komplizierte deutsche Rundfunksystem mit einem gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der in sich Rundfunkfreiheit, Meinungspluralismus und Programmvielfalt gewährleistet. Privatrechtlich agierende Rundfunkunternehmen mit ihren Angeboten unterliegen nicht denselben Geboten. Diese Angebote können im Einzelnen durchaus erfolgreich und niveauvoll sein. Aber sie können die notwendige Vielfalt und Qualität öffentlich-rechtlicher Programme nicht dauerhaft garantieren, wie dies das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt hat.

Aber machen wir uns nichts vor: Kaum ein Zuschauer kennt heute die komplexen Zusammenhänge des deutschen Rundfunksystems. Nur wenige wissen, wozu und warum es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt gibt, und warum er so finanziert wird, wie er finanziert ist. Nur wenige sind mit dem Sinn und Verfahren der Gebührenfindung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs von ARD und ZDF (KEF) vertraut. Kaum jemand weiß, wie die Gebühr aufgeteilt wird. Nur wenigen ist bewusst, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Artikel 5 Grundgesetz fußt; dass für seine Organisation daher die Gebote der Staatsferne, der allgemeinen Zugänglichkeit, des Meinungspluralismus und der Vielfalt im Programm gelten; dass ihm die Gewährleistung der verfassungsrechtlich verbürgten Vollversorgung mit Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung im Rundfunk obliegt; dass diese Gewährleistung – und daher auch seine Finanzierung über eine staatsferne Gebühr – nicht konsumabhängig ist, sondern vielmehr an die Möglichkeit des Empfangs gekoppelt ist –, denn niemand soll in einem demokratisch verfassten Staat vom wichtigsten Massenkommunikationsmittel ausgeschlossen werden können; und es soll sich auch niemand seiner bemächtigen und es für seine eigenen Zwecke missbrauchen können. Es ist nicht allgemein präsent, dass für seine Kontrolle in Programm und Haushaltsführung Gremien zuständig sind, deren Mitglieder nicht vorrangig Eigeninteressen der Rundfunkanstalten, sondern ihrem eigenen Gewissen sowie der Gesellschaft im Ganzen verpflichtet sind. All dies ist in Deutschland nur wenigen bekannt. Zugegeben: Diese Sachzusammenhänge sind kompliziert und nicht leicht zu vermitteln. Sie gehören nicht zum Bildungskanon unserer Schulen. Und sie werden auch in den Printmedien nicht genügend erläutert, sondern mitunter sogar zur Verfolgung eigener medienpolitischer Ziele von großen Medienhäusern und ihren Mutterkonzernen eher interessengeleitet in die öffentliche Diskussion getragen. Denn schließlich profitieren deren private Rundfunkunternehmen von öffentlichem Unmut über die unliebsame Konkurrenz von ARD und ZDF. Und nun auch noch »Selbstverpflichtungserklärungen«! Was hat es mit ihnen auf sich? Einfach gesagt: Sie dienen allen Zuschauern sowie der Rundfunkpolitik dazu, sich in einer Vorausschau ein Bild davon zu machen, für welche Programmziele die Gebühren eingesetzt werden. Und sie helfen, sich im Rückblick ein Bild machen zu können, inwieweit diese Ziele erreicht worden sind und an welcher Stelle Handlungsbedarf besteht. Es ist im ZDF gute Tradition, dass der Fernsehrat vom Haus frühzeitig in dessen Programmplanung eingebunden wird. Dabei kann er Inhalte anregen oder auch einfordern, die er mit Blick auf die Gesellschaft im Ganzen für bedeutsam hält. In die aktuelle Selbstverpflichtungserklärung wurden auf diese Weise eine ganze Reihe von Weiterungen eingebaut: Themen wie Migration und Integration, Umwelt und Naturschutz wurden verstärkt; die Anstrengungen um die Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge intensiviert. Mit dem Verbot einer Vermengung von im engeren Sinne journalistischen Tätigkeiten mit Werbeaktivitäten wurden journalistische Werte bekräftigt.

Es muss an dieser Stelle nicht weitläufig referiert werden, wie detailliert und umfangreich die Selbstverpflichtungserklärung des ZDF ist. Jeder Zuschauer ist herzlich eingeladen, sich unter www.zdf.de sein eigenes Bild zu machen und sich bei dieser Gelegenheit zugleich von den Vorteilen der Koppelung von Fernsehen und Internet zu überzeugen (siehe auch ZDF Jahrbuch 2006, Dokumentation).

Interessanter als Erklärungen ist hingegen, ob die guten Absichten auch in die Tat umgesetzt worden sind. Die erste solcher Bilanzierungen des ZDF über den Erfolg seiner Programmaktivitäten in den beiden letzten Jahren liegt nun vor. Der Fernsehrat des ZDF prüfte das Papier des Hauses in seiner Sitzung im Juni 2006 eingehend.

Die Bilanz listet jedes angemeldete Programmziel einzeln. Sie beschreibt die eingeleiteten Maßnahmen und entsprechenden Programme, konstatiert und bewertet deren Erledigung beziehungsweise deren Erfolg oder Misserfolg, und sie spricht – falls erforderlich – die weiterführende Behandlung unerledigter Punkte unter der jeweiligen Rubrik »Ausblick« an. Übersichtlich, klar, nüchtern, ohne den Versuch irgendwelcher Beschönigungen. Das Ergebnis ist erfreulich – zumal bei einem solch hohen Grad erfolgreich bewältigter Aufgaben.

Zusammenfassend kam der Fernsehrat darin überein, dass das ZDF seine im Jahr 2004 mit der ersten Selbstverpflichtungserklärung verankerten Ziele weitgehend erreicht hat. Nur in einem wichtigen Punkt, der angestrebten Verjüngung seiner Seherschaft zwischen 14 und 59 Jahren, blieb es hinter seinen Erwartungen zurück und muss hier weiterhin gesonderte Anstrengungen unternehmen. Allerdings steht es dabei in dem prinzipiellen Zielkonflikt, mit einer Erhöhung seines Anteils an Unterhaltung, die jüngere Zuschauer vermehrt anzieht, den hohen Anteil an Information, Bildung und Kultur im Programm zurücknehmen zu müssen – der wiederum den Interessen seiner älteren Zuschauer entgegenkommt. Diesen zugegebenermaßen schwierigen Spagat hat das ZDF zu bewerkstelligen.

Der Fernsehrat würdigte insbesondere die vielfältigen gelungenen Anstrengungen des ZDF für Kulturinitiativen sowie seine Medienpartnerschaften mit Kulturinstitutionen. Durch abgestimmte Aktionen mit seinen Partnerkanälen 3sat, ARTE sowie dem digitalen Theaterkanal bildet es eine strategische Kulturallianz, die in der deutschen Rundfunklandschaft einzig und daher von besonderem Wert ist. Seine Marktposition unter den stärksten Fernsehunternehmen in Deutschland ist stabil. Sein Programm ist vielfältig, mit einem besonders hohen Anteil an Information, Bildung und Kultur, der zusammen rund 50 Prozent seines Gesamtprogramms ausmacht.

Seine Kompetenz in öffentlich-rechtlichen Kerngenres wird von den Zuschauern mit sehr guten Noten bewertet, wie ihnen das ZDF auch insgesamt als unverzichtbar gilt. In elf von insgesamt 26 Programmgenres sehen die Zuschauer das ZDF auf der ersten Position aller deutschen Sender. In weiteren drei wichtigen öffentlich-rechtlichen Genres liegt es auf Platz zwei. Eine telefonische Repräsentativ­umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa ermittelte im Juni des vergangenen Jahres, dass 75 Prozent der Zuschauer dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen Bedeutung für die politische Meinungsbildung bescheinigen; 69 Prozent bestätigen seine wichtige Rolle für die Kultur in der Bundesrepublik.

Alles in allem eine durchaus ermutigende Bilanz. Sie verdankt sich unter anderem auch einem frühzeitigen, offenen und umfassenden Dialog des Hauses mit seinen Gremienmitgliedern. Gerade in diesem Punkt kann das ZDF in gelassener Erwartung neuen Überlegungen der Länder entgegensehen, die Programmkontrollmöglichkeiten der Rundfunkräte durch eine Genehmigungspflicht zu verstärken.

Dies – so lässt sich heute sagen – ist im ZDF schon längst gelebte Praxis und kein strittiger Punkt medienpolitischer Diskussionen.

Allerdings gibt es weder für das ZDF noch seine Gremienmitglieder einen Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Hierfür ist der Markt zu schnelllebig, die Möglichkeiten der digitalen Verbreitungstechniken und Nutzungsformen, die auf das Fernsehen und damit den Medienkonsum einer Gesellschaft im Ganzen zurückwirken, zu komplex. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der seinen Aufgaben für diese Gesellschaft dauerhaft nachkommen will, muss hier beweglich bleiben wollen, können und nicht zuletzt auch – dürfen. Dies gilt es auch über nationale Grenzen hinweg all jenen klar zu machen, die den kommerziellen Wettbewerb als allein seligmachendes Mittel eines funktionierenden Rundfunksystems missverstehen. Wir alle können schon heute am Beispiel auswärtiger Medienmärkte, die allein von kommerziellen und/oder politischen Interessen dominiert werden, nicht nur leicht erkennen, was unsere gut funktionierende deutsche Rundfunk­landschaft kostet, sondern vor allem: was sie wert ist.

 
 
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