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Carl-Eugen Eberle, Justitiar

Der Drei-Stufen-Test in der Praxis

 
Carl-Eugen Eberle
Carl-Eugen Eberle
 
  »Drei-Stufen-Test« – dieses Schlagwort steht für zentrale Fragen im Zusammenhang mit dem Schritt des ZDF in das Digitalzeitalter. Sie wurden insbesondere im beihilferechtlichen Beschwerdeverfahren vor der Europäischen Kommission gestellt und betrafen neben der Gebührenfinanzierung vor allem den Funktionsauftrag für ARD und ZDF. Dieser sei hinsichtlich der Digitalangebote nicht konkret genug gefasst. Der Streit wurde nach Zusagen der deutschen Seite durch ein Schreiben der Kommission vom 24. April 2007 beigelegt.

Die Genese des Drei-Stufen-Tests
Im Kern ging es bei diesem Streit um die Beauftragung im Bereich der Digitalprogramme und der Online-Betätigung (Telemedien). Die Kommission hätte es am liebsten gesehen, wenn der Funktionsauftrag im Rundfunkstaatsvertrag selbst genau beschrieben wird. So ist es nun auch für die Digitalprogramme ZDFinfokanal, ZDFkulturkanal und ZDFfamilienkanal vorgesehen, dass deren Programmkonzepte als Anhang zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RfÄStV) genommen werden.

Für die Onlineangebote wurde dagegen ein anderes Beauftragungsverfahren gewählt. Angesichts der dynamischen Entwicklungen in diesem Bereich sieht der Staatsvertrag nur partiell, nämlich für das Angebot von Sendungen zum Sieben-Tage-Abruf (Mediathek) eine unmittelbar staatsvertragliche Mandatierung vor. Für neue oder veränderte Telemedienangebote, zunächst aber auch für das Gesamtangebot an Telemedien des ZDF, soll dagegen eine Beauftragung nach Maßgabe eines Telemedienkonzepts durch den Fernsehrat erfolgen. Hierfür ist ein besonderes Verfahren vorgesehen, das »Drei-Stufen-Test« genannt wird und dazu dient, festzustellen, ob ein bestimmtes Angebot vom Funktionsauftrag des ZDF umfasst ist. Der Drei-Stufen-Test gliedert sich in folgende Prüfungsabschnitte:

1. Stufe: Inwieweit entspricht das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft?
2. Stufe: In welchem Umfang trägt das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb bei?
3. Stufe: Welcher finanzielle Aufwand ist für das Angebot erforderlich?
Wenn der Fernsehrat nach Durchlaufen dieser Prüfungsstufen das Vorhaben genehmigt, unterliegt es einer weiteren Prüfung durch die Rechtsaufsicht, bevor das Verfahren dann durch eine Veröffentlichung des Telemedienkonzepts in den Amtsblättern seinen Abschluss findet.

Drei-Stufen-Test – Sinn und Zweck
Mit dem Drei-Stufen-Test werden mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt. Da dem Gesetzgeber bei der Festlegung des Funktionsauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Zurückhaltung in Bezug auf Detaillierungen auferlegt ist (Grundsatz der Staatsferne des Rundfunks), gibt der Rundfunkstaatsvertrag nur Zielrichtung und äußeren Rahmen der Internetaktivitäten der Rundfunkanstalten vor. Die konkrete Ausgestaltung des Telemedienauftrags erfolgt deshalb durch die Aufsichtsgremien der Anstalten, beim ZDF also durch den Fernsehrat, das dabei anzuwendende Verfahren ist dann der Drei-Stufen-Test.

Der Drei-Stufen-Test hat dann aber vor allem auch eine wichtige Transparenzfunktion, wie sie in vergleichbarer Weise dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zukommt. Es soll gewährleistet werden, dass alle für die konkrete Ausformung des Funktionsauftrags relevanten Gesichtspunkte nachvollziehbar bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Aus diesem Grunde sollen Dritte die Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Außerdem kann der Fernsehrat gutachterliche Beratung einholen, was er zu den marktlichen Auswirkungen sogar muss. Für die geforderte Transparenz sorgt sodann, dass der Fernsehrat seine Entscheidung begründen und dabei auch die eingegangenen Stellungnahmen Dritter und die eingeholten Gutachten berücksichtigen muss. Schließlich schafft auch die anschließende Prüfung durch die Rechtsaufsicht und die Beschreibung des Angebots in den amtlichen Verkündungsblättern das nötige Vertrauen dafür, dass die Entscheidung ordnungsgemäß und nachvollziehbar zustande gekommen ist.

Gegenstand des Drei-Stufen-Tests
Der Beihilfekompromiss mit der Kommission sieht einen Drei-Stufen-Test nur für »neue oder veränderte Angebote« vor. Dieser durchaus sinnvolle, auf zukünftige Angebote beschränkte Anwendungsbereich wurde jedoch im Zuge des politischen Einigungsprozesses über den 12. RfÄStV erheblich ausgeweitet. Nun muss auch der gesamte Bestand an Telemedienangeboten, wie sie aktuell veranstaltet werden, in einem Telemedienkonzept beschrieben und einem Drei-Stufen-Test unterworfen werden. Dazu zählen auch Angebote wie beispielsweise der jahrzehntelang verbreitete und nachgefragte Fernsehtext, auf den bezogen der aufwändige Drei-Stufen-Test sicherlich keinen Sinn macht.

Für neue oder veränderte Angebote, für die der Drei-Stufen-Test künftig relevant wird, gilt es zunächst, Kriterien zu finden, wann ein solches Angebot vorliegt. Es wird Sache des Fernsehrats sein, in Richtlinien diese Kriterien zu entwickeln. Dabei wird darauf zu achten sein, dass nicht jede noch so marginale Veränderung zur Anwendung des Drei-Stufen-Tests führt. Deshalb wird eine Relevanzschwelle zu beschreiben sein, ab der von einem neuen beziehungsweise veränderten Angebot auszugehen ist.

Die Rolle des Fernsehrats und des »Chinese Wall«
Von Seiten der Europäischen Kommission wird die Rolle des Fernsehrats im Drei-Stufen-Test mit einem gewissen Misstrauen bedacht. So wird befürchtet, dass der Fernsehrat nicht die unabhängige und neutrale Instanz darstellt, die man sich für einen solchen Test wünscht. Aus diesem Grunde ist die Errichtung eines »Chinese Wall« zwischen den Vertraulichkeitsbereichen der Geschäftsleitung der Anstalten und den für die Durchführung des Drei-Stufen-Tests zuständigen Aufsichtsgremien gefordert worden. Der Begriff stammt aus dem Banken- und Börsenrecht, wo ein »Chinese Wall«-Insiderhandel dadurch verhindern soll, dass innerhalb einer Bank bestimmte Informationen nicht weitergegeben werden. Deshalb sind Investmentbanker, Händler und Analysten durch »Chinesische Mauern« räumlich und organisatorisch voneinander getrennt.

Für den Rundfunkbereich wird in diesem Zusammenhang auf das britische Beispiel verwiesen. Dort müssen neue Angebote der BBC einen »Public-Value-Test« durchlaufen, bei dem die Prüfung durch unabhängige externe Instanzen (BBC Trust, Ofcom) durchgeführt wird. Das Misstrauen gegen die deutschen Strukturen ist aber unberechtigt, denn der Fernsehrat ist tatsächlich eine Form der externen Aufsicht.

Zum einen haben das ZDF und seine Organe keinen Einfluss auf die Besetzung des Gremiums, und die Mitglieder des Fernsehrats sind unabhängig und an Weisungen nicht gebunden (schon gar nicht an solche des ZDF). Zum anderen hat sich der Fernsehrat gerade bei Programmvorhaben des ZDF einen Namen als ebenso unabhängige wie eigenständige Instanz gemacht, wie die Beispiele der seinerzeit abgelehnten Programmzusammenarbeit mit CNN und das Ringen um die Ausrichtung des Dokumentations- und Ereigniskanals PHOENIX belegen.

Ungeachtet dessen wird es im Zusammenhang mit dem Drei-Stufen-Test zusätzliche verfahrensmäßige Sicherungen der Unabhängigkeit des Gremiums gegenüber dem Intendanten geben. So wird das Gremienbüro personell verstärkt, damit der Fernsehrat bei der verfahrensmäßigen Durchführung des Drei-Stufen-Tests nicht auf die Zuarbeit aus dem Haus angewiesen ist. Für den mit dem Test verbundenen finanziellen Aufwand, insbesondere die Kosten für eine mögliche externe fachliche Beratung und für Gutachten wird für den Fernsehrat eine eigene Etatposition eingerichtet, über die nur der Fernsehrat selbst verfügen kann.

Ein weiterer Faktor in diesem Zusammenhang ist, dass die Mitarbeiter des Gremienbüros allein dem fachlichen Weisungsrecht des Fernsehratsvorsitzenden unterliegen. Auch die Kommunikation zwischen dem Fernsehrat und dem Intendanten wird in relevanten Fragen stärker formalisiert und damit nachvollziehbar gemacht, um informelle Absprachen auszuschließen.

Bei alledem sollte aber darauf geachtet werden, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Fernsehrat und dem Haus jenseits des Drei-Stufen-Tests in der bewährten Form weitergeführt wird. Denn zur Unternehmenskultur des ZDF gehört der fruchtbare und nicht durchweg formalisierte Meinungsaustausch speziell in den Ausschüssen, der durch einen ebenso offenen wie lebhaften direkten Diskurs geprägt wird. Auf diese Weise werden die durchaus vorhandenen förmlichen Vorgaben (Richtlinien) für die praktische Arbeit mit Leben erfüllt, woran sich auch durch das Institut des Drei-Stufen-Tests nichts ändern sollte.

Stellungnahmen Dritter und gutachterliche Beratung
Der Europäischen Kommission ist es wichtig, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Internetbetätigung von ARD und ZDF mögliche marktliche Auswirkungen in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. Zwar betätigen sich ARD und ZDF aufgrund des Verbots von Werbung und Sponsoring in öffentlich-rechtlichen Internetangeboten nicht als Marktteilnehmer im ökonomischen Sinne. Aufgrund ihrer Teilnahme am publizistischen Wettbewerb und der damit bewirkten Nutzerbindung werden jedoch zum Teil auch Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle privater Dritter prognostiziert, die bei der Ausformulierung des Telemedienauftrags berücksichtigt werden sollen. Damit solche Auswirkungen überhaupt identifiziert werden können, wird auf die Marktteilnehmer selbst gesetzt, die über die nötigen Erkenntnisse verfügen sollten. So sollen Dritte Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Sie können auf diese Weise entsprechende Erkenntnisse in den Entscheidungsprozess des Fernsehrats einbringen. Damit hierzu ausreichend Gelegenheit besteht, wird der Fernsehrat jedenfalls im anstehenden Verfahren für das Telemedienkonzept zum derzeitigen Angebotsbestand die gesetzlich vorgesehene Mindestfrist von sechs Wochen verlängern und darüber hinaus auch noch eine mündliche Anhörung interessierter Dritter vorsehen. Damit wird gesichert, dass die marktlichen Auswirkungen umfänglich und mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt und in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.

Der Staatsvertragsgesetzgeber hat, ohne dass dies von der Europäischen Kommission gefordert worden wäre, darüber hinaus dem Fernsehrat eine gutachterliche Beratung anheim gestellt, die dieser nach der geltenden Rechtslage ohnehin schon jederzeit einholen kann. Zur Beurteilung der marktlichen Auswirkungen ist die Einholung gutachterlichen Rats sogar obligatorisch. Mit der Mandatierung eines Gutachters verbindet sich eine Reihe von Fragen, auf die es bislang keine gesicherten Antworten gibt. Dies gilt vor allem für die Breite und Tiefe der marktlichen Untersuchung, die dem Gutachter aufzugeben ist. Rein theoretisch ergeben sich vor allem in Bezug auf den im Rahmen eines Drei-Stufen-Tests zu überführenden aktuellen Angebotsbestand eine Vielzahl von Märkten, die (mittelbar) betroffen sein könnten, wobei sich die Intensität der Auswirkungen in vielen Fällen als offensichtlich gering erweisen dürfte.

Bereits an dieser Stelle ist allerdings schon darauf hinzuweisen, dass nicht jegliche marktliche Auswirkung – sei sie von Dritten vorgetragen oder sei sie in einem Gutachten prognostiziert – auch zur Ablehnung der Genehmigung durch den Fernsehrat führen muss. Vielmehr bedarf es einer Abwägung zwischen den publizistischen Belangen, die im spezifischen Beitrag zum publizistischen Wettbewerb zum Ausdruck kommen und den marktlichen Auswirkungen andererseits.

Die Erfüllung der spezifischen Funktionen, die das ZDF für die Gesellschaft wahrnimmt (Beitrag zu Demokratie, gesellschaftlicher Integration, Kultur und Vielfaltsicherung), muss auch dann möglich sein, wenn damit marktliche Auswirkungen verbunden sind. Bei dieser Abwägung steht dem Fernsehrat ein weiter Ermessensspielraum zu. Deshalb kann die Online-Betätigung auch dann gerechtfertigt sein, wenn für sie marktliche Auswirkungen von Gewicht prognostiziert werden.

Für Dritte, deren Einwendungen in diesem Zusammenhang zurückgestellt wurden, ergibt sich hieraus kein – wie auch immer geartetes – Klagerecht, das gerichtlich geltend gemacht werden könnte. Hierauf hat die deutsche Seite bei der Abfassung ihrer Zusage, dass Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist, ausdrücklich hingewiesen.

Ablauf und Zeitrahmen für den Drei-Stufen-Test
Die vorstehenden Überlegungen lassen bereits erkennen, dass es sich bei dem Drei-Stufen-Test, insbesondere soweit er auf den gegenwärtigen Bestand der Telmedienangebote ausgerichtet ist, um ein außerordentlich komplexes Verfahren handelt. Es beginnt mit der Vorlage des Telemedienkonzepts durch den Intendanten und dem Beschluss des Fernsehrats, einen Drei-Stufen-Test über dieses Konzept durchzuführen. In der Folge stellt der Fernsehrat das Konzept ins Internet und gibt innerhalb einer Frist, die über sechs Wochen hinausgehen wird, Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Stellungnahmen sind anschließend vom Gremienbüro, gegebenenfalls unter Beratung durch eine externe fachkundige Institution, auszuwerten, damit der Auftrag an den Gutachter formuliert werden kann. Je nach Umfang des Gutachtens ist der Auftrag im Wege eines Ausschreibungsverfahrens nach europäischem Vergaberecht zu erteilen, wofür gewöhnlich ein Zeitraum von drei Monaten anzusetzen ist. Auch für die Anfertigung des Gutachtens werden mindestens drei Monate zu veranschlagen sein. Berücksichtigt man schließlich die Beratung in den Ausschüssen des Fernsehrats und in seinem Plenum, dann wird man insgesamt auf einen Zeitraum von zirka einem Jahr kommen, den die Durchführung des Drei-Stufen-Tests erfordert.

Fazit
Der Drei-Stufen-Test ist von seiner Anlage her ein sinnvolles Instrument, öffentlich-rechtliche Telemedienangebote einerseits durch ihren publizistischen Wert für die Gesellschaft zu rechtfertigen und sie andererseits gegenüber ungerechtfertigten Angriffen wegen vermeintlicher marktlicher Auswirkungen zu schützen. Angesichts seiner Komplexität, Dauer und der mit ihm einhergehenden hohen Kosten sollte das Verfahren nur auf größere programmlich strukturierte Inhalts-komplexe Anwendung finden. Angewandt auf den derzeitigen Bestand an Telemedienangeboten, der ja vom Fernsehrat bereits geprüft und genehmigt worden ist, führt er zu unverhältnismäßigem Aufwand und sinnlosen Doppelprüfungen, was letztlich seinen Wert insgesamt diskriminieren könnte. Insgesamt wird darauf zu achten sein, dass sich der Test nicht zum Selbstzweck entwickelt, sondern dass er durch den von ihm ausgelösten öffentlichen Gemeinwohldiskurs ein wirksames Instrument zur Legitimation und Akzeptanz der vielfältigen Telemedienangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird.

 
 
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