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2002  
ZDF Jahrbuch
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Jürgen Schmelzer/Berthold Tritschler

Jürgen Schmelzer/Berthold Tritschler

Produktionstechnik im Hochwassereinsatz

 
Jürgen Schmelzer
Jürgen Schmelzer


Berthold Tritschler
Berthold Tritschler


Dramatische Notdeichsicherung in Bitterfeld
Dramatische Notdeichsicherung in Bitterfeld


Verzweiflung angesichts der Wassermassen
Verzweiflung angesichts der Wassermassen
              
 

Eine große Katastrophe hat uns dieses Jahr im August getroffen: Weit über vier Millionen Menschen sind von den Überschwemmungen betroffen, die nach schweren Unwettern über Wochen weite Teile Bayerns, Sachsens, Sachsen-Anhalts, Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns und Niedersachsens überflutet hatten. Hunderttausende mussten vor den Wassermassen fliehen oder evakuiert werden, viele tausend beklagen die Zerstörung ihrer Wohnungen und Häuser, verloren ihr Hab und Gut; unschätzbare Kunstgegenstände sind zerstört oder schwer beschädigt – gerade in den neuen Ländern, wo in den letzten Jahren so intensiv Aufbau- und Rekonstruktionsarbeiten geleistet worden sind.

In den Tagen der Flutkatastrophe konnte aber auch die Erfahrung großer Solidarität und Hilfsbereitschaft auch innerhalb des ZDF gemacht werden. Nicht nur die Mitarbeiter der tangierten Landesstudios, die zum Teil persönlich betroffen waren, sondern auch die Kollegen des Geschäftsbereichs Außenübertragung, die sowohl geplante Einsätze als auch Sondereinsätze zum Hochwasser in diesen Regionen hatten.

Im Folgenden eine Chronik der Ereignisse, die das Zusammenspiel der Produktionstechnik aufzeigen soll:

Donnerstag, 8. August: Starke Niederschläge im Einzugsgebiet der Moldau haben zu einem raschen Pegelanstieg am Oberlauf der Elbe geführt.

Sonntag, 11. August: Nachdem der Deutsche Wetterdienst weiterhin vor sehr ergiebigen Niederschlägen gewarnt hat, gibt das sächsische Landesamt für Umwelt und Geologie eine Hochwasserwarnung für die Nebenflüsse der oberen Elbe heraus. Es wird mit einem schnellen Wasseranstieg gerechnet.

Mittwoch, 14. August: Erste Ausläufer der Flutwelle erreichen Sachsen-Anhalt, nach Deichbrüchen gilt unter anderem der Chemiepark Bitterfeld als bedroht. In Dresden erreicht der Wasserstand die Sieben-Meter-Marke, die ufernahen Straßen stehen unter Wasser. Der Hochwasserscheitel hat Prag noch nicht erreicht. Es wird ein Anstieg von mehr als drei Metern prognostiziert.

Donnerstag, 15. August: In Dresden sind bei einem Wasserpegel von acht Metern alle Deiche überschwemmt. Südlich von Magdeburg wird das Pretziner Wehr geöffnet, um die Landeshauptstadt zu entlasten. Im ZDF werden erste Maßnahmen getroffen, um die Sendesicherheit der betroffenen Landesstudios zu gewährleisten. Für Dresden werden die mobilen Produktionsmittel, die für den »Länderspiegel« vor Ort sind, als Alternative zum Studio vorgesehen. Der Übertragungswagen wird unterstützt von mobilen Schnittplätzen aus den umliegenden Landesstudios. Die Produktion Aktuelles reserviert Wohnwagen, um gegebenenfalls aus dem Studiogebäude ausziehen zu können.

Freitag, 16. August: Der Elbpegel steigt im Laufe des Tages in Dresden auf 9,25 Meter, die Rettungsarbeiten an Zwinger und Semperoper müssen bis zum Samstag ausgesetzt werden, da die Elbe den Theaterplatz überschwemmt. In den Gebäuden neben dem Landesstudio in der Königsstrasse drückt sich das Grundwasser in die Keller. Falls das auch im Landesstudio geschieht, müssen der Strom abgeschaltet und die technischen Geräte der Leitungsanbindung ausgebaut werden; damit wäre das Studio nicht mehr sende- und bearbeitungsfähig. Aus Magdeburg erreicht uns die Information, dass ab Samstag die Stromversorgung der gesamten Innenstadt, also auch des Landesstudios, abgeschaltet wird. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) evakuiert sein Landesfunkhaus auf der Elbinsel Rotehorn und zieht mit seiner Technik und seinen Übertragungswagen zum Gründungs- & Technologie-Zentrum in der Nähe des Flughafens. In Zusammenarbeit der Studios mit dem Außenübertragungsbereich folgt das ZDF nach. Kurzfristig kommt aus Mainz ein MAZ-Wagen, der mit AÜ- und Landesstudiokollegen besetzt wird. Unterstützt mit einer Sendeeinheit der Telekom ist damit ein Alternativstandort zum Landesstudio geschaffen.

Wochenende 17. und 18. August: In Dresden erreicht das Elbhochwasser am Morgen des 17. August seinen Höchststand mit 9,40 Metern, in den Nachbargebäuden steht das Wasser bis zu einem halben Meter in den Kellern, der Studiokeller ist noch trocken. Die Außenübertragungskollegen der langfristig geplanten evangelischen Gottesdienst-Übertragung aus Wörlitz hatten schon bei der Anreise mit dem Reportagewagen 1 und DSNG 2 Probleme. Es gibt Straßensperren, nur über Umwege wird der Ort dann doch erreicht. »An eurer Stelle würde ich sofort wieder das Hochwassergebiet verlassen, hier wird in Kürze evakuiert«, ist die Aussage eines Bundeswehrsoldaten. »Wir bitten darum, dass ihr bleibt«, der Wunsch offizieller Stellen, »wenn das ZDF den Ort verlässt, gibt es eine unnötige Unruhe in der Bevölkerung!« Wir bleiben! In der Nacht von Freitag auf Samstag wird das Konzept des Gottesdienstes auf die aktuelle Hochwassersituation umgeschrieben, eine Herausforderung für alle Beteiligten. Die Lage spitzt sich weiter zu, aus diesem Grund wird beschlossen, den Gottesdienst aus Sicherheitsgründen sofort aufzuzeichnen, die Generalprobe wird zur Sendung. Ohne Gemeindemitglieder, trotz allem ein bewegender Gottesdienst, der dann ohne große Korrekturen am Sonntag gesendet wird. Der Abbau geschieht unter Zeitdruck, jederzeit wird die Evakuierung des Ortes erwartet. Statt der geplanten Heimreise kam die kurzfristige Anfrage der Redaktion Aktuelles: Schnittmobil, SNG und Stromaggregat werden für die Berichterstattung über das Elbhochwasser aus der Lutherstadt Wittenberg benötigt. Wittenberg ist ein Nachbarort von Wörlitz, normalerweise in rund 20 Minuten erreichbar, doch durch das Elbhochwasser ist die Weiterreise eine Irrfahrt von über drei Stunden. Im Verlauf des Sonntags wird die Lage in Wittenberg dramatisch. Die Deiche bersten an sieben Stellen. Der Deich bei Prettin bricht auf über 200 Metern, die Sicherungsmaßnahmen werden eingestellt. Die Stadt Annaburg mit über 4 000 Einwohnern wird evakuiert, eingeschlossene Einwohner werden von Rettungsschwimmern aus ihren Häusern befreit. Auch der ZDF-Standort in der Halleschen Strasse wird immer mehr überflutet. Zwischen den Sendungen wird der Produktionsort immer wieder auf trockenere Positionen verlegt. Es gibt Diskussionen unter den Kollegen, ob es nicht besser wäre, auch Sandsäcke zur Deichsicherung zu füllen, statt über die Flutkatastrophe zu berichten. Entschieden wurde, dass die Sendungen mehr bewirken können, als direkt bei der Sicherung der Deiche zu helfen. Das ZDF wurde auch Anlaufstelle für besorgte Anwohner – das Fernsehen weiß bestimmt mehr. Mit kurzen Unterbrechungen wird fast rund um die Uhr gearbeitet, Berichte und Schaltgespräche für das »Morgenmagazin« ab 5.30 Uhr bis zur »heute nacht« um 24 Uhr. In den folgenden Tagen stellt sich eine fallende Tendenz der Pegel ein.

19. und 20. August: Mit 6,70 Metern wird der Pegelhöchststand in Magdeburg erreicht, 20 cm weniger als prognostiziert. In der Innenstadt wurde der Strom nicht abgeschaltet. Die Landesstudios Dresden und Magdeburg sind vom Hochwasser verschont geblieben, aber durch die zum Teil stündliche Berichterstattung sind die Kollegen bis auf das Äußerste belastet und bitten um Produktionshilfe. Ohne zu zögern stellen sich viele Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Landesstudios zur Verfügung. Bereits am nächsten Tag reisen vier in die Studios Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Nur durch solch spontane Unterstützung kann der Sendeaufwand bewältigt werden.

21. bis 25. August: In Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg sinken die Pegel überall weiter. Es werden große Anstrengungen zur Sicherung der weichen Dämme unternommen. Die Aufräumungsarbeiten sind in vollem Gange. Die Flutwelle der Elbe hat Norddeutschland erreicht. Obwohl die Wasserstände niedriger als erwartet ausfallen, müssen in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein Tausende Anwohner ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Mittlerweile sind 50 000 Helfer, darunter 30000 Bundeswehrsoldaten im Kriseneinsatz. Die Flut bahnt sich ihren Weg auch durch Lauenburg, dort befindet sich ein weiterer Produktionsort auf den Elbterrassen oberhalb der Stadt. Ein sicherer Platz, der die Hilfskräfte nicht behindert, aber den Zuschauern einen guten Eindruck über die kritische Situation des Elbhochwassers vermittelt. Auch von hier werden Berichte für alle tagesaktuellen Sendungen gefertigt. Nicht zu vergessen ein Schaltgespräch ins »heute-journal«. Um 21.35 Uhr wurden die Scheinwerfer eingeschaltet, ein sofortiger Angriff der aus den überschwemmten Elbauen vertriebenen Insekten war die Folge. Erst nachdem die Scheinwerfer mit Autan besprüht waren, vermieden sie die Lichtquellen und suchten sich neue Opfer: die Kolleginnen und Kollegen vor und hinter der Kamera.

Die Hochwasserlage in Lauenburg entspannt sich, kritisch ist es immer noch elbaufwärts, aufgeweichte Dämme drohen dort zu brechen. Ein ehemaliger Standort der DDR-Grenzsicherung und heute ein beliebter Aussichtspunkt in Boitzenburg, Mecklenburg-Vorpommern, ist der nächste Produktionsort. Auch hier stündliche Berichte und Schaltgespräche inklusive eines längeren Beitrages für »ML Mona Lisa«. Sonntagabend geht die Reise weiter nach Amt Neuhaus. Die Übernachtung ist in einem Ferienhof im Katastrophengebiet gebucht, das Restaurant ist wegen Lebensmittelknappheit geschlossen. Im niedersächsischen Amt Neuhaus stammt der Großteil des Deiches aus DDR-Zeiten und gilt als marode. Die Behörden ordnen Zwangsevakuierungen an. Wir bauen unsere Produktionsmittel am Fähranleger von Stapel auf. Im Fall eines Deichbruchs wäre der Standort sicher, würde aber vom Hochwasser eingeschlossen sein. Mit Hilfe von Booten der DLRG kann von beiden Seiten der Elbe berichtet werden. Da die Deichverstärkungen halten, wird nach Hitzacker weitergefahren. Auch hier entspannt sich die Lage, nachmittags kommt aus Mainz die Nachricht, dass die Produktionsmittel nicht mehr benötigt werden. Auch in den betroffenen Landesstudios lässt die Anspannung nach, es werden aber weiterhin noch viele Beiträge zu Hochwasser, Aufräumungsarbeiten und Benefizveranstaltungen gefertigt.

 
 
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