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2004  
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Carl-Eugen Eberle

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk auf dem Prüfstand der EU-Kommission
Zwischenbilanz der beihilferechtlichen Verfahren

 
Carl-Eugen Eberle
Carl-Eugen Eberle
              
 

Aufgrund verschiedener beihilferechtlicher Beschwerden, unter anderem des Privatfunk-Verbands VPRT, findet derzeit eine umfassende Überprüfung der Beauftragung und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland durch die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission statt.

Zielrichtung und Begründetheit der Beschwerden

Die Prüfung betrifft im Kern drei Themenkreise:

  • Auftragsdefinition: Hier lautet der Vorwurf der Beschwerdeführer, es fehle an einer gehörigen Beauftragung beziehungsweise das ZDF übe – insbesondere im Onlinebereich – Tätigkeiten aus, die von seinem Auftrag nicht gedeckt seien.
  • Überkompensation: Die Beschwerdeführer rügen hier, der öffentlich-rechtliche Rundfunk erhalte mehr Geld, als er für die Erfüllung seiner Aufgaben benötigte, insoweit handele es sich um eine unzulässige Beihilfefinanzierung.
  • Transparenz: Es wird behauptet, es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Quellen ARD und ZDF Geld erhalten und wie diese Gelder anschließend verwendet werden. Insbesondere wird unterstellt, ARD und ZDF missbrauchten Gebührengelder zur Quersubventionierung ihrer kommerziell tätigen Beteiligungsunternehmen und verzerrten damit in unzulässiger Weise den Wettbewerb.

Die Bundesrepublik Deutschland hat auf entsprechende Ersuchen der Generaldirektion Wettbewerb umfassend Auskunft erteilt. In dieser ebenso umfänglichen wie transparenten Darstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems in Deutschland und dessen Finanzierungsgrundlagen wurde dargelegt, dass die in den Beschwerden enthaltenen Vorwürfe und Behauptungen gegenstandslos sind. Für das ZDF gilt dabei insbesondere Folgendes:

  • Das ZDF verfügt über eine detaillierte Auftragsdefinition. Alle Fernsehaktivitäten, das heißt das ZDF-Programm, die Mitwirkung an 3sat, PHOENIX, Kinderkanal und ARTE sowie die Veranstaltung und Ausstrahlung des digitalen Programmbouquets sind ausdrücklich gesetzlich normiert und inhaltlichen und formalen Bindungen unterworfen. Das gilt in gleicher Weise für Begleitangebote wie den Fernsehtext und die Onlineangebote.
  • Eine Überkompensation des ZDF ist dadurch ausgeschlossen, dass der für die Aufgabenerfüllung erforderliche Finanzbedarf in einem sachgerechten, hochkomplexen und außerordentlich transparenten Verfahren detailliert ermittelt wird. Mit der Anwendung des Verfahrens ist die mit unabhängigen und fachlich speziell ausgewiesenen Mitgliedern besetzte Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) befasst.
  • Das ZDF ist darüber hinaus zahlreichen Transparenzinstrumenten unterworfen. Die KEF-Berichte über seinen Finanzbedarf sind ebenso für jedermann zugänglich wie die Jahresabschlüsse. Das ZDF berichtet regelmäßig gegenüber sämtlichen Landtagen über seine wirtschaftliche Lage und ist zur transparenten Konzernrechnungslegung verpflichtet. Über jeden eingenommenen und ausgegebenen Euro wird nachvollziehbar Rechenschaft abgelegt, die Rechnungslegung wird bis in unsere Tochterunternehmen hinein vom Landesrechnungshof geprüft. Darüber hinaus wird an der Entwick- lung eines »Code of Conduct« gearbeitet, der wettbewerbsrechtlich einwandfreies Verhalten der Anstalten und ihrer Tochterunternehmen bei ihren gewerblichen Aktivitäten gewährleisten soll.
  • ARD und ZDF sind sich mit Bund und Ländern einig, dass die deutsche Rundfunkgebühr keine Beihilfe im Sinne des europäischen Beihilferechts darstellt. Sie haben dies anhand der Kriterien, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) hierzu in seiner Rechtsprechung entwickelt hat, ausführlich dargelegt.

Intentionen der Generaldirektion Wettbewerb

Ein Gespräch, das von Vertretern der Rundfunkanstalten in Brüssel geführt wurde und dessen Ergebnisse durch Indiskretion der Presse zugespielt worden sind, hat erkennen lassen, wie die Generaldirektion Wettbewerb die Beschwerden zu behandeln beabsichtigt. Danach ist zu erwarten, dass die Generaldirektion Wettbewerb das Beihilferegime ungeachtet der auf die Rechtsprechung des EuGH gestützten Einwendungen auf die Finanzierung von ARD und ZDF anwenden wird. Dies würde es der Generaldirektion Wettbewerb erlauben, dem deutschen Rundfunkgesetzgeber Maßnahmen vorzuschlagen und gegebenenfalls als Auflagen anzuordnen und durchzusetzen, wie die Finanzierung und darüber hinaus die Betätigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland entsprechend den wettbewerbsgeprägten Vorstellungen der Beamten der Generaldirektion Wettbewerb zu gestalten ist.

Die Brüsseler Gesprächspartner haben deutlich gemacht, dass es ihnen vor allem um den Schutz kommerzieller Aktivitäten Dritter geht, namentlich im Onlinebereich und bei zukunftsgerichteten neuen Technologien. Aber auch das Angebot gebührenfinanzierter Spartenprogramme im Free TV wird kritisch gesehen, weil es die Chancen für entsprechende Pay-TV-Angebote beeinträchtige. Der Generaldirektion Wettbewerb geht es ersichtlich vor allem darum, das Entstehen neuer Märkte und die Entwicklung kommerzieller Geschäftsmodelle für entgeltliche Mediendienstleistungen dadurch zu fördern, dass für die Nutzer unentgeltliche, werbefreie und gebührenfinanzierte Angebote gar nicht erst zugelassen werden. Im Endeffekt kann das dazu führen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf diejenigen Angebote beschränkt wird, die vom Markt nicht erbracht werden.

Mit diesen einseitig wettbewerbs- und marktorientierten Vorstellungen deutet die Generaldirektion Wettbewerb das deutsche Konzept einer Rundfunkfreiheit mit gemeinwohlorientierter, dienender Funktion in ein Individualrecht auf freie wirtschaftliche Entfaltung um. Sie betrachtet die Betätigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Eingriff in den freien Wettbewerb, der nur unter engen Vo- raussetzungen gerechtfertigt werden darf, und stellt damit das in Deutschland geltende Prinzip für die Organisation des Rundfunks auf den Kopf. Damit verstößt die Generaldirektion Wettbewerb gegen geltendes europäisches Recht und überschreitet die rechtlichen Grenzen ihrer Kompetenz.

Dies gilt zuvörderst für die Überdehnung des Beihilfebegriffs, die sich offen über die vom EG-Vertrag und dem Europäischen Gerichtshof bewusst ausgesprochenen Eingrenzungen hinwegsetzt. Nach dem Willen der vertragschließenden Mitgliedstaaten sollte nicht jede Form der staatlich initiierten Gestaltung der Lebensverhältnisse in den Staaten der EU der Beihilfekontrolle der Kommission unterworfen werden. Nur solche Maßnahmen sollten der Beihilfeaufsicht unterfallen, zu deren Finanzierung staatliche Mittel eingesetzt werden. Dementsprechend hat der EuGH der schlicht auf die Wirkung einer Maßnahme abstellenden Betrachtungsweise der Kommission und deren weiter Auslegung des Begriffs der staatlichen Mittel eine Absage erteilt: Maßnahmen, die zwar vom Staat veranlasst, aber von Privaten finanziert werden, sind nicht als Beihilfe zu qualifizieren. Dies muss auch für die deutsche Rundfunkgebühr gelten, die nicht vom Staat, sondern von den Rundfunkteilnehmern direkt aufgebracht wird und die mangels ihrer Herkunft aus staatlichen Haushalten auch keine Beihilfe darstellt.

Die Brüsseler Wettbewerbshüter geraten jedoch auch durch die detaillierte Überprüfung der Aktivitäten von ARD und ZDF in Konflikt mit dem europäischen Recht. Das Amsterdamer Protokoll zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Europa ist Bestandteil des EG-Vertrags und der künftigen Europäischen Verfassung. Es stellt die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weitgehend von den Vorschriften des EG-Vertrags frei. Vor allem wird darin anerkannt, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, über Aufgaben, Organisation und Finanzierung ihres jeweiligen öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu entscheiden. Die Prüfung der Generaldirektion Wettbewerb muss sich deshalb auf die Frage beschränken, ob die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entsprechend dem nationalen Rundfunkauftrag erfolgt.

Auf diesen Prüfungsmaßstab hat sich die Kommission in ihrer Mitteilung über die Anwendung der Beihilfevorschriften auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbst beschränkt. Danach ist die mitgliedstaatliche Auftragsdefinition für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur auf offensichtliche Fehlbeurteilungen (»manifest errors«) zu prüfen. Diese Befugnis ist mithin auf eine Art Evidenzkontrolle darüber beschränkt, ob die Mitgliedstaaten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für Aufgaben finanzieren, die offensichtlich keinen meinungspluralistischen Zielen dienen. Entgegen diesen Vorgaben wird diese Kompetenz nun aber in den Vorprüfungen der Beschwerden von den Beamten der Generaldirektion Wettbewerb auf eine detaillierte Fachaufsicht über die Rundfunkanstalten selbst erweitert. Dies kommt etwa in Vorhaltungen darüber zum Ausdruck, dass einzelne Onlineangebote von ARD und ZDF wie zum Beispiel Spiele oder Links die Schranken der Online-Ermächtigung überschritten. Dies zu beurteilen ist jedoch Sache der zuständigen rundfunkinternen Aufsichtsgremien, der staatlichen Rechtsaufsicht oder – im Falle wettbewerbsrechtlicher Klagen – der Gerichte, keinesfalls aber der EU-Kommission.

Fortgang der Beschwerdeverfahren, Konsequenzen für die Zukunft

Durch das von den Beschwerden ausgelöste Verfahren droht unter dem Deckmantel der Gewährleistung des freien Wirtschaftsverkehrs eine nachhaltige Beschneidung der Länderkompetenzen im Bereich des Rundfunks. Von dieser Kompetenzeinbuße sind sowohl das Recht zur Ausgestaltung der Rundfunkordnung als auch die Aufsicht über die Aufgabenerfüllung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betroffen.

Sollte die Generaldirektion Wettbewerb die deutsche Gebührenfinanzierung tatsächlich als Beihilfe einstufen und Maßnahmen vorschlagen, wie die deutsche Rundfunkordnung ihren Vorstellungen entsprechend durch gesetzliche Regelungen zu ergänzen ist, so werden Bund und Länder zu überlegen haben, ob sie sich dieser Sichtweise beugen. Zwar wird sich zeigen, dass die aktuell zu erwartenden Forderungen – getrennte Buchführung für kommerzielle Aktivitäten von ARD und ZDF, Sicherstellung und verstärkte Kontrolle darüber, dass kommerzielle Aktivitäten nicht durch Verwendung von Gebühren wettbewerbsverzerrend quersubventioniert werden – faktisch schon heute weitgehend realisiert sind. Deshalb haben ARD und ZDF auch angeboten, diesen Anforderungen durch die Verpflichtung auf einen noch zu erarbeitenden wettbewerbsrechtlichen Verhaltenskodex nachzukommen, ohne sich freilich damit zugleich dem beihilferechtlichen Regime zu unterwerfen. Auch ist zu vermuten, dass sich bestimmte Kreise in der medienpolitischen Diskussion an diesen – vermeintlich harmlosen – Forderungen nicht nur nicht stören, sondern sie sogar begrüßen werden.

Die Gefahr besteht aber darin, dass mit der Unterwerfung unter das Beihilferegime den Beamten der Generaldirektion Wettbewerb ein weit reichendes Mitsprache-, wenn nicht sogar ein Mitentscheidungsrecht darüber eingeräumt wird, wie Aufgaben und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland künftig ausgestaltet werden. Dies würde für die künftige Einlösung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Entwick- lungsgarantie von ARD und ZDF von zentraler Bedeutung sein. Das Mitspracherecht der Generaldirektion Wettbewerb kann nämlich nicht nur durch jede beliebige künftige Beschwerde aktiviert werden, es besteht darüber hinaus fortlaufend und kann von der Kommission jederzeit wahrgenommen werden. Eine dauerhafte Rechtssicherheit gegenüber beihilferechtlichen Eingriffen wird es also nicht geben. Hinzu kommen umfangreiche kontinuierliche Berichterstattungspflichten, denen Bund und Länder auf dem Sektor des öffentlich-rechtlichen Rundfunks künftig unterfallen würden. Vor allem aber lässt sich überhaupt nicht ausschließen, dass – ungeachtet des Amsterdamer Protokolls – eine dogmatisch vorwiegend an wettbewerbs- und marktorientierten Vorstellungen ausgerichtete europaweite Nivellierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Platz greift, wie sie sich jetzt schon anhand der parallelen Handhabung und Ausrichtung gleichgerichteter Beschwerdeverfahren in unterschiedlichen Mitgliedstaaten abzeichnet. Den Ländern droht eine schleichende Aushöhlung ihrer Kompetenzen auf dem Rundfunksektor, bislang sorgsam gehütetes Hausgut ihrer Gesetzgebungshoheit.

Für den Abschluss der beihilferechtlichen Beschwerdeverfahren steht also viel auf dem Spiel. Betroffen sind neben den Rundfunkanstalten vor allem die Länder, deren alleinige Gesetzgebungshoheit infrage gestellt wird. Die Erfahrungen, die mit den Landesbanken gemacht wurden, müssen sich dabei nicht wiederholen: Deren beihilferechtliche Stellung war viel schwächer als die der Rundfunkanstalten, da sie weder hinsichtlich ihrer definierten Aufgabenstellung noch hinsichtlich der Modalitäten ihrer Finanzierung den beihilferechtlichen Anforderungen genügten. Vor allem aber konnten sie sich nur auf eine (unverbindliche) Protokollerklärung berufen und nicht, wie die Rundfunkanstalten, auf ein verbindliches Protokoll, nämlich das Amsterdamer Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Europa, das die gleiche Rechtsverbindlichkeit wie der EG-Vertrag (und künftig die Verfassung) selbst besitzt. Letztlich ist aber zu hoffen, dass in den anstehenden Gesprächen eine Lösung gefunden wird, die, dem Gebot der kompetenzrechtlichen Rücksichtnahme folgend, die rechtlich geschützten Interessen aller Beteiligten wahrt.

 
 
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