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2002  
ZDF Jahrbuch
Grundlagen der Programmarbeit
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Carl-Eugen Eberle

Konvergenz der Medien
Sollte das Recht der Medien harmonisiert werden?

 
Carl-Eugen Eberle
Carl-Eugen Eberle
              
 

1. Funktion und Strukturen der Medienregulierung

(1) Massenmedien sind nicht nur Ausdruck freiheitlicher, insbesondere grundrechtlicher Entfaltung. Sie haben außerdem spezifische Funktionen für den Einzelnen sowie für Staat und Gesellschaft. Medienregulierung knüpft an diese spezifischen Funktionen mit dem Ziel an, negative Wirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft zu verhindern und sich die positiven Wirkungen der Medien insbesondere auf die Gemeinschaft nutzbar zu machen, diese Funktionen zu schützen und – soweit möglich – fortzuentwickeln.

(2) Nur indem die Medienregulierung an den unterschiedlichen Ausprägungen und Erscheinungsformen der Medien anknüpft, kann sie den jeweils spezifischen Funktionen Rechnung tragen.

(3) Dass in diesem Zusammenhang der Rundfunk und speziell das Fernsehen am stärksten reguliert ist, hängt heute vor allem damit zusammen, dass dieses Medium aufgrund seiner besonderen Suggestivkraft eine weit größere Wirkung auf den Rezipienten erzielt als die übrigen Medien und dass es diesen auch in seiner Wirkung auf die Gesellschaft durch seine massenhafte Verbreitung und seinen Glaubwürdigkeitsvorsprung weit überlegen ist.

(4) Die Breiten- und Massenwirkung des Fernsehens vermittelt einer unüberschaubaren Vielzahl von Menschen zeitgleich Tatsachen und Meinungen, wobei ein Multiplikationseffekt eintritt. Produktions- und Verbreitungstechnik vermitteln Aktualität und den Eindruck der Teilhabe am Geschehen. Die mit der Breiten- und Massenwirkung verbundene Suggestivkraft des Fernsehens beruht auf dem Eindruck der Authentizität der audiovisuellen Darstellung durch die Kombination von Bewegtbild und Ton und wirkt sich bei der Liveberichterstattung besonders stark aus. Das Fernsehen hat als das Medium mit der größten Reichweite bei gleichzeitiger Empfangbarkeit einen weiteren besonderen Vorteil gegenüber anderen Medien. Es erreicht ein beachtliches Publikum wie kein anderes Medium. Vor allem werden gerade durch stark verbreitete Nachrichtensendungen auch Personen für Themen angesprochen und interessiert, die sie sonst möglicherweise nicht wahrgenommen hätten. Dieser Gesichtspunkt spielt speziell für die Integrationsfunktion des Fernsehens eine große Rolle.

(5) Von allen Medien ist sodann die Glaubwürdigkeit des Fernsehens besonders hoch einzuschätzen, die vor allem auf der Visualisierung und Aktualität seiner Inhalte beruht. Die besondere Wirkkraft von Bildern verschafft den Inhalten Authentizität. Deshalb erscheinen sie glaubwürdiger und werden leichter akzeptiert als der Inhalt von Texten. In allen Erklärungsmodellen besteht Einigkeit darüber, dass Bilder mehr Aufmerksamkeit erregen, leichter behalten werden, mehr Assoziationen im Gedächtnis auslösen und eine höhere Anmutungsqualität als Texte haben. Hinzu kommt, dass sie über ihre nonverbalen Kommunikationselemente eine intensivere Wirkung als Texte haben. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gilt diese dem Fernsehen gemeinhin attestierte Glaubwürdigkeit in besonderem Maße. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird aufgrund seines auf Vielfalt, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Qualität ausgerichteten Funktionsauftrags sogar als eine Art »Glaubwürdigkeitsinsel« angesehen, die in Zeiten schnellen gesellschaftlichen Wandels Stetigkeit vermittelt.

(6) Neben den Printmedien nimmt das Fernsehen in besonderer Weise die Funktion des so genannten Agenda-Setting wahr. Als für die Zuschauer glaubwürdiges Medium trifft es eine (Vor-)Auswahl über die auszustrahlenden Inhalte und bestimmt so aufgrund seiner hohen Verbreitung die aktuellen, allgemein diskutierten Themen und wirkt auf diese Weise besonders intensiv als Integrationsfaktor. Da es diese Aufgabe seit jeher verlässlich erfüllt, trägt auch diese Funktion maßgeblich zur besonderen Glaubwürdigkeit des Fernsehens bei.

(7) Die Bindung der Zuschauer an das Fernsehen ist stark ausgeprägt. Umfragen belegen, dass das Fernsehen von der Mehrheit der Bevölkerung für das wichtigste Medium für die eigene politische Meinungsbildung gehalten wird. Nach wie vor wird es mehrheitlich als das Medium angesehen, auf das am wenigsten verzichtet werden kann. Die starke Bindung an das Fernsehen ist somit ein weiterer Faktor, der die besondere Wirkkraft dieses Mediums ausmacht.

(8) Dem Fernsehen werden auch besondere medienpsychologische Wirkungsqualitäten zugeschrieben, weil hier Wort-, Bild- und Tonelemente gleichermaßen zum Einsatz kommen. Informationsverdichtung im visuellen und auditiven Kanal, Bild-Ton-Divergenzen, die der Alltagserfahrung widersprechen und der durch den Rezipienten nicht zu steuernde Bilderfluss stellen weitere aufmerksamkeitssteigernde Faktoren dar. Eine Reihe weiterer medialer Techniken sowie Spezifika der Rezeption von Text- und Bildmaterial im Gehirn verstärken die Persuasionswirkung des Mediums ebenso wie bestimmte mediendramaturgische Effekte.

(9) Die derart zu umreißende besondere Funktionalität des Fernsehens hat somit zu einer spezifischen rundfunkrechtlichen Regulierung geführt, bei der seine Inpflichtnahme für gemeinwesenorientierte Funktionen zunächst im Vordergrund steht. Sie kommt maßgeblich in der Einrichtung des mit einem Funktionsauftrag versehenen öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen binnenstruktureller Bindung an die gesellschaftlichen Kräfte zum Ausdruck. Durch dieses Organisationsmodell werden Angebotsvielfalt ebenso gewährleistet wie die gesellschaftliche Integrationsleistung und der Beitrag zur Demokratie. Zur Abwehr von Fehlentwicklungs- und Missbrauchsgefahren dienen darüber hinaus Konzentrationsregelungen und externe Aufsicht im privaten Rundfunk. Auf den Einzelnen bezogen sollen Regeln über den Informationszugang und Kabelbelegung (einschließlich der Must-Carry-Vorschriften zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks), aber auch die Listenregelung zur obligatorischen Übertragung wichtiger Ereignisse im Free-TV und das Kurzberichterstattungsrecht die kommunikative Chancengleichheit sichern. Dem Schutz der Menschenwürde und des Einzelnen insbesondere vor den angesprochenen Gefahren für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts dienen neben allgemeinen Programmgrundsätzen spezielle, auf die Besonderheiten des Mediums abgestellte Regelungen zum Jugendschutz, zur Gegendarstellung und zur Speicherung persönlicher Daten.

(10) Mediendienste und Teledienste zeichnen sich dadurch aus, dass sie über eine im Vergleich zum Rundfunk nur abgeschwächte Funktionalität verfügen. Mediendienste treten in ihrer Wirkung hinsichtlich Suggestivkraft und Verbreitungswirkung im Allgemeinen deutlich hinter den Rundfunk zurück. Dies gilt noch stärker für die auf Individualkommunikation ausgerichteten Teledienste. Deshalb gelten auch die aus ihrer Funktion für das Gemeinwesen begründeten Anforderungen und Sicherungen des Rundfunkrechts für diese Dienste nur in stark abgestufter Weise oder überhaupt nicht. Die auf den Schutz des Einzelnen ausgerichteten Regelungen haben jedoch auch gegenüber diesen Diensten ihren Sinn. Die geltende abgestufte Regulierung von Rundfunk, Medien- und Telediensten trägt dieser Funktions- und Wirkungshierarchie Rechnung.

(11) Die gesellschaftsbezogene Funktion der Presse kommt in der landesgesetzlich verankerten »öffentlichen Aufgabe« der Presse zum Ausdruck. Angesichts der gewachsenen Vielfaltstrukturen wurde jedoch – von konzentrationsrechtlichen Regelungen im Kartellrecht abgesehen – auf institutionelle oder sonstige Sicherungsvorkehrungen verzichtet.

2. Von der technischen Konvergenz zur Konvergenz der Dienste?

(12) Konvergenz der Medien kennzeichnet eine Entwicklung, die gemeinhin durch das Zusammenwachsen von Fernsehen, Internet und moderner Telekommunikation umschrieben wird. Ausgangspunkt und zugleich Motor dieser Entwicklung ist die technologische Entwicklung insbesondere in der Form der Digitalisierung. Sie macht vor allem das Internet zu einem Transportmittel auch für Rundfunkinhalte und lässt so die Grenze zwischen Individualkommunikation und Massenkommunikation fließend werden. Umgekehrt wird das Breitbandkabel, bislang wichtiges Verbreitungsmittel für Rundfunk, rückkanalfähig gemacht, der Kabelendteilnehmer individuell adressierbar und das Kabel zum Trägermedium für Massen- wie Individualkommunikation. Vergleichbares ist vom terrestrischen digitalen Fernsehen und von modernen Kommunikationsdiensten wie zum Beispiel UMTS zu erwarten, deren Funktionalität nicht mehr nur auf einen Dienst aus dem herkömmlichen Dienstespektrum ausgerichtet ist, sondern die multifunktional ausgelegt sind und über die der Endteilnehmer gleichzeitig Zugang zu mehreren Diensten erlangt. Dementsprechend finden auch zunehmend multifunktionale Endgeräte Verwendung, die den – teilweise gleichzeitigen – Empfang unterschiedlicher Dienste ermöglichen.

(13) Diese eher technisch bedingte Konvergenz führt nicht dazu, dass auch die Dienste selbst als konvergent betracht werden müssen.

a) Konvergenzbedingter Funktionsverlust des Fernsehens?

(14) Eine funktionelle Substituierung des Fernsehens durch Internetangebote findet derzeit nicht statt und ist auch in überschaubarer Zukunft nicht zu erwarten. Auch zeigen sich keine Ansätze, dass die Internetnutzung die Fernsehnutzung verdrängt. Unter dem Substitutionsaspekt ist folglich eine Veränderung der Regulierungssysteme von Rundfunk und Internet nicht geboten.

(15) Hinsichtlich der besonderen Wirkkraft der Bilder hebt sich das Fernsehen vom Internet derzeit noch deutlich ab, da das Fernsehen vor allem mit seinen Bewegtbildern und ihrer Eindringlichkeit qualitativ dominiert. Erst aufgrund der immer wieder angekündigten, bislang aber noch nicht erreichten technischen Weiterentwicklung kann gegebenenfalls auch das Internet von der Darstellung her die Suggestivkraft des Fernsehens erreichen. Dies kann jedoch vernachlässigt werden, solange – wie derzeit – eine solche Weiterentwicklung noch nicht absehbar ist.

(16) Auch soweit die Wirkkraft, die von einem Medium ausgeht, von der Art der Nutzung und den oben genannten Kriterien der Glaubwürdigkeit, Reichweite etc. abhängt, bleibt das Internet unter Berücksichtigung der Summe der relevanten Kriterien eindeutig hinter dem Fernsehen zurück.

(17) Das Internet wird als interaktives Medium grundsätzlich anders genutzt als das Fernsehen. Die Art und Weise der Internetnutzung ist durch Aktivität gekennzeichnet, bei der das »ego-involvement« im Vordergrund steht. Gleichzeitig ist die Informationsfülle des Internets gerade für ungeübte Nutzer bisweilen schwer zugänglich. Dies begünstigt, dass durch die Art der Kommunikation eine Art »Subkultur« entsteht, die von den Wertvorstellungen der Gesellschaft eher abgeschottet ist und die der gesamtgesellschaftlichen Integration das Aufgehen in der jeweiligen »Community« entgegensetzt.

(18) Das Fernsehen ist seinem Charakter nach ein öffentliches Medium. Gerade der Umstand, dass es mit seinem Programm zeitgleich weite Teile der Bevölkerung mit derselben Botschaft erreicht und zudem den Inhalten eine größere Glaubwürdigkeit entgegengebracht wird als den Angeboten im Internet, trägt dazu bei, dass sich der für die Demokratie so wesentliche Prozess der öffentlichen Meinungsbildung tatsächlich in Gang setzen kann. Das für das Internet kennzeichnende Merkmal der Individualisierung verhindert eine öffentliche Meinungsbildung eher.

(19) Auch die Erkenntnisse der Medienforschung bestätigen, dass das durch die Ausbreitung des World Wide Web veränderte Informationsverhalten der Bundesbürger bislang zu keinen relevanten Substitutionsprozessen zwischen Fernsehen und Internet geführt hat. Im Wesentlichen wird eine komplementäre Nutzung des Online-Mediums festgestellt. Die Zeit, die mit dem Internet verbracht wird, nimmt zu, wobei sich ersichtlich die Internetnutzungszeit zum bestehenden Zeitbudget für die klassischen elektronischen Medien hinzu addiert.

(20) Das Internet verdrängt beziehungsweise ersetzt die bestehenden Medien somit nicht, sondern es ergänzt sie. Dies zeigt sich sowohl in den Synergieeffekten, die zwischen Online- und Offlineangeboten existieren, als auch in den Image- und Erwartungstransfers in Bezug auf die Internetangebote der klassischen Medienanbieter. Die wichtigsten Anschluss- und Nutzungsmotive für das Internet sind mit der Informationssuche und der Kommunikation kognitiver Natur, die Unterhaltung erscheint demgegenüber noch nachrangig.

(21) Trotz der außerordentlichen Ausdehnung des medialen Angebots im Internet in den letzten Jahrzehnten hat das Medium Fernsehen demnach auch nichts an Bedeutung für die Bevölkerung eingebüßt. Als »Allround-Medium« spricht es offensichtlich auch unter sich wandelnden Nutzungsgewohnheiten weiterhin zentrale Bedürfnisse der Menschen sowohl nach Information und Unterhaltung als auch nach sozialer Orientierung und Integration an.

b) Harmonisierungsbedarf aufgrund funktioneller Äquivalenz?

(22) Unter Konvergenzgesichtspunkten wird die Forderung erhoben, dass für identische Inhalte, die über verschiedene Medien verbreitet werden, nicht unterschiedliche Regelungen gelten sollten. Diese Forderung übersieht, dass bereichsspezifische Vorschriften auf die funktionsbedingten Eigenschaften und Ausprägungen des jeweiligen Mediums zugeschnitten sind. Dies gebietet bereits der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Danach müssen zum Beispiel bei Beschränkungen zum Zwecke des Jugendschutzes die Schutzbedürfnisse nicht allein anhand des inhaltlichen Gefährdungspotentials, sondern unter Berücksichtigung der Funktionalität des Dienstes insgesamt in die Abwägung eingehen. Daraus wird deutlich, dass Jugendschutzmaßnahmen bereichsspezifisch und nicht allein nach Maßgabe der Inhalte reguliert werden müssen.

c) Inhalteregulierung versus Diensteregulierung?

(23) Ein – ebenfalls auf Konvergenzgesichtspunkte gestützter – konzeptioneller Regulierungsansatz zielt darauf ab, die Bereiche Inhalt (Content) und Transport zu trennen. In der Konsequenz wird dann vorgeschlagen, eine Inhalteregulierung möglichst diensteübergreifend vorzunehmen und alle mit dem Transport der Inhalte zusammenhängenden Fragen der Verbreitung gesondert zu regeln. Ein solches Konzept stößt allerdings auf die gleichen, mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zusammenhängenden Schwierigkeiten: Gefährdungslagen, Schutzerfordernisse sowie allgemein Regelungsbedürfnisse ergeben sich nicht allein aus den Inhalten, die über ein Medium verbreitet werden, sondern – zumindest auch – aus der Art und Weise, wie das Medium die Inhalte präsentiert. Regelungsbedürftige Gefährdungs- und Gestaltungslagen resultieren aus dem dienstemäßig gestalteten und konsumierten Gesamtangebot von Inhalt und Präsentation. Letztlich geht es um die Funktionalität des Dienstes insgesamt, die bei der Regulierung zugleich Ansatzpunkt und Abwägungsbelang darstellt. Deshalb müssen Regulierungskonzepte, statt ausschließlich auf die Inhalte abzustellen, die durch den jeweiligen Dienst bewirkte Prägung der Angebote mitberücksichtigen.

3. Bereichsspezifische Regulierung von Konvergenzproblemen

(24) In der Praxis treten als Folge der technischen Konvergenz Probleme auf, die vor allem aus der gemeinsamen Nutzung identischer Verbreitungswege und Endgeräte durch unterschiedliche Medien resultieren. Sie begründen allerdings ebenfalls keinen Harmonisierungsbedarf, sie sind vielmehr nur durch bereichsspezifische Regulierung zu lösen.

a) Parallelnutzung unterschiedlicher Dienste

(25) Die technische Entwicklung erlaubt es inzwischen, unterschiedliche Medienangebote (zum Beispiel Fernsehen und Internetnutzung) parallel und inhaltlich aufeinander abgestimmt zu nutzen. Auch in solchen Fällen bleibt es aber grundsätzlich bei der spezifischen Wirkkraft des jeweils einzelnen Mediums und damit auch bei der medienrechtlichen Einordnung der beteiligten Angebote. Dies liegt daran, dass das Zusammenspiel in der Regel nur punktuellen Charakter hat und nicht zu einer dauerhaften Veränderung in der Funktionalität der jeweiligen Angebote führt.

b) Zusammentreffen mehrerer Dienste im Teilnehmerendgerät

(26) Spezielle Konvergenzprobleme entstehen in der Praxis dadurch, dass unterschiedliche Dienste, die früher über jeweils eigenständige Verbreitungswege und Endgeräte empfangen worden sind, nunmehr die gleichen Transportwege und Empfangsgeräte nutzen. Über multifunktionale Endgeräte können demnach zum Beispiel Rundfunkdienste ebenso empfangen werden wie Internetdienste in der Form von Mediendiensten oder Telediensten, etwa E-Mail. Soweit diese Dienste jeweils isoliert angeboten beziehungsweise genutzt werden, ergeben sich keine rechtlichen Besonderheiten. Schwierigkeiten ergeben sich aber dann, wenn sie in einen Angebotsmix eingebunden sind und dem Benutzer zeitgleich und parallel zur Verfügung stehen.

(1) Navigation und Benutzerführung

(27) Angesichts der wachsenden Programmvielfalt und vor allem der Angebotsvielfalt im digitalen Fernsehen gewinnt die Frage, wie sich der Benutzer innerhalb der Angebotsfülle orientieren und eine Auswahl treffen kann, immer größere Bedeutung. Diese Aufgabe wird zunehmend von eigens hierfür entwickelten Instrumenten wie Navigationssystemen und Elektronischen Programmführern übernommen. Im Internet stehen hierfür Suchmaschinen zur Verfügung, soweit nicht die Inhaltsübersichten von Internet-Portalen für die Orientierung innerhalb des Angebots sorgen.

(28) Orientierungshilfen der genannten Art sind zentrale Schlüsselstellen, über die der Zugang zu einzelnen Angeboten und Sendungen gesteuert werden kann. Sie sind deshalb besonders missbrauchsanfällig. Aus diesem Grunde sind sie Gegenstand der rundfunkrechtlichen Regulierung, die insbesondere die diskriminierungsfreie Gestaltung dieser Systeme gewährleisten soll. Für den Bereich der Mediendienste ist zu Recht auf eine entsprechende medienrechtliche Regulierung verzichtet worden, da angesichts des geringeren, vom Internet insgesamt ausgehenden Gefahrenpotentials für die öffentliche Meinungsbildung eine Regulierung nicht geboten erscheint.

(29) Soweit zukünftig im breitbandigen, digitalisierten Kabel über multifunktionale Endgeräte neben Fernsehen auch Internetangebote bereitgehalten werden, wird dadurch das rundfunkrechtliche Gebot diskriminierungsfreier Ausgestaltung der Navigationssysteme nicht hinfällig, sondern bezieht sich dann auf das mediale Gesamtangebot, das unter diesem Navigationssystem angeboten wird.

(2) Interoperabilität und Standardisierung von Schnittstellen

(30) Für die Verknüpfung von Diensten ist es erforderlich, Schnittstellen einzurichten, über die der Nutzer problemlos von einem Dienst in den anderen überwechseln kann. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht empfiehlt sich aber eine weitgehende Standardisierung dieser Schnittstelle, da nur so eine wettbewerbsfördernde Angebotsvielfalt erreicht werden kann. Aus diesem Grunde ist die Verpflichtung, diese Schnittstelle nach einem einheitlich normierten europäischen Standard (derzeit MHP) zu gestalten, in den rundfunkrechtlichen Kanon der staatsvertraglichen Anforderungen für das digitale Fernsehen aufgenommen worden. Die Arbeiten an diesem Standard sind allerdings in dem Maße weiter zu betreiben, wie zusätzliche Funktionen (wie zum Beispiel E-Mail-Empfang u.a.) über diese Schnittstelle angesteuert werden sollen.

(3) Anpassungserfordernisse an die Multifunktionalität der Endgeräte

(31) Die gleichzeitige Verbreitung unterschiedlicher Dienste durch das Kabel und die Multifunktionalität der Endgeräte, über die verschiedenste Dienste zum Teil gleichzeitig genutzt werden können, bedingt eine Vielzahl technischer Abstimmungen. Aus diesem Grunde reklamieren Kabelnetzbetreiber das Recht für sich, die vom Sendeunternehmen angelieferten digitalen Sendesignale eines Programmbouquets durch ein »Remultiplexing« digital neu zu ordnen und gegebenenfalls mit zusätzlichen Steuerdaten zu versehen. Außerdem wird zum Teil verlangt, dass die Kabelunternehmen das Recht haben müssten, die Programme, die sie verbreiten, einer Grundverschlüsselung zu unterwerfen. Schließlich sei es auch aufgrund des Zusammentreffens mit anderen verschlüsselten Angeboten und zu Abrechnungszwecken nötig, bislang unverschlüsselte Rundfunkangebote zu verschlüsseln.

(32) Alle diese durch eine ausgeweitete Funktionalität des Kabels bedingten Forderungen stoßen sich an dem Grundsatz, dass Rundfunkprogramme im Kabel bislang nur zeitgleich und unverändert weiterverbreitet werden. Sie stellen die Unversehrtheit des Signals infrage und rühren damit an leistungsschutzrechtlich wie medienrechtlich geschützten Positionen der Rundfunkveranstalter und verletzen die Integrität des Rundfunkangebots.

(33) In allen diesen Fällen ist die Identität des jeweils übertragenen Rundfunkprogramms beeinträchtigt. Ein solcher Eingriff, der die Herrschaft des Senders über das Sendesignal beeinträchtigt, ist deshalb nur mit Zustimmung des Rundfunkveranstalters zulässig. Eine gesetzliche Regelung wäre in Betracht zu ziehen, wenn es sich herausstellt, dass es angesichts der Marktmacht der Kabelunternehmen in der Praxis zu unbilligen, die Rundfunkveranstalter einseitig benachteiligenden Lösungen kommt.

4. Fazit

(34) Die an den Funktionen der Medien ausgerichtete, bereichspezifische Medienregulierung wird durch Konvergenzerscheinungen nicht grundsätzlich infrage gestellt und sollte beibehalten werden.

(35) Konvergenzprobleme als Folge technischer Fortentwicklung haben bereits zu bereichspezifischen Regelungen geführt. Auch insoweit zeichnet sich kein Harmonisierungsbedarf, sondern allenfalls die bedarfsgerechte Anpassung und Fortentwicklung dieser bereichspezifischen Regelungen ab.

 
 
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