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Meinolf Zurhorst, Subkoordinator Spielfilm/ARTE

ARTE – Der Kinosender

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Meinolf Zurhorst
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Warten auf ein Wunder. Sylvie Testud in »Lourdes« von Jessica Hausner
Warten auf ein Wunder. Sylvie Testud in »Lourdes« von Jessica Hausner


Mysterien im deutschen Wald. Charlotte Gainsbourg in »Antichrist« von Lars von Trier
Mysterien im deutschen Wald. Charlotte Gainsbourg in »Antichrist« von Lars von Trier
 Eine Behauptung? Eine Tatsache? Die anderen Redaktionen der Koordination werden wohl protestierend ihre Stimme erheben. Schließlich ist ARTE der Sender, der dokumentarische Formate pflegt und fördert, der Theater, Musik oder Künstlerporträts produziert und diese zu prominenter Sendezeit ausstrahlt. Im fiktionalen Bereich wagt sich der Kanal an mutige Fernsehspiele und aufregend-ungewöhnliche Serien. Thematische Schwerpunkte und neuerdings Eventprogrammierungen machen den Sender einzigartig in der deutschen wie französischen Fernsehlandschaft. ARTE – der Kinosender?

Der Kinofilm im Fernsehen spielt eine besondere Rolle. Eigentlich passt er nicht auf den kleinen Bildschirm, sondern entfaltet seine Pracht nur auf der großen Leinwand. Andererseits erhöht er die Attraktivität eines jeden Senders beim jungen Publikum. Von seinem Sendebeginn im Jahr 1992 an hat sich ARTE dem Spielfilm verschrieben. Für den französischen Partner eine Selbstverständlichkeit. Die deutsche Seite begleitete dies zunächst mit Skepsis. Das Budget sollte in Neuproduktionen fließen und die Einzigartigkeit des Senders markieren. Doch recht bald erkannte man, dass auch der Spielfilm einem Sender Profil verleiht. So wurden zunächst drei Sendeplätze geschaffen, zwei davon in der Primetime. Zusätzlich der Spielfilm im Sonntags-Themenabend, ebenfalls in der Primetime. Inzwischen ist noch ein weiterer Termin hinzugekommen, »Trash«, auf dem nach Mitternacht Kultfilme, Avantgarde oder wirklicher Trash gezeigt wird. An fünf Wochentagen werden nachmittags Filme wiederholt, insgesamt also zehn feste Spielfilmsendeplätze. Bei der Gestaltung der Sendeplätze vereinbarte man als Unterscheidungsmerkmal die Ausstrahlung der Originalfassung mit deutschen beziehungsweise französischen Untertiteln, wenn immer dies aus lizenzrechtlichen Gründen möglich war. Ein anderes vereinbartes Unterscheidungsmerkmal war die bewusste Abkehr vom Mainstreamkino und die Ausstrahlung anspruchsvoller europäischer Autorenfilme zur besten Sendezeit. Die Filmredaktionen im ARTE-Verbund, insbesondere die im ZDF, machten mit einem Kino bekannt – und tun dies bis heute –, das es schwer hat auf unseren Leinwänden. Das liegt nicht an der Qualität der Filme, es liegt begründet in der schwierigen Situation der Kinos, deren Betreiber nicht mehr den Atem haben, dem Zuschauer Sperriges oder schlicht Unbekanntes anzubieten. Die Zuschauer im ARTE-Sendegebiet sind dankbar, Filme aus ihren Nachbarländern zu entdecken. Filme, die sich dem schnellen Konsum entziehen, die zum Nachdenken anregen, dennoch unterhaltend sind, die herausfordernd sein können, einen inhaltlichen Diskurs anbieten oder ästhetisch Neues versuchen.

Für das europäische Autorenkino sind die Zeiten schwer. Sie sind es eigentlich schon immer gewesen. Sehr früh und aus dem Bewusstsein der Notwendigkeit heraus hat sich ARTE daher entschlossen, in die Produktion von Spielfilmen zu investieren. Kommerzielle Gründe spielten und spielen dabei keine Rolle. Keiner weiß im Voraus, ob ein Film ein kommerzieller Erfolg wird oder nicht, selbst die größten Hollywoodmogule produzierten mehr Misserfolge als Hits. Deshalb sind die Kriterien bei den Koproduktionen von ARTE France und der Filmredaktion ARTE im ZDF vorwiegend künstlerischer Natur. Die Popularität von Schauspielerinnen und Schauspielern war nie von wirklicher Bedeutung, eher ein Nebeneffekt. Wichtig sind uns die Geschichte und die Vision eines Regisseurs.

In den letzten Jahren waren die von uns und von unserem französischen Partner – teilweise auch gemeinsam im so genannten Grand Accord – koproduzierten Werke auf allen wichtigen Festivals dieser Welt zu sehen. Und sie wurden dort ausgezeichnet. Es sind zu viele Preise, um sie alle zu nennen, daher hier nur einige wenige aus diesem Jahr: In Berlin wurde der kleine uruguayische Film »Gigante« von Adrián Biniez mit dem Silbernen Bären, dem Alfred-Bauer-Preis für innovatives Kino und als bester Erstlingsfilm ausgezeichnet. Es folgten Preise in Chicago und San Sebastián. In Cannes erhielt Charlotte Gainsbourg für ihre außergewöhnliche Leistung in »Antichrist« den Preis als beste Darstellerin. In Venedig erhielt der Film »Women Without Men« von Shirin Neshat den Silbernen Löwen für die beste Regie. »Lourdes« von Jessica Hausner erhielt dort vier Preise, in Warschau den Grand Prix. Auf den Filmfestivals in Europa und darüber hinaus ist ARTE ein Begriff für Qualitätskino.

Die Koproduktionen von ZDF/ARTE – das gilt auch für die Produktionen des Kleinen Fernsehspiels mit ARTE – und ARTE France Cinéma stehen für eine besondere Originalität, die anregt, aufregt und nachhaltig ist. Wo, wenn nicht hier, liegt die Besonderheit von ARTE in einer digitalen Fernsehwelt, das Potenzial zur Unverwechselbarkeit in einem kaum noch unterscheidbaren Angebot der anderen Sender? ARTE – der Kinosender?
Die angesprochenen Unterschiede zeigten sich auch im Programm von 2009. Mit einer Reihe von Filmen, für die berühmte Modeschöpfer die Kostüme entworfen haben, setzte die Filmredaktion ARTE einen ersten Schwerpunkt im Januar. Filme von unterschiedlicher Provenienz und Machart, programmiert in einem ungewöhnlichen Zusammenhang. Andere von der Filmredaktion ARTE initiierte Schwerpunkte waren 2009 ein Einblick in das aktuelle russische Filmgeschehen oder mit »Maqbool – Der Pate von Mumbai« und »Fanaa – Im Sturm der Liebe« eine sehr erfolgreiche Reverenz vor Bollywood sowie eine Reihe mit frühen Hitchcock-Filmen. Ein weiterer aufwändiger Schwerpunkt waren Zeitreisen im Film. Für die Filmfans wurden erstmalig alle drei originalen King-Kong-Filme hintereinander in einer großen Filmnacht gezeigt. Zahlreiche von ZDF/ARTE koproduzierte Filme waren als Erstausstrahlungen im Programm, darunter Dito Tsintsadzes »Der Mann von der Botschaft«, »Als der Wind den Sand berührte« von Marion Hänsel oder »True North« von Steve Hudson.

Als vielleicht letzter Sender in Europa widmet ARTE dem Stummfilm einen monatlichen Sendeplatz, dessen herausragende Programme von der Filmredaktion ARTE im ZDF eingebracht werden – Klassiker und Raritäten der internationalen Filmgeschichte, die Kinogeschichte geschrieben haben und die heute noch beeindrucken durch ihre innovative und künstlerische Formensprache. Den Höhepunkt der Wiederentdeckungen stellte 2009 Manfred Noas 1922 entstandener Film «Nathan der Weise« dar, vor der Sendung live als großes Filmkonzert mit dem Bundesjugendorchester in der Philharmonie München präsentiert.

Nicht zu vergessen und Teil der Initiativen der Filmredaktion ARTE ist der Kurzfilm. Jede Woche zeigt »KurzSchluss« neue Filme und lässt die Macher zu Wort kommen, übrigens auch im Internet. Mit einem Sendeplatz für den mittellangen Film ist ARTE ein Unikum in der Fernsehlandschaft. Für die Filmredaktion ARTE im ZDF ist dies die Verbindung zum filmischen Nachwuchs.

Der Ausblick für 2010 sieht zahlreiche Spielfilm-Höhepunkte vor, die ARTE wieder zum Kinosender machen. Parallel zu seiner Welturaufführung auf der Berlinale und in der Frankfurter Paulskirche überträgt ARTE live Fritz Langs – um eine kürzlich in Buenos Aires wiederentdeckte zusätzliche halbe Stunde erweiterten — Klassiker »Metropolis«. Das aufregend neue rumänische Kino wird mit seinen besten Werken vorgestellt. Und mit einigen vom ZDF eingebrachten Western-klassikern erweist ARTE einem klassischen Genre Reverenz, das inzwischen etwas in Vergessenheit geraten ist. Das Herz der Redaktion gehört aber weiterhin dem aktuellen europäischen Kino und seinen vielen Talenten.
 
 
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