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Florian Rathgeber

Florian Rathgeber, Toningenieur im Team Sonderprojekte, Geschäftsbereich Produktions- und Sendebetrieb

Die Fußball-Europameisterschaft 2008 in Bregenz

 
Florian Rathgeber
Florian Rathgeber


Audiomix im Tonstudio
Audiomix im Tonstudio


Datenhighway
Datenhighway


EVS-Analyseplätze
EVS-Analyseplätze


EVS und AVID Admin
EVS und AVID Admin


Kabel auf der Seebühne
Kabel auf der Seebühne


Schaltcontainer
Schaltcontainer


MPS-Regie (SAW) von innen ...
MPS-Regie (SAW) von innen ...


... und außen
... und außen


Serverraum
Serverraum


Kino
Kino


TV-Compound
TV-Compound


Verkabelung der Schaltcontainer
Verkabelung der Schaltcontainer


Das berühmte »Tosca«-Auge
Das berühmte »Tosca«-Auge
  »Millionen Zuschauer haben die Fußball-Europameisterschaft 2008 verfolgt. Alle Sendungen, die das ZDF live sendete, fanden vor der Kulisse der Bregenzer Seebühne mit dem riesigen ›Tosca‹-Auge statt. Von dort moderierten Johannes B. Kerner, Jürgen Klopp und Urs Meier die Spiele, von dort wurde das ›ZDF SPORTstudio‹ und andere Sendungen übertragen. Auf zwei LED-Leinwänden konnten die Spiele von den Zuschauern auf der Seebühne verfolgt werden.«

So beginnt der Artikel im Tonmeistermagazin von Elke Wisse. In einem Interview für die Zeitschrift hatte ich Gelegenheit, Auskunft zu geben über unsere Arbeit an der Bregenzer Seebühne, auf die das Team der Mobilen Produktion des ZDF nicht ohne Stolz zurückblickt.
Stellvertretend für alle beteiligten Kolleginnen und Kollegen aus den Fachbereichen Bild, Ton, Aufnahme & Wiedergabe, Sendeabwicklung und der Abteilung Sonderprojekte, möchte ich einen Einblick in unsere Arbeit in Bregenz zur Fußball-Europameisterschaft geben. Als Anhaltspunkte sollen die Fragen dienen, die uns immer wieder von Journalisten und Redakteuren verschiedener Zeitungen und Fachzeitschriften während unserer sechswöchigen Produktionszeit gestellt worden sind.

Was war in Bregenz aufgebaut?
In Bregenz haben wir das ZDF-EM-Studio aufgebaut. Von dort wurden alle Sendungen, die mit der Fußball-Europameisterschaft zu tun hatten, live gesendet. Dafür haben wir eine Studioregie mit zehn Kameras aufgebaut, die für alle Programmteile, die live aus Bregenz auf Sendung gingen, zuständig war. Dazu gehörten beispielsweise die Moderationen, das Geschehen vor den Spielen und die Schaltungen während des Spiels sowie andere ZDF-Formate (»das aktuelle sportstudio«, »Lafer!Lichter!Lecker!«, »ML Mona Lisa«, »Kulturzeit«, »ZDF SPORTreportage«).

Die Signale wurden dann der SAW (Sende-Abwicklung) zugeführt. Diese Bild- und Ton-Senderegie hat zwischen der Studio-Regie und den Signalen umgeblendet, die vom IBC (International Broadcast Center) in Wien kamen. Das Grundkonzept war so aufgesetzt, dass wir eine Sendeabwicklung hatten, die ein fertiges Signal nach Mainz übergeben konnte und immer zwischen den Spielen und dem, was auf der Seebühne passierte, umschalten konnte. Zusätzlich war als Herzstück ein Schaltraum aufgebaut, in dem alle Signale, die wir von extern bekamen, zusammenliefen. Von hier wurden auch alle Signale gesendet. In diesem Schaltraum fand eine Qualitätskontrolle für die Audio- und Videosignale statt. Über Zuspielleitungen konnten Schaltgespräche auch zu Reportern in anderen Ländern realisiert werden. Der erste Kontakt wurde dabei immer über unseren Schaltraum hergestellt, die Leitung wurde gepegelt und synchron gezogen und erst dann an die Studioregie übergeben, die die Leitung entsprechend für die Sendung freischaltete. Wir haben damit aus dem Ü-Wagen die Leitungsabwicklung ausgelagert, was zu einer Entlastung während der Livesendung führte.

In Bregenz kamen zum ersten Mal alle vier neuen MPS-Container des Produktionsbetriebs zum Einsatz. Vor der Seebühne errichteten wir mit dem größten ZDF-Ü-Wagen MP3 und den vier Containern einen TV-Compound. Diese »Wagenburg« war sozusagen das zweite ZDF Sendezentrum. Besonders wirkungsvoll konnten die MPS-Container eingesetzt werden. Davon hatten wir vier Stück, und zwar den MPS-S, den Schalt-Container, den MPS-R, den Regie-Container, in dem die SAW-Regie installiert war, den MPS-T, den Ton-Container mit der Tonregie SAW und den MPS-Edit mit zwei Schnittplätzen und einem eigenen LAN-Share-System. In diesem Container kann ein Schnittnetzwerk administriert und es können andere externe Schnittplätze angebunden werden. Im MP3 war die Studioregie untergebracht.

Für die gesamte Schnittarchitektur brauchten wir ein AVID-ISIS-Netzwerk, ein Hochleistungs-Video-Daten-Netzwerk. Daran waren vier Schnittplätze angekoppelt, unter anderem auch unser Edit-Container mit zwei Plätzen. Dadurch hatten wir die Möglichkeit, mit sechs AirSpeeds aufzuzeichnen und mit zwei AirSpeeds auszuspielen.

Wie sah die Video-Technik in Bregenz aus?
Es wurde in Bregenz eine Avid-Produktionsumgebung aufgebaut. Das ZDF setzte auf einen Workflow aus Unity ISIS (Infinitely Scalable Intelligent Storage) Zentralspeicher mit einem ProTools-System inklusive Mediastation und vier Media Composer Adrenaline-Schnittsystemen. Die Avid-Systeme arbeiteten zusätzlich mit einem DHM-System von EVS zusammen.

Die Philosophie dahinter war, die gesamte Architektur ohne ein physisches MAZ-Band zu realisieren. Für den Ton stellte sich dabei die Frage: Wie sollte ein Videobeitrag mit einem entsprechenden Off-Kommentar versehen werden? Wie erfolgt die Audiobearbeitung? Es musste also auch der Audioschnittplatz in das Netzwerk integriert werden. Dafür nutzten wir ein ProTools, an das wir eine V10 von Digidesign angeschlossen haben und zusätzlich eine MediaStation. Diese Elemente brauchten wir, um den fertig gemischten Beitrag hinterher wieder zu posten. So war das ProTools zusammen mit der V10 in der Lage, die fertig vertonten Beiträge von den Cuttern und Redakteuren direkt über das Netzwerk wieder auf das System zu laden. Über das ProTools wurde die Audiobearbeitung gemacht, dem Beitrag ein neuer Name gegeben und über die MediaStation wieder in das ISIS-System eingecheckt. So konnte jeder Schnittplatz auf den fertig gemischten Beitrag zugreifen und auch direkt auf Sendung geben. So war es für uns möglich, ohne MAZ-Kassette Beiträge zu bearbeiten und zu senden.

Mit diesem Konzept haben wir die Wünsche der Redaktionen voll umgesetzt. Zwölf Stunden am Tag wurde geschnitten. Die Redakteure haben permanent die Ressourcen genutzt, und schließlich sendeten wir 51 Stunden reinen Fußball. Dazu kamen die »ZDF SPORTstudios«, »ZDF SPORT-reportagen«, Kochsendungen etc. Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was die Redaktion an Zeit für die Beitragserstellung, für die direkte Zuspielung in Sportsendungen, für Nachrichten und andere Sendungen investiert hat.

Wir haben in Bregenz quasi ein zweites Sendestudio aufgebaut. Wir konnten komplette Sendungen fertigstellen und ein fertiges Signal nach Mainz übergeben. Mainz hat das Signal von uns übernommen und es auf den Sender gegeben. Über eine Schaltregie wurde zum Beispiel der Dauerspielstand eingeblendet. Um eine solche Aufgabe zu realisieren, bedarf es nicht nur moderner Technik und hoch qualifizierter Mitarbeiter, sondern auch einiger Sicherheitsvorkehrungen. Wir haben ein komplettes redundantes Stromnetz aufgebaut. Die ganze Energieversorgung lief im ­Batteriebetrieb, die permanent vom städtischen Stromversorger gespeist wurde.

Wäre diese Leitung ausgefallen, wären sofort Aggregate angesprungen, die die Batterien puffern. Wir konnten eine unterbrechungsfreie Stromversorgung garantieren, ohne dass man den Umschaltvorgang am Bildschirm wahrgenommen hätte.

Wenn eine solche Havarie-Lösung nicht vorhanden ist oder diese nicht richtig funktioniert, erlebt man das Fiasko, das den UEFA-Verantwortlichen beim Halbfinalspiel Deutschland – Türkei passiert ist. Diese berühmten sieben Minuten werden wir, die in Bregenz dabei waren, wohl nie vergessen. Sie zählen sicherlich zu den aufregendsten, aber auch hilflosesten Momenten in unseren Fernseherfahrungen. Hier sind wir von den Kollegen der UEFA-Technik im Stich gelassen worden. Dank unserer Audio-Havarieleitung konnten wir in den ersten Minuten mit Béla Réthys Kommentar weitersenden.

Was war in den Räumen der Seebühne aufgebaut?
Wir konnten die Räumlichkeiten der Bregenzer Seebühne für Redaktions- und Produktionsbüros sowie für eine Vielzahl von technischen Arbeitsplätzen nutzen.

So waren hier die vier Schnittplätze untergebracht. Die EVS-Technik wurde hier administriert und überwacht.

In Ballettsaal saßen die Kollegen der Highlight-EVS, die die Zeitlupen und Grafiken für die Moderatoren während der Sendung bearbeiteten und ihnen zuspielten.

Ein ganz besonderer Raum in der Bregenzer Seebühne war das Kino. Hier hielten sich während des Fußballspiels die Redaktion sowie die Moderatoren Jürgen Klopp, Johannes B. Kerner und Urs Meier auf. Hier haben wir zehn Flachbildschirme mit dazu passender Abhöreinrichtung installiert, um den Kollegen eine Übersicht sämtlicher Signale zu bieten, die wir vom IBC aus Wien bekamen beziehungsweise nach Mainz abgaben.

Auf der Seebühne fand auch ein Public Viewing statt. Wie wurde die notwendige Beschallung realisiert?
Wir haben eng mit den Kollegen des Festspielhauses zusammengearbeitet und die Beschallungsanlage der Bregenzer Seebühne mit den 780 Lautsprechern, aufgebaut in WFS-Technik, genutzt. Damit konnten wir die Fußballspiele, die als Public Viewing gezeigt wurden, auch mehrkanalig präsentieren. Wir hatten nicht nur 5 000 Zuschauer bei unseren ZDF-Sendungen, sondern die Seebühne wurde zum Public Viewing Point, wenn die ARD ebenfalls sendete.

Im Vorfeld haben wir uns mit den Kollegen in Bregenz zusammengesetzt und überlegt, wie wir eine vernünftige Beschallung umsetzen können. Wir haben das Bühnenbild, das für die Festspielinszenierung der Oper »Tosca« dort aufgebaut ist, total verändert. Es wurde ein grüner Rasen ausgelegt und zwei große LED-Wände aufgebaut. Für die Moderatoren wurde eine Plattform gebaut, die aussah wie ein UFO. Diese Plattform war nicht auf der Seebühne, sondern auf der Tribüne, die Moderatoren standen quasi in den ersten Publikumsreihen. Dafür wurden die ersten Sitzbänke weggenommen, so dass zirka 800 Plätze verlorengingen.

Durch diese Positionierung der Moderatoren konnten wir nicht mehr die Hausbeschallungsanlage benutzen. Die Center-Lautsprecher der Hausanlage sind in der fahrbaren Wand integriert, das heißt, die Plattform war etwa 25 bis 30 Meter entfernt. Wenn die Moderatoren ins Mikrofon sprachen, trat ein großes Delay auf. Diese physikalische Gegebenheit mussten wir in den Griff bekommen.

Letztendlich haben wir eine eigene Beschallung aufgebaut. Es war ein Line Array von d&B, ein Q1 und Q7 an der Moderatoren-Plattform angehängt. Zusätzlich hatten wir Delay-Lines ins Publikum gesetzt. So wurde die gesamte Sprachbeschallung in allen Sendungen über unser Lautsprechersystem übertragen. Sobald wir ins Spiel blendeten, übernahm die Hausbeschallung. Die Kollegen haben von uns einen Mehrkanal-Feed bekommen, der über eine besondere Steuerung matriziert und über Lautsprecher ausgespielt wurde. Letztendlich hatten wir ein Setup, das ein Feeling wie im Stadion aufkommen ließ. Audio wurde äußerst intensiv erlebt und gab regelrecht die Emotionen des Spiels wieder.

Aus technischer Sicht haben wir eine fehlerfreie und beeindruckende EM »gespielt«. Kilometerweise Kabel, mehrere LKW-Ladungen Material, umfangreich ausgestattete Redaktionsarbeitsplätze und mehrstündige Livesendungen machen das ZDF-Technikteam sicherlich zum »Europameister 2008«. Durch die hervorragende Zusammenarbeit zwischen Redaktion, Produktion und Technik konnte schnell reagiert und auch die außergewöhnlichsten Redaktionswünsche sicher und professionell umgesetzt werden. Mit diesem Rückenwind reiste ein Großteil des Teams nach China, um die gerade erst in Bregenz verpackten Kisten in Peking wieder in Empfang zu nehmen.
























 
 
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