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2005  
ZDF Jahrbuch
Grundlagen der Programmarbeit
Kristina Hansen
Ulrich Berls
Eva Appel/
Ingeborg Feilhauer
Susanne Kayser/ Ursula Dehm
Heinz Gerhard
Hans-Joachim Strauch
Joachim Krischer

Eva Appel/Ingeborg Feilhauer

Kreativität kann man in Tüten und in Badewannen füllen

 
Eva Appel
Eva Appel


Ingeborg Feilhauer
Ingeborg Feilhauer


Kreative am Werk
Kreative am Werk


Kreative am Werk
Kreative am Werk
 

Sie war sehr in Verruf geraten, die Kreativität, hatte etwas von 70er-Jahre-Spinnereien, Gruppenarbeit von der Kinderkrippe bis zur Uni, Selbstverwirklichung und Töpfern in der Toskana. Im Zeitalter von Effizienzsteigerung und Aufwandsminderung nahezu ein Anachronismus.

Nun wendet sich das Blatt, und das ZDF darf in diesem Zusammenhang durchaus als Trendsetter bezeichnet werden. Sogar 1 500 Philosophen aus dem In- und Ausland widmeten sich während ihres 20. Kongresses hauptsächlich dem Thema »Kreativität«. In über 200 Vorträgen versuchten sie, der Sache auf den Grund zu gehen. Die Vielfalt erstaunt nicht. Steckt in dem erst spät in den Sprachgebrauch genommenen Wort nicht nur das »kreieren« und die »Kreatur« und die »création«, sondern auch das lateinische »credo«, also der Glaube, und die »creta«, die Kreide. Beides sind nachgerade Insignien und Sinnbilder von Kreativität. Denn ohne den Glauben an die Schöpfungskraft, die eigene und die der anderen und ohne entsprechendes Handwerkszeug, unter anderem die Kreide, geht es nicht. Wenn es denn stimmt, dass Not erfinderisch macht, dann muss, nach dem Programm dieses Kongresses zu urteilen, die Not ziemlich groß sein, da anhand des Themas Kreativität fast alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens ausgelotet wurden. Und das Ergebnis: Es ist vielmehr die Balance von Anspannung und Entspannung, die zu schöpferischen Vorgängen führen kann. Durchaus eine Erkenntnis aus den 70ern.

Dem Neuen eine Chance geben
Das wichtigste aber für die Entwicklung von Kreativität scheint uns der Respekt zu sein, der ja unmittelbar an den Glauben gekoppelt ist, denn es gibt keine schlechte Idee, sondern allenfalls den falschen Zeitpunkt für eine Idee, und deshalb muss jeder/jede kreativ Tätige bereit sein, auch für den Papierkorb oder die sprichwörtliche Schublade zu arbeiten. Es ist nicht nur die Freigebigkeit, die die Kreativen auszeichnet, sondern auch die Mischung aus Beharrlichkeit und dauerndem Verwerfen und Neuschaffen, die für Kreative nahezu lebenswichtig ist: mit Ablehnung umgehen, sich für Ideen stark machen, ohne missionarisch zu wirken, dieselben Ideen wieder neu verpacken, sich immer wieder trennen und immer wieder von neuen Ideen begeistern lassen.

Ideen in Tüten und Badewannen füllen
Da sind wir inzwischen sehr viel pragmatischer als in den 70ern. Kreativität lässt sich portionieren, in Tüten packen und in Badewannen füllen, trotzdem braucht sie Schutz und Freiräume. Deswegen war es allerhöchste Zeit, dass 2002 endlich der Tarifvertrag »Erlösbeteiligung gem. §14 MTV« abgeschlossen wurde und der Kreativitätsfonds – neben dem Sozialfondsausschuss – im ZDF seine Arbeit aufnehmen konnte. Ein paritätisch besetzter Ausschuss, drei Vertreter des ZDF und drei der Gewerkschaften – normalerweise das Ende jeder Kreativität – tagte zu seiner konstituierenden Sitzung im November 2003.

Was danach geschah, ist eine ganze Menge. Zuerst ging es darum, den KFA, der mit einem ziemlich sperrigen Namen daherkommt, im ZDF bekannt zu machen. Der Auftakt mit dem Wiener Michael Thanhoffer machte allen klar: Kreative sind Ja-Sager. »Das hatten wir schon«, »das ist nichts Neues«, »das will keiner sehen« sind der Tod jeder Idee und Killer für das zarte Pflänzchen Kreativität, deshalb steht am Beginn eines jeden Prozesses der Grundsatz: »Wir sagen Ja«. Differenzieren und auswählen können wir später, erst muss alles auf den Tisch. In den Ideen-Workshops des KFA werden in der ersten Phase etwa 10 000 Ideen produziert und in die Badewanne gefüllt. Das geht natürlich nur, wenn die Offenheit für jeden kuriosen Einfall, getreu dem Motto Thanhoffers »Die Kreativen müssen ‚spinnen’ können«, besteht.

Wer Innovationen fordert, muss Kreativität fördern
Weshalb tun sich große Institutionen so schwer mit der Kreativität? Große Institutionen brauchen verlässlichen und regelmäßigen Output, der sich nur mit einfachen, klaren Regeln organisieren lässt. Kreativität und das Ausprobieren von Neuem wirken da störend. Plötzlich hat der Mitarbeiter eine tolle Idee. Das bringt die Abläufe zuerst einmal durcheinander und macht Arbeit, und zwar meist den Chefs, die zu allem Übel dann auch noch eine Entscheidung treffen müssen. Innovationen und Kreativität bergen außerdem das Risiko des Scheiterns, das niemand gerne freiwillig eingeht, deshalb bedarf Kreativität des Schutzes.

Der KFA bietet diesen Schutz, und zwar allen, die denken, oder auch nur das Gefühl haben, dass sie eine innovative Programmidee haben. Sie können mit Unterstützung des KFA mit dieser Idee weiterkommen. Und weiterkommen bedeutet auch, endlich jemand zu finden, der sich mit dieser Idee wirklich befasst und ihre Verwirklichung fördert. Förderung verpflichtet allerdings auch. Denn erst bei der intensiveren Beschäftigung mit der eigenen Idee wird einem manchmal klar, dass man selbst gar nicht wirklich davon überzeugt ist, und dass die Idee verändert werden muss, um Bestand und Realisierungschancen zu bekommen.

»Ich hab’ da ’ne Idee, was mach’ ich jetzt damit?!«
Das Rad muss ja nicht völlig neu erfunden werden, denn auch bisher gab es Ansprechpartner für kreative Prozesse: die Aus- und Fortbildung, die ZFP, die Formatgruppe in der Programmplanung. Der KFA nutzt diese Strukturen und ist Wegweiser.

Die individuellen Programmideen werden gefördert, um präsentables Material zu fertigen, wie im Falle von »Singles«, »Die letzte Jaghanerin«, »Wirtschaftwunder«, »ZDF.musik – das Magazin«, »Chaosküche« und »notes on notes«. Ziel ist immer, dass innovatives Programm entsteht, das im günstigsten Fall (»Singles«, »Chaosküche«) direkt ins Programm übernommen werden kann oder aber als Steinbruch für künftige Formate dient. Dabei sind die Vernetzung von Kolleginnen und Kollegen mit ähnlichen oder verwandten Ideen und Programmvorschlägen und die Intensivierung des Austausches darüber, die Zusammensetzung einer kreativen Zelle und die Vermittlung eines Coaches oft die entscheidenden Faktoren.

Im größeren Stil findet das mittlerweile bei den Ideen-Workshops statt. Fast 200 Kolleginnen und Kollegen haben in diesem Jahr in ihrer Freizeit in strukturierten Abläufen Ideen zu den Themen »Musik«, »Nachrichten« und »Wissen« entwickelt. Hier setzt der KFA auf die Verbindung von Impulsen von außen mit dem kreativen Potenzial des ZDF. Eine hochexplosive Mischung aus Profis, Thema-affinen Kolleginnen und Kollegen und Ideen-Input von außen (Tim Renner, Dieter Lesche und Gregor Heussen) ermöglicht es – in relativ kurzer Zeit – alles, was zu einem Thema in Umlauf ist, zu sammeln und der jeweiligen Fachredaktion zur Verfügung zu stellen. Der besondere Charme liegt in zweierlei: Einerseits werden wirklich so gut wie alle möglichen Ideen ausgespuckt, und andererseits steht dieser Pool, der ausschließlich aus ZDF-eigenen Ideen entstanden ist, der Redaktion für alle Zeiten zur Verfügung, im Zweifelsfalle für den richtigen Zeitpunkt.

Die Erkenntnisse sind so einfach und überzeugend wie übrigens jede gute Idee: Jeder kann kreativ sein, gemeinsame Kreativität stärkt das »Involvement«, und es bleibt die spannende Frage: Welches ist die innovativste Idee des ZDF?
 
 
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