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2006  
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Janek Czechowski/Johannes Claes

Das virtuelle Nachrichtenstudio als Testszenario

 
Janek Czechowski
Janek Czechowski


Johannes Claes
Johannes Claes


Computergenerierte News-Deko: das virtuelle Studio


Computergenerierte News-Deko: das virtuelle Studio
Computergenerierte News-Deko: das virtuelle Studio


Steffen Seibert vor (virtueller) Weltkarte
Steffen Seibert vor (virtueller) Weltkarte


Auch »logo!« wird dreidimensional
Auch »logo!« wird dreidimensional
 

Als im Jahr 2005 bei einer Untersuchung des renommierten Monheimer Instituts durch Zuschauerbefragung herauskam, dass die Nachrichtensendungen des ZDF großteils als »bieder« und »streng« eingeordnet wurden, ging ein Räuspern und Schlucken durch die Reihen der Verantwortlichen. Wer wollte schon als »eingeengt« oder »wenig beweglich« angesehen werden und damit einer Konkurrenz entgegentreten, die auf opulente Bildsprache und moderne Studiogestaltung setzt? Das letzte Re-Design der »heute«-Sendung fand vor sieben Jahren statt: Sind wir mit unseren jetzigen Möglichkeiten an Grenzen gelangt?

Ein neuer Auftritt muss her mit neuem Design und einem Studio, das den heutigen Anforderungen und Erwartungen gerecht wird. Da sinnvolle Alternativen im Hause nicht zur Verfügung stehen, kann es nur ein neues Studio sein mit virtueller Technik und entsprechender Ausstattung – so der Gedanke.

Ziel ist eine moderne, ansprechende Bildsprache, die Etablierung eines erklärenden Fernsehens, das dem Zuschauer weit über reine Illustration hinausgehend zusätzliche Informationen anbietet, ein Studio, das gestalterisch wie technisch neue, erweiterte Möglichkeiten bietet, das aber auch nicht zuletzt im Hinblick auf den verantwortungsvollen Umgang mit Gebührengeldern optimierte Arbeitsabläufe und geeignete personelle Strukturen vorhält.

Ausgehend vom Begriff virtuell = »fähig zu wirken«, ist das virtuelle Studio eines, das man zwar sehen kann, das es so aber gar nicht gibt. Vielmehr wird die Illusion eines Studios technisch erzeugt und mit der Wirklichkeit vereinigt: Ein Moderator steht in einem grünen Raum – vor ihm ein Tisch, sonst nichts. Das Bild wird von einer Kamera aufgenommen, ihre Bewegungsdaten wiederum an einen Rechner übergeben. In ihm befindet sich das dreidimensionale Modell eines Studios, das alle Bewegungen der Kamera mit vollzieht. Das Ergebnis wird als Bild ausgegeben. Die Bilder der Kamera und des Rechners werden letztlich in einem Bildmischpult zusammengefügt. In der Zeit von Oktober 2005 bis März 2006 wurde im Studio 1 ein vollständiges virtuelles Studio eingerichtet, das zwar als Provisorium gedacht war, aber allen Ansprüchen an eine virtuelle Studioumgebung zu genügen hatte und darüber hinaus Aussagen in Bezug auf ein zu planendes neues Nachrichtenstudio ermöglichen musste. Vorgabe war allerdings, auch weiterhin reale Produktionen dort realisieren zu können. Hochempfindliche Technik wurde beispielsweise in improvisierte Racks gesteckt, ein vollkommen neuer Chroma Keyer in die bestehende Infrastruktur integriert.

Natürlich brauchte es eine gehörige Vorbereitungszeit. Der Vorlauf betrug vier Monate, in denen ein 3D-Grafiker das Studio mit drei Spielflächen entwerfen und ein funktionsfähiges virtuelles Set bauen konnte. Aufgabe war, die »heute«-Familie mit den Sendungen »heute«, »heute-journal« und »ZDF-Mittagsmagazin« weitestgehend orientiert am derzeitigen Erscheinungsbild umzusetzen. Noch ahnte niemand, wie kompliziert die Beschäftigung mit der Realität sein würde.

Ein Grund, das Studio 1 als Teststudio auszuwählen, war das Vorhandensein von Flächenleuchten. Um ein perfektes Stanzergebnis zu ermöglichen, bedarf es einer möglichst homogenen Hintergrundfarbe, die von einem gleichmäßig ausgeleuchteten Raum, der Green Box, geliefert wird. Im Gegensatz zu den sonst üblichen Stufenlinsenscheinwerfern testete man für eine betont gleichmäßige Ausleuchtung darüber hinaus auch sogenannte Keramikflächenleuchten mit bestem Ergebnis. Vor allem des Keysignals und der Hauttöne wegen hat man sich für Grün entschieden. Damit war die »grüne Hölle« geboren: kompliziert in ihrer perfekten baulichen Umsetzung, da sie homogen und gleichmäßig gerundet sein sollte, und nicht zuletzt schwierig in akustischer Hinsicht. Keine leichte Aufgabe für Planungsteam und Betriebspersonal. Am Anfang aller Überlegungen sind eine Reihe von Themen benannt worden, denen das besondere Augenmerk galt. Ein virtuelles Set ist keineswegs statisch! Stellen Sie sich vor, Monitore und Projektionen erscheinen, Karten bauen sich auf und Erklärstücke werden zu aufwändigen Inszenierungen! Alle diese Elemente müssen gesteuert werden. Diese Aufgabe obliegt dem Set-Operator. Die Aufgabe des Steuerungsprogrammierers wiederum besteht darin, alle denkbaren Funktionen per Knopfdruck zur Verfügung zu stellen und das in klarer und eindeutiger Form. Da das virtuelle Studio eng mit Redaktionssystemen verbunden ist, bedarf es zudem vorgefertigter Eingabemöglichkeiten, um Bilder oder Texte vor Ort zu integrieren. Eine funktionale benutzerfreundliche Bedienoberfläche ist Ziel dieses Prozesses.

Die Inhalte teilen sich in statische und dynamische, also immer wiederkehrende Grundelemente und wechselnde Belegungen derselben. Die Datenmenge ist riesig. Eine der Aufgaben im virtuellen Set ist daher ein effizientes Content Management, also eine wirkungsvolle Handhabung benötigter Modelle, Bilder und Filme von der Erzeugung über Bearbeitung, Archivierung bis zum Löschen – Datenpflege eben! Eine weitere Frage war, welche Kamerasysteme man im virtuellen Studio nutzen sollte. Getestet wurden manuelle und fernsteuerbare Stativsysteme sowie ein schienengestütztes, außerdem ein Kamerakran und ein modifizierter Industrieroboter. Um es kurz zu machen: Der Roboter war zwar viel zu groß, zeigte aber gute Ergebnisse. Sein kleiner Bruder könnte einen festen Platz im Studio finden.

Wer macht was in einem virtuellen Studio? Im laufenden Prozess und in einem anschließenden Workshop wurde betrachtet, ob künftige Funktio­nen bereits erkennbar sind. Wie viele Mitarbeiter werden für den reibungslosen Ablauf einer Sendung benötigt? Das ist Grundlage für die Planung des neuen Nachrichtenstudios!

Allem voran aber stehen gestalterische Fragen, die großen Einfluss auf das Erscheinungsbild einer Sendung haben. Wie sieht das Set aus, ist es funktional? Sind die gewünschten Ausdrucksmittel möglich? Wie bewegt sich die Kamera und welche Einstellungen sind vorgesehen? Welche Rolle spielt die Regie einer solchen Sendung?

Vier Sendungen wurden im virtuellen Studio geprobt: erst die drei Sendungen der »heute«-Familie: »heute«, »heute-journal« und »ZDF-Mittagsmagazin« mit Sport und Wetter, später kamen dann noch die Kindernachrichten »logo!« hinzu. Waren die ersten drei Aufzeichnungen noch von den Erfordernissen einer sachlichen Berichterstattung geprägt, gelang es bei »logo!« vermehrt, spielerische Elemente zu integrieren – egal, ob der Moderator vom Flugzeug umkreist wurde oder durch einen gezeichneten Dschungel irrte.

Es wurde deutlich, dass sich die Rolle der Moderation ändern wird. Von ihr wird in der »grünen Hölle« ein starkes Vorstellungsvermögen verlangt, da sie die virtuelle Umgebung zunächst nicht sehen kann. Hier liegt die Aufgabe vor uns, ein sicheres Auftreten in virtuellen Räumen glaubhaft zu gestalten!

Der Test hat gezeigt: Wir sind in der Lage, ein virtuelles Studio gestalterisch und technisch zu meistern und damit dem Zuschauer attraktive Nachrichten anzubieten – ein erfolgreiches Experiment, welches zeigt, dass die Voraussetzungen, ein solches Studio aus eigener Kraft zu etablieren, gegeben sind. Es kommt neben der technischen Realisation vor allem darauf an, ein ansprechendes Set-Design zu entwickeln, das den Anforderungen an einen modernen Nachrichtenauftritt gerecht wird und dem Zuschauer wertvolle Orientierung in einer immer komplexer werdenden gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit gibt.

 
 
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