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Heiner Gatzemeier

Die Menschen von Weesenstein

 
Heiner Gatzemeier
Heiner Gatzemeier


Familienvater Sven Meier vor den Trümmern seines Hauses
Familienvater Sven Meier vor den Trümmern seines Hauses


Zugverbindungen von und nach Weesenstein wird es für einige Zeit nicht geben
Zugverbindungen von und nach Weesenstein wird es für einige Zeit nicht geben
              
 

Das Format der dokumentarischen Filmerzählung hat das ZDF 1998 mit »OP. Schicksale im Klinikum« für das deutsche Fernsehen begründet. Die Serie »Die Menschen von Weesenstein« ist wiederum ein bislang einzigartiges Programmprojekt im deutschsprachigen Fernsehen.

Die Flut – Der Flugzeugabsturz – Das Zugunglück: nur drei Ereignisse, die die deutschen Fernsehprogramme in der Regel zu »Spezials« und anderen Sondersendungen veranlassen. Ist das aktuelle Interesse bei Machern und Zuschauern, aus welchen Gründen auch immer, abgeflaut, gelangen jeweils andere Themen in den Blickwinkel von Journalisten und Zuschauern respektive Zuhörern oder Lesern. Nach dem Motto: »Das Aktuellste ist der Feind des Aktuellen« werden nicht selten relativ rasch neue Kulissen ins Rampenlicht geschoben. Die Jahrhundertflut der Elbe und ihrer Nebenflüsse beherrschte tagelang als Top-Thema die Schlagzeilen. In den vielen Berichten, Reportagen, Porträts und Kommentaren fokussierten die meisten Journalisten die Katastrophe auf Einzelschicksale – Personen wie Orte. Für den Tag. Aber über den Tag hinaus?

Mit Abebben der Flut im Erzgebirge startete das ZDF die dokumentarische Filmerzählung »Die Menschen von Weesenstein« am 1. September, um über das Leben nach der Flut am Beispiel eines Ortes kontinuierlich zu berichten; Woche für Woche. Die bislang acht Folgen von jeweils 30 Minuten Länge wurden in Weesenstein gedreht, geschnitten und endgefertigt. Was in der jeweiligen Woche geschah, wurde dann am darauf folgenden Sonntag um 18.30 Uhr gesendet.

Jede Woche berichteten drei bis vier ZDF-Autoren aus der kleinen sächsischen Gemeinde Weesenstein im Müglitztal, südlich von Dresden gelegen. Das 200 Einwohner zählende Dorf hat besonders unter der Flutkatastrophe gelitten. Von 40 Häusern wurden zehn total zerstört, viele Menschen mussten in letzter Minute durch den Einsatz von Hubschraubern aus den Trümmern ihrer Häuser gerettet werden. Zum Beispiel die Familie Meier, die mit ihrer dreijährigen Tochter Emelie es gerade noch schaffte, den Fluten zu entkommen. Sie ist eine der Familien, die im Mittelpunkt der bisher achtteiligen Serie stehen.

Durch die wöchentliche Berichterstattung sind »Die Menschen von Weesenstein« ein einzigartiges Programmprojekt im deutschen Fernsehen. Das Besondere liegt darin, dass innerhalb kürzester Zeit ein kompletter Produktionsapparat in der Nähe von Weesenstein aufgebaut werden konnte, der den besonderen Herausforderungen einer wöchentlichen Doku-Serie gerecht wurde. Ohne lange Vorbereitungsmöglichkeiten oder ein Casting vor Ort, mussten die ZDF-Autoren Protagonisten und Geschichten finden, die den Ansprüchen der dokumentarischen Filmerzählung entsprechen. Wie sensibel und heikel das zu einem Zeitpunkt ist, zu dem die tragischen Folgen dieser Jahrhundertflut kaum jemand schon verarbeitet haben konnte, war allen Beteiligten sehr bewusst. Es hat sich im Verlauf der Produktion herauskristallisiert, dass viele Weesensteiner die Arbeit der ZDF-Teams als Hilfe zur Verarbeitung der Geschehnisse empfunden haben. Die Menschen fühlten sich nach der aktuellen Berichterstattung nicht von den Medien allein gelassen – und das half dabei, den Weesensteinern Hoffnung zurückzugeben.

Eine wöchentliche aktuelle Doku-Serie steht vor anderen Schwierigkeiten als beispielsweise eine sechsteilige Serie mit einem Vorlauf von einem Jahr. Diese Art der kurzzeitigen Langzeitbeobachtung mit erzählender und beobachtender Kamera muss sich noch viel stärker nach den Gegebenheiten richten, muss kurzfristig neuen Protagonisten und Ereignissen folgen können, mit der nur geringen Möglichkeit, einmal gedrehtes Material wegzulassen und neu zu produzieren. Das bedeutete für Autoren und Kamerateams eine ständige Präsenz und Beweglichkeit an Ort und Stelle sowie immer wieder neue Herausforderungen, auf sich ständig verändernde Situationen zu reagieren.

Die bisherigen acht Folgen über »Die Menschen von Weesenstein« haben gezeigt, dass das Format der dokumentarischen Filmerzählung sich auch im wöchentlichen Senderhythmus mit aktuellem Bezug behaupten kann. Damit hat sie einen neuen Standard gesetzt, wie besondere Ereignisse oder Katastrophen, die unser Programm nur tagesaktuell bestimmen, auch längerfristig aufgearbeitet werden können.

Gemessen am Konkurrenzprogramm – »Lindenstraße«, »RTL-aktuell«, »RTL-exklusiv-weekend« – war der Erfolg der Serie mehr als achtbar. Im Durchschnitt erzielten alle acht Folgen einen Marktanteil von 8,14 Prozent und erreichten 1,74 Millionen Zuschauer. Die Resonanz auf die einzelnen Folgen schlug sich vor allem in Hunderten von E-Mails und Briefen nieder, die fast ausschließlich voll des Lobes waren. Selbst die Reaktionen der Weesensteiner, die ja Woche für Woche die Ergebnisse der Dreharbeiten auf dem Bildschirm beobachten konnten, waren durchweg positiv. Die von der Medienforschung erhobenen Zahlen weisen aus, dass die Serie einen um drei Prozent höheren Anteil an Zuschauern im Osten Deutschlands erzielte als das übliche ZDF-Programm ansonsten im Durchschnitt in den neuen Bundesländern.

Es ist geplant und verabredet, dass das ZDF in den kommenden Monaten drei bis vier weitere Folgen dieser Serie in Weesenstein produziert, die dann im August 2003 in der Zeit um den Jahrestag der Flut ausgestrahlt werden. Die Geschichten der Menschen und Familien von Weesenstein, die auch schon in den bisherigen Folgen im Mittelpunkt standen, sollen weitererzählt werden. Vielleicht entwickelt sich auch ein Langzeitprojekt daraus, das über mehrere Jahre immer mal wieder »Die Menschen von Weesenstein« in den Blickpunkt der Zuschauer rückt.

 
 
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