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2009  
ZDF Jahrbuch
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Carola Wedel, ZDF-Kulturkorrespondentin in Berlin

Das Neue Museum und das ZDF

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Carola Wedel
Carola Wedel



Eingang Neues Museum
Eingang Neues Museum


Römischer Saal
Römischer Saal


Der ehemalige Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin, Professor Dr. Dietrich Wildung
Der ehemalige Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin, Professor Dr. Dietrich Wildung


Carola Wedel (Mitte) beim Dreh im Nordkuppelsaal, dem neuen Nofretete-Raum
Carola Wedel (Mitte) beim Dreh im Nordkuppelsaal, dem neuen Nofretete-Raum
  »Geh einfach mal hin und schau es Dir an. Die Fotos, die ich am Wochenende von dieser ›schönsten Ruine Berlins‹ gesehen habe, waren unglaublich! Ich könnte mir vorstellen, dass das Neue Museum ein Thema ist.« Mit diesem Anruf aus Mainz fing alles an. Korrespondentenpflicht, die zu einer ganz besonderen Beziehung wurde. Das Neue Museum: Seit über 60 Jahren von den Wunden des Zweiten Weltkrieges gezeichnet. Notdürftig gegen Wind und Wetter geschützt. Selbst im am besten erhaltenen Raum, dem Niobidensaal: große salzweiße Flächen, abgeplatzter Putz an den Wänden. Auf schmalen Holzbrettern musste man durch das Haus balancieren, überall fehlten Decken, waren Säulen herabgestürzt, immer wieder ging der Blick da, wo einmal Mauern standen, ungehindert nach draußen. Schon am ersten Tag das Gefühl, dieses Haus beschützen, etwas für seine Wiederherstellung tun zu müssen.

Damals im Jahr 2000 lagen die Planungsarbeiten für den Wiederaufbau des Neuen Museums mal wieder auf Eis. Zu DDR-Zeiten waren die vier anderen Gebäude der Museumsinsel wiederhergestellt worden, nur das Neue Museum, von August Stüler 1850 als zweites Haus hier erbaut, nicht. »Und das, obwohl es an der Protokollstrecke zum Pergamonmuseum lag, dem Muss für jeden Staatsbesuch«, so der letzte Generaldirektor der Staatlichen Museen der DDR, Günter Schade.

Nach der Wiedervereinigung wurde der »Masterplan Museumsinsel« zwar zum größten kulturellen Projekt des zusammenwachsenden Deutschland, die Baustelle mitten in Berlin zum Visions-Ort für eine neue gemeinsame Demokratie von Ost- und Westdeutschen auf den Grundfesten der Ideale der Aufklärung, so wie sie die Museumsinsel darstellt. Aber immer wieder gab es Baustopps und Verzögerungen. Da bedurfte es publizistischer Unterstützung. Für mich als Kulturkorrespondentin des ZDF in Berlin war schnell klar, dass es dabei mit einzelnen Berichten nicht getan sein würde. Zehn Jahre sollte der Wiederaufbau damals dauern: eine herausragende Aufgabe für einen öffentlich-rechtlichen Sender, dieses Projekt zu begleiten. Nach einigen Vorstößen in Mainz war es so weit. Die Geschäftsleitung ließ sich von der Faszination anstecken, erkannte die Dimension dieses einmaligen Projekts: Gottfried Langenstein, der Direktor der Satellitenprogramme, schuf die Form der »Medienpartnerschaft Museumsinsel« zwischen 3sat und der SPK (Stiftung Preußischer Kulturbesitz), und der Intendant übernahm als Pate einen Sitz im renommierten Kuratorium zur Rettung der Museumsinsel.

Neun Jahre später: Wir sitzen im Schnitt für die große jährliche Dokumentation zum »Jahrhundertprojekt Museumsinsel«, um uns herum über 400 Drehkassetten. Alle wichtigen Phasen der oft heiß diskutierten Wiederherstellung des Neuen Museums haben wir dokumentiert, fast alle Kameramänner des Landesstudios Berlin haben irgendwann einmal im Neuen Museum gedreht. Wir waren dabei, wie die riesigen neuen Bauelemente für den zerstörten Nordwestflügel und den Ägyptischen Hof eingeflogen wurden und haben die unzähligen Aktionen der über 200 Restauratoren festgehalten, die jahrelang mit Pinsel und Spritze, Pinzette und Wattestäbchen jeden Millimeter des Hauses bearbeitet haben. Ein Großeinsatz der besten Spezialisten aus ganz Deutschland, um bei der »schönsten Ruine« alles zu retten, was nur irgendwie noch erhalten werden konnte.

Behutsame Rekonstruktion hieß das Motto, das der englische Architekt David Chipperfield ausgegeben hatte, drei Kategorien, in die er und sein engster Mitarbeiter, der Nestor der englischen Rekonstruktionskunst, Julian Harrap, das Haus eingeteilt haben: schwerstbeschädigte oder gar nicht mehr vorhandene Räume wie den Nordwestflügel. Sie werden durch Neues ersetzt, das den Geist Stülers modern interpretiert. Stark beschädigte Räume wie den Modernen oder den Römischen Saal, die so wiederhergestellt werden, dass die Wunden der Zeit und des Krieges erkennbar bleiben. Und wenig beschädigte Räume wie der Niobidensaal, die zu einer neuen Harmonie geführt werden. Für jeden Raum wurde ein anderes Wiederherstellungskonzept gefunden. Bei vielen Diskussionen waren wir dabei, haben beispielsweise aus nächster Nähe miterlebt, wie offen, mit dem Respekt vor Andersdenkenden, die Diskussion um Chipperfields neues Treppenhaus geführt wurde.

Ohne Einschränkungen durften wir als Medienpartner exklusiv alles drehen, auch die heikelsten Momente, ob es um die Wiedererrichtung der Chorenhalle im Treppenhaus ging oder um die von der Gesellschaft Historisches Berlin beim Bundestag eingebrachte Petition zur Erwirkung eines Baustopps. Einfach beglückend war es, bei den verschiedenen Schritten der Rückkehr von Nofretete in »ihr« Haus ganz nah dabei zu sein.

Immer wieder haben wir erlebt, wie das Neue Museum das Leben von Menschen geprägt hat, zum Beispiel das des Stukkateurs Jörg Breitenfeldt. Im Neuen Museum hat er als 17-jähriger Stukkateur im ungeschützt offenen Treppenhaus seine Lehre begonnen. Später lernte er noch einmal um, wurde Restaurator, weil er das Geheimnis des Stülerschen Marmorzementes herausfinden wollte, was ihm auch gelang. Risalite, Türeinfassungen, Fensterrahmen; ohne ihn hätten sie nicht diesen besonderen magischen Glanz.

Aus solchen Begegnungen entstand eine zweite Dokumentation: »Mit Herz und Hand – die Retter des Neuen Museums Berlin«, die ich gemeinsam mit Stefanie Hayn für den Infokanal entwickelt habe: Vier Hauptprotagonisten, zwei alte und zwei junge, zwei aus dem Osten und zwei aus dem Westen der Republik – stellvertretend für viele andere – geben emotional und ergreifend davon Zeugnis, wie sie für das Haus gekämpft haben und wie dieses Museum und seine Kunstwerke für sie fast so etwas wie ein Lebenspartner geworden sind.

Das Besondere an der Berichterstattung des ZDF zur Wiedereröffnung des Neuen Museums ist nicht nur die einmalige Langzeitbeobachtung von mehr als zehn Jahren, die hier in die umfangreichste Berichterstattung zusammenfließt (bei 3sat, ZDFinfokanal und in der Programmdirektion gibt es Lange Nächte dazu, der virtuelle Rundgang bei zdf.de über die Berliner Museumsinsel wird um das Neue Museum ergänzt, unzählige Berichte laufen in aktuellen Sendungen) und die jemals in der Geschichte der Bundesrepublik die (Wieder)Eröffnung eines Museums begleitet haben wird. Es ist vor allem das gemeinsame Werk von vielen Kolleginnen und Kollegen in der ZDF-Senderfamilie, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre.
 
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