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Nina Goslar

Filmgeschichte auf ARTE
Stumm waren vielleicht die Filme, das Kino jedoch nie ...

 
Nina Goslar
Nina Goslar


Rot für Feuer und Leidenschaft
Rot für Feuer und Leidenschaft


Blau für die Nacht: zwei Szenen aus »Die schwarze Kugel« (Deutschland 1913)
Blau für die Nacht: zwei Szenen aus »Die schwarze Kugel« (Deutschland 1913)


Filmavantgarde aus Ost und West: »Das Mädchen Sumiko« (1929)
Filmavantgarde aus Ost und West: »Das Mädchen Sumiko« (1929)


und »La coquille et le clergyman« (1927)
und »La coquille et le clergyman« (1927)
 

Mit Walt Disneys frühen Trickfilmen feierte ARTE im April 2005 ein kleines Jubiläum, das manchen Filmliebhaber noch einmal spät vor den Bildschirm lockte. Drei Filme aus der legendären »Alice«-Serie eröffneten die 100. Sendung der Reihe Stummfilm des Monats/Le muet du mois, in der seit 1997 allmonatlich ein Stummfilm präsentiert wird. Dazu erklang die Musik, die Paul Dessau 1928 für die deutsche Kinopremiere dieser originellen »Alice«-Filme komponiert hat, produziert von ZDF/ARTE als einem der drei ARTE-Pole, die das Stummfilmprogramm gestalten; das ZDF ist dank seiner zahlreichen Eigenproduktionen dabei der aktivste Pol.

Das Engagement für die frühe Filmgeschichte hat im ZDF Tradition. Da war es lange Jahre Jürgen Labenski, der zusammen mit seinem Musikkollegen Gerd Luft die Renaissance des Stummfilms in den 80er Jahren einleitete und sich dabei große Verdienste erwarb. Jetzt ist es eine jüngere Generation von Cineasten in den Fernsehredaktionen und Archiven, die die Zusammenarbeit suchen und neue Restaurierungstechniken erproben – und damit sowohl den Filmbestand sichern als auch filmhistorisch wertvolle Programme bieten.

Dank dieser Zusammenarbeit konnte ZDF/ARTE in den letzten Jahren eine Reihe aufregender Stummfilm-Projekte initiieren und live präsentieren, wie allein im Jahr 2005 die Restaurierung der Schnitzler-Verfilmung »Fräulein Else«, die Aufarbeitung der Filme der französischen Filmpionierin Germaine Dulac (die vom Pariser Musée d’ Orsay mit einer Retrospektive zeitgleich zur ARTE-Ausstrahlung geehrt wurde) oder die Rekonstruktion früher deutscher Avantgardefilme und des lange Zeit vernachlässigten »Rosenkavalier«-Films nach der Musik von Richard Strauss.

Nur wenige Schätze der Pionierzeit des Kinos haben unbeschadet überlebt. Vieles ging in den Kriegswirren verloren und wurde in der Stummfilmzeit selbst zensiert und gekürzt. Entsprechend aufwändig sind Filmrestaurierungen. Nur durch eine systematische Sichtung sämtlicher Materialien finden viele Filme zu ihrem ursprünglichen Rhythmus, werden zensierte Geschichten wieder brisant, erst durch Restaurierungen kommt die herausragende Qualität der damaligen Filmfotografie in den Blick und kehren schwarzweiß überlieferte Filme zu ihrer originalen Farbigkeit zurück: Das Kino der Frühzeit war bunt und laut, eine Juke-Box großer Gefühle und cineastischer Erfindungen.

Dieses Kinoerlebnis wieder herzustellen ist Aufgabe und Privileg zugleich; die Archive brauchen Partner und finden in den öffentlich-rechtlichen Anstalten ideale Verbündete. Denn die öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten haben der kommerziellen Filmwirtschaft eines voraus – sie haben einen anderen Qualitätsbegriff, der sich nicht ausschließlich an finanziellen Kategorien orientiert. Dabei entstehen leistungsstarke Netzwerke.

Hier verfügt die deutsche Seite über beträchtliche Ressourcen, und so ist es im Verbund der ARTE-Pole insbesondere die ZDF/ARTE-Spielfilmredaktion, die bei der Wiedereinspielung historischer Originalmusiken die Zusammenarbeit mit den Orchestern der ARD sucht. Im vergangenen Jahr wurde die Aufnahme der Filmmusik von Dmitri Schostakowitsch »Das Neue Babylon« mit dem Rundfunkorchester des SWR realisiert, in zwei Liveaufführungen wurde sie öffentlich präsentiert.

Im Jahr zuvor war es ein anderes spektakuläres Projekt, das überregionale, und in diesem Fall auch internationale Beachtung fand: die Liveaufführung der rekonstruierten Originalmusik von Sergej Prokofjews »Alexander Newski«, koproduziert mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, das mit diesem Projekt auch in Moskau gastierte und dabei einen der Höhepunkte der Deutsch-Russischen Kulturbegegnungen 2004 vorstellte.

Mit seinem historischen Filmprogramm hat ARTE eine kleine Enzyklopädie der internationalen Filmgeschichte geschaffen. Die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Fernsehens kann nur in der Nachhaltigkeit liegen – und so, wie ARTE mit hochkarätigen Dokumentationen im Kultur- und Politikbereich ein audiovisuelles Gedächtnis schafft, so versteht es dieser Sender im Filmbereich als seine Aufgabe, Filme zu sichern und der Allgemeinheit zugänglich zu machen.

Dabei lehrt die Beschäftigung mit dem Filmerbe eine wichtige Einsicht: Was wir heute als den »Großen Stummfilm« rezipieren, war zu seiner Zeit ein Minderheitenprogramm. Das Publikum wollte andere Kinosensationen, keine Kunstfilme von Jean Epstein, Friedrich Wilhelm Murnau oder Paul Leni. Im ewigen Antagonismus von Filmwirtschaft und Filmkunst hatten es die cineastischen Filme immer schwer, letztendlich aber überlebten sie die Ware, die für den schnelllebigen Markt produziert wurde – und finden auf ARTE wieder ein neues und qualitätsbewusstes Publikum.
 
 
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