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2005  
ZDF Jahrbuch
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Ernst Elitz

Ernst Elitz

Hansi Hinterseer, Dubi Dam Dam und Deutschlandradio
Warum Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur nicht überall zu hören sind

 
Ernst Elitz
Ernst Elitz
 

Zuerst die gute Nachricht! Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts tns emnid unter Politikern, Journalisten, Wirtschaftsmanagern und Führungskräften des Kulturbetriebs ergab für die beiden nationalen Programme des Deutschlandradios – Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur – beste Noten. 64 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass diese beiden werbefreien Angebote mit ihrer Hintergrundberichterstattung führend sind. Gleichauf liegen nur die großen überregionalen Tageszeitungen. Ebenso beeindruckend ist die Beurteilung von Seriosität und Glaubwürdigkeit des nationalen Hörfunks. Auch hier rangieren die beiden Programme mit 69 Prozent an der Spitze. Ganz on top steht der werbefreie nationale Hörfunk bei den Journalisten. Sie bewerten Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur mit 86 Prozent als die seriösesten und glaubwürdigsten Medienangebote Deutschlands.

Der nationale Hörfunk ist eines der Leitmedien der Republik. Angesichts dieser Wertschätzung verwundert es nicht, dass mehr als die Hälfte der deutschen Eliten, die im Alltag auf sachverständige Information und Hintergrundkenntnisse angewiesen sind, diese Programme auch regelmäßig hören – obwohl sie in vielen Regionen nur schwer auf dem gängigen Übertragungsweg UKW zu empfangen sind. Häufig müssen die Nutzer auf Lang- oder Mittelwelle oder auf Satellitenantennen ausweichen. Und eben das ist die schlechte Nachricht. Der Äther ist voller Quietsch- und Dudelradios, aber für Qualitätsangebote sind die Vertriebswege vielerorts noch immer blockiert.

Wer nach den Gründen für diese Blockade forscht, stößt auf ein Krankheitssymptom, das die deutsche Gesellschaft in vielen Sektoren lähmt: auf das Besitzstandsdenken. Die Verteilung der UKW-Übertragskapazitäten fand in zwei Phasen statt. In den 50er Jahren wurden die Landesrundfunkanstalten mit üppigen UKW-Kapazitäten ausgestattet, auf denen sie heute bis zu sieben Radioprogramme ausstrahlen. Insgesamt sind über 60 ARD-Hörfunkprogramme auf Sendung. In einer zweiten Phase erhielten in den 80er Jahren kommerzielle Anbieter die verbliebenen UKW-Frequenzen, während der nach der deutschen Wiedervereinigung gegründete nationale Hörfunk Deutschlandradio mit seinen beiden Grundversorgungsprogrammen für Information und Kultur sich seit dem Beginn der 90er Jahre mit den Resten abspeisen lassen musste.

Drei Viertel der von tns emnid befragten deutschen Eliten wünschten sich für Deutschland nationale Informations- und Kulturprogramme nach französischem oder britischem Vorbild. In Großbritannien strahlt BBC Five rund um die Uhr und für das ganze Land Nachrichten, Interviews und Hintergrundberichte aus – wie der Deutschlandfunk. BBC 3 und BBC 4 widmen sich der klassischen Musik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft und strahlen Hörspiele aus – wie Deutschlandradio Kultur. In Frankreich erfüllen France Cultur und France Info diese Aufgaben. Und so wünschen es sich auch die Befragten für Deutschland. Für sie erfüllen Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur ihren nationalen Auftrag schon nahezu perfekt. Spitzenwerte erhalten dabei die ausführlichen Nachrichtensendungen, die politischen Interviews, die kulturellen und politischen Features, Kommentare, Wirtschaftssendungen und Presseschauen. Deutschlandradio passt sich mit beiden Programmen nicht dem vorherrschenden Trend zur Entwortung an. Das ist sein USP (Unique selling proposition), sein Alleinstellungsmerkmal.

Wenn über den unterschiedlichen Auftrag des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks debattiert wird, ist die Grenzlinie einfach zu ziehen: Die renditeorientierten kommerziellen Radio- und Fernsehangebote senden, was ankommt, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sendet, »worauf es ankommt«. Da alle Gebühren zahlen, müssen die gebührenfinanzierten Programme in ihrem Gesamtbouquet auch jedem Geschmack gerecht werden. Der entscheidende Orientierungsmaßstab für die öffentlich-rechtlichen Anbieter ist jedoch ihre gesellschaftspolitische Verantwortung (Public Value), während die Kommerziellen vom Vollprogramm RTL bis zum reinen Erlösfernsehen Neun Live und ihren rund 250 Radiostationen unreflektiert Publikumswünsche und Shareholdervalue bedienen. Dass Deutschlandradio mit seinen öffentlich hoch bewerteten werbefreien Qualitätsangeboten gleichsam ein Synonym für den Public-Value-Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verkörpert, wird niemand bestreiten. Umstritten aber bleibt, warum den Hörern die Möglichkeit vorenthalten wird, diese Angebote überall in Deutschland in bester Qualität zu empfangen. Was für Hansi Hinterseer, Jennifer Lopez und Dubi Dam Dam frequenztechnisch möglich ist, sollte auch für die Nachrichten des Deutschlandfunks und die Kultursendungen des Deutschlandradios gelten. Der Deutschlandfunk verzeichnete bei der letzten Media-Analyse einen phänomenalen Zuwachs von zehn Prozent. Insgesamt nutzen über acht Millionen Deutsche regelmäßig die beiden nationalen Radioprogramme. Ihre Zahl könnte bei entsprechender Verbreitung doppelt so hoch sein.

Dabei ist der Gedanke, gerade anspruchsvolle und mit einem entsprechenden Aufwand produzierte Qualitätsprogramme überall hörbar zu machen, der Politik nicht fremd. Die Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, Georg Milbradt und Peer Steinbrück forderten schon vor Jahren eine Inventur der in Deutschland angebotenen Radioprogramme mit dem Ziel: »Freiwerdende Frequenzen sollen die Empfangsmöglichkeiten des Deutschlandradios verbessern und den Verzicht auf teure Frequenzen mit geringerer Reichweite ermöglichen.« Es gibt durchaus Beispiele für eine zukunftsorientierte Medienpolitik. In Hessen wurden Kapazitäten des Hessischen Rundfunks für den Deutschlandfunk bereitgestellt, in Bayern eine ehemalige AFN-Frequenz auf Deutschlandradio Kultur umgeschaltet. Auf den Münchener Medientagen verwies der Chef der Bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber, auf die »berechtigten Ansprüche des Deutschlandradios«, und der medienpolitische Sprecher der CDU im nordrhein-westfälischen Landtag, Michael Brinkmeyer, möchte neben einem »neuen, landesweit hörbaren Privatfunk« auch »neue Frequenzen für das Deutschlandradio, damit es überall zu hören ist«. Auch Landesmedienanstalten – wie die Medienanstalt Berlin-Brandenburg – plädieren für eine Frequenzneuaufteilung und teilen den zögerlichen Politikern mit: »Sie würden staunen, wie viel zusätzliche UKW-Sendemöglichkeiten« entstünden.

Rundfunkfreiheit wird falsch verstanden, wenn diejenigen, die über eine Vielzahl von Frequenzen verfügen, sich die Freiheit nehmen, eine wirtschaftliche Neuaufteilung zu verhindern. Und Rundfunkhoheit der Länder kann nicht bedeuten, dass man diesen Zustand schulterzuckend hinnimmt. Wenn die Politik sich als ideeller Gesamtrundfunkrat der Gesellschaft versteht, wird sie in ihren Struktur- und Gebührendebatten den Qualitätsgesichtspunkt stärker verankern müssen und jene Sender honorieren, die bei diesem Qualitätswettbewerb Spitzenpositionen erreichen und das auch für die Zukunft versprechen. Effizienzsteigerung muss für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch Qualitätssteigerung sein. Die Rundfunkgebühr ist eine Qualitätssicherungsgebühr. Der Gebührenzahler aber darf verlangen, dass die Qualität ihm auch tatsächlich frei Haus geliefert wird. Qualität ist vorhanden. Nur einige Vertriebswege sind verstopft.
 
 
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