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2009  
ZDF Jahrbuch
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Gunnar Krone, Jugendschutzbeauftragter des ZDF
Christoph Bach, Datenschutzbeauftragter des ZDF

Zur Illusion der Privatheit im Web 2.0
Symposium zum Daten- und Jugendmedienschutz im ZDF

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Gunnar Krone
Gunnar Krone


Christoph Bach
Christoph Bach



Rund 300 Teilnehmer diskutierten im ZDF über das Datenouting von Jugendlichen in Netz-Communitys
Rund 300 Teilnehmer diskutierten im ZDF über das Datenouting von Jugendlichen in Netz-Communitys


Hans Joachim Suchan und Doris Ahnen, Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur in Rheinland-Pfalz
Hans Joachim Suchan und Doris Ahnen, Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur in Rheinland-Pfalz


Carl-Eugen Eberle im Gespräch mit Hans Joachim Suchan
Carl-Eugen Eberle im Gespräch mit Hans Joachim Suchan
  Die deutschen Arbeitgeber greifen bei ihrer Personalauswahl systematisch auf persönliche Daten zurück, die Bewerber arglos ins Internet gestellt haben – zu diesem Ergebnis kommt eine Meinungsumfrage des Dimap-Instituts, die die Bundesregierung in Auftrag gegeben hat. Fast immer geschieht dies bereits vor einer persönlichen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Als Informationsquellen über die Bewerber werden Karriereportale, vor allem aber soziale Netzwerke wie SchülerVZ, StudiVZ, Facebook, Spickmich etc., ausgewertet. Dabei fragen die Arbeitgeber auch persönliche Informationen wie Hobbys, Interessen, Meinungsäußerungen und private Vorlieben ab. Viele Bewerber werden dann wegen dieser oft sorglos ins Internet gestellten Informationen gar nicht erst zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Partyfotos, skurrile Schulfreunde, schräge Hobbys, flotte Sprüche, intime Auskünfte – im Netz veröffentlicht, können solche Informationen somit leicht zur Karrierebremse werden.

Auf der anderen Seite üben die Communitys aber gerade auf die jüngeren Nutzer eine nahezu unwiderstehliche Faszination aus. Sie sind zu einer Jugendkultur geworden, der sich kaum jemand entziehen kann. Die aktive Teilnahme an der sozialen Community steht für Freiheit. Die über die Netzwerke gewonnenen Kontakte sorgen für Selbstbestätigung. Gute Kontakte findet man aber nur, wenn man genug übereinander weiß. Deshalb veröffentlichen Heranwachsende von heute auf den Plattformen immer wieder Texte und Bilder, die tiefe Einblicke in ihr privates Leben, ihre Wünsche oder Interessen vermitteln, von der Adresse über Fotos bis hin zu Terminen und persönlichen Vorlieben. Doch die Annahme der Kinder und Jugendlichen, auf den Web 2.0-Plattformen ganz unter sich – gewissermaßen im privaten Raum – zu sein, ist eine Illusion. Tatsächlich können die eingestellten Kontaktdaten, wie die Studie des Dimap-Instituts belegt, zum Bumerang werden und außerdem zum Missbrauch, etwa zu Beleidigungen oder zu unerbetenen sexualisierten Kontakten, einladen. Und: Sie bleiben für immer im Netz, selbst wenn sich später die persönlichen Einstellungen und Verhaltensweisen geändert haben sollten. Deshalb ist die leichtfertige Datenpreisgabe von Heranwachsenden in Netz-Communitys ein Thema von gesellschaftspolitischer Bedeutung. Sie zeigt eine wichtige Schnittstelle des Jugendmedienschutzes und des Datenschutzes auf.

In den ZDF-Programmperspektiven 2009 bis 2010 heißt es, dass sich das ZDF über das Programm hinaus in Fragen von gesellschaftspolitischer Bedeutung weiterhin engagieren und sich daher unter anderem sowohl in eigenen Beiträgen als auch in der öffentlichen Diskussion für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Belange des Jugendschutzes einsetzen wird. Deshalb haben der ZDF-Jugendschutzbeauftragte und der ZDF-Datenschutzbeauftragte die Fragen des Datenumgangs Jugendlicher in sozialen Netzwerken frühzeitig aufgegriffen und – gemeinsam mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz Rheinland-Pfalz – unter dem Titel »Ach, wie gut, dass jeder weiß …« am 28. Januar 2009, dem Europäischen Tag des Datenschutzes, ein Symposium zum Datenouting von Heranwachsenden in Netz-Communitys durchgeführt.

Rund 300 Teilnehmer – Medienexperten, Wissenschaftler, Lehrer und Schüler – diskutierten an diesem Europäischen Datenschutztag im ZDF über die jugendschutz- und datenschutzrechtlichen Gefahren der leichtfertigen Datenpreisgabe von Heranwachsenden auf Internetplattformen wie beispielsweise SchülerVZ, StudiVZ, Facebook und Spickmich sowie über praktische Möglichkeiten, den damit verbundenen Gefahren für die Kinder und Jugendlichen zu begegnen. Das Symposium hat sowohl regional als auch bundesweit in Rundfunk und Presse und natürlich auch im Internet erhebliche Resonanz gefunden und damit seinen essentiellen Auftrag erfüllt: Das ZDF hat mit dieser Tagung zu einem aktuellen, gesellschaftlich relevanten Thema Impulse gesetzt und eine öffentliche Debatte wenn nicht initiiert, so doch zumindest nachhaltig befördert.

Im Einzelnen ging es in den Referaten und Diskussionsrunden um die Fragen, welche konkreten Risiken aus der leichtfertigen Datenpreisgabe auf Internetplattformen resultieren. Welches Interesse haben die Betreiber dieser Plattformen eigentlich an den von den Heranwachsenden eingegebenen Daten? Was kann der klassische Datenschutz angesichts der rasanten Entwicklungen im Web 2.0 überhaupt noch leisten? Welche medialen Kompetenzen brauchen Jugendliche und Eltern, um sich vor Datenschäden zu bewahren? Was können geschützte Plattformen wie beispielsweise www.zdftivi.de dazu beitragen, dass Kinder, und mit ihnen gegebenenfalls auch ihre Eltern, die notwendigen medialen Kompetenzen erlernen?

Neben diesen Vorträgen und Podiumsdiskussionen stellte die ZDF-Medienforschung auf dem Symposium repräsentative Ergebnisse zur Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen mit Schwerpunkt »Web 2.0« vor. Andreas Poller, Diplominformatiker am Fraunhofer Institut SIT Darmstadt, präsentierte unter dem Titel »Privatsphärenschutz in Soziale-Netzwerke-Plattformen« eine Studie seines Hauses zu den (unzureichenden) technischen Sicherheitsstandards sozialer Communitys. Petra Kain von der Zentralen Jugendkoordination des Polizeipräsidiums Westhessen berichtete aus ihrer täglichen medienpädagogischen Arbeit mit Eltern, Lehrern und Schülern. Die 16-jährige Schülerin Chantal beschrieb, wie sie infolge einer leichtfertigen Eingabe persönlicher Informationen in eine Netz-Community zum »Datenopfer« mit schlimmen Konsequenzen wurde.

Über »Schutz der Privatheit – Informationsgesellschaft ohne Tabu« reflektierte Edgar Wagner, der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Rheinland-Pfalz: Datenouting – wie neu ist das Phänomen eigentlich? Reagieren wir möglicherweise über? Haben die »digital natives« ihr Verhältnis zur Privatheit verloren oder einfach nur ein gewandeltes Verständnis von Öffentlichkeit?

Geht es nach Hendrik Speck, Professor für Informatik an der FH Kaiserslautern, so befinden sich die Netzwerke jedenfalls noch in ihrer »WildwestZeit«. Eine Entschuldigung ist das seines Erachtens aber nicht, vor allem gerade angesichts der Erfassungsmanie, mit der ein »normales« Netzwerk, gemäß Specks Zählung, 96 verschiedene Informationen über seinen Nutzer sammelt – von persönlichen Daten bis hin zum Browser, mit dem sich der User ins Netz begibt. Dagegen wirken, so Speck auf dem Symposium, die Volkszählungsbögen von 1987 mit ihren 18 Punkten und – wie er ironisch hinzufügt – selbst der Stasi-Erfassungsbogen mit 48 Fragen geradezu diskret.

Zu allem Übel forderten die Standardkonfigurationen der Community-Accounts bei der Registrierung regelmäßig eine größtmögliche Offenheit der Jugendlichen ab; wer mehr Privatsphäre möchte, müsse die Einstellungen erst zeitaufwändig ändern. Da das kaum jemand mache, gelange schon auf diese Weise ein enormes Spektrum persönlicher Daten ins Netz, werde kopiert, ver­kauft und sei praktisch nicht mehr zu löschen.

Nahtlos knüpfte daran Jan Hinrik Schmidt, Referent für digitale interaktive Medien und politische Dokumentationen am Hans-Bredow-Institut, an. Er ging bei seiner Vorstellung »viral vernetzter Effekte« nicht nur auf die Techniken ein, mittels derer erhobene Daten systematisch sortiert und verbreitet werden können, sondern er beantwortete vor allem auch die Frage, wie sich die Nutzerdaten und -aktivitäten im Netz ökonomisieren, also kurzerhand zu Geld machen lassen.

Vor solchem Hintergrund sah der Kasseler Medienrechtler Alexander Roßnagel auf dem Symposium insbesondere den Gesetzgeber in der Pflicht: »Das geltende Recht ist nicht für die Plattformen gemacht. Es ist 20 Jahre alt, da hat noch kein Mensch ans Internet gedacht.« Konsequent und apodiktisch aber auch die Aussage von Alexander Roßnagel: »Wer beschränkt geschäftsfähig ist, und das sind Menschen unter 18 Jahren, der darf eigentlich keinen Vertrag abschließen – genau das aber geschieht bei der Registrierung in einem sozialen Netzwerk.« Daran hält sich übrigens das ZDF-Angebot www.zdftivi.de. In der Diskussion verwies Michael Stumpf, verantwortlicher Redakteur für zdftivi.de, darauf, dass das ZDF bei jeder Anmeldung von Kindern und Jugendlichen das vorherige Einverständnis der Eltern einholt.

Das positive Beispiel zdftivi.de machte aber auch deutlich, dass noch viel zu tun ist. In diesem Zusammenhang wurde aus dem Auditorium die Frage gestellt, ob nicht zum Wohle von Kindern und Jugendlichen mehr öffentlich-rechtliche Angebote und Plattformen im Netz bereit stehen müssten. Alexander Roßnagel verwies darauf, dass es bislang keine eigenständigen Rechtsnormen zum Jugend- und Kinderdatenschutz im Netz gebe. Er wertete das Symposium daher als einen wichtigen Impuls für den Gesetzgeber.

Ein solcher Impuls deckt sich in besonderer Weise mit der schon eingangs erwähnten Aussage in den ZDF-Programmperspektiven 2009 bis 2010, nach der sich das ZDF über das Programm hinaus in Fragen von gesellschaftspolitischer Bedeutung weiterhin engagieren und sich unter anderem sowohl in eigenen Beiträgen als auch in der öffentlichen Diskussion für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Belange des Jugendschutzes einsetzen wird.

So konnte auch die Tagungsmoderatorin Beate Bramstedt am Ende des Symposiums einen Veranstaltungstag mit interessanten Beiträgen und viel Stoff zum Nachdenken konstatieren. Ist doch der verantwortungsbewusste Umgang mit persönlichen Daten unverzichtbarer Bestandteil einer Erziehung zu demokratischem Bewusstsein, zur Wahrung der eigenen Persönlichkeitsrechte und insbesondere auch zum Respekt vor den Rechten Dritter, wie die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen zur Eröffnung der Tagung ausgeführt hatte.
 
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