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2010  
ZDF Jahrbuch
Produktion und Technik
Andreas Bereczky/
Rainer Kirchknopf
Peter Hardt
Thomas Urban/
Manfred Höffken

Thomas Urban, Teamleiter Netzwerk- und Telekommunikationstechnik
Manfred Höffken, Koordinator Sendebetrieb und Qualitätssicherung

Das Projekt SAW – Ein Puzzle aus vielen Teilen …
ZDF-Sendeabwicklung, Ingest und Werbung sind on air

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Thomas Urban
Thomas Urban


Manfred Höffken
Manfred Höffken



Moderne und leistungsfähige Technik
Moderne und leistungsfähige Technik


Der neue Einspielbereich »Ingest«
Der neue Einspielbereich »Ingest«


Die neue Sendeabwicklung Havarie und Test, in der Arbeitsabläufe und Schulungsmaßnahmen durchgeführt werden
Die neue Sendeabwicklung Havarie und Test, in der Arbeitsabläufe und Schulungsmaßnahmen durchgeführt werden
 

Unsere alte ZDF-Sendeabwicklung (SAW) war in die Jahre gekommen. Gut zehn Jahre täglich im Dienst am Zuschauer, es war an der Zeit. Wie eine Lampe ohne Schnur stehe es da, das Sendezentrum mit seinen Produktionsstätten, ohne Sendeabwicklung. Hier entsteht der reale Programmablauf für den Zuschauer. Die einzelne Sendung steht an ihrem endgültigen Sendeplatz, sie wird gestalterisch durch Blenden verbunden mit ihrem Vorgänger, mit zusätzlichen Informationen versehen, Trailer und Jingles können sie umrahmen, der letzte Schliff – wenn es hier kracht, dann ist »Holland in Not«.

Weitblick …
Anfang 2009 fiel im ZDF der Startschuss für eines der größten Investitions- und Workflowprojekte der letzten Jahre. Eine neue Sendeinfrastruktur für alle Programme der ZDF-Programmfamilie, abgestimmt auf die Bedürfnisse der Sendeleitung, die die Vorgaben der Programmplanung Realität werden lässt. Wenn wir fertig sind, sind alle in einem Boot: ZDF, ZDFneo, ZDFinfo, ZDFkultur und 3sat, alles von einer Plattform mit den gleichen weitreichenden Möglichkeiten inklusive HDTV.

Neben den Fernsehstandards verändern sich zusätzlich die ZDF-Programme. Mit Funktionalitäten wie »Breaking News« und einer »Live-Fähigkeit« für alle Kanäle wird mit der neuen Sendeinfrastruktur diesen programmlichen Änderungen entsprechend Rechnung getragen. Im Sinne einer multimedialen Sendeinfrastruktur sollen zusätzlich zu den genannten Fernsehstandards auch Streaming-Formate zur Verbreitung über das offene Internet bedient werden. Das schließt die Abwicklung und Überwachung inhaltsgleicher und zur klassischen linearen TV-Ausstrahlung synchroner Livestreams ein, aber auch die Bereitstellung von On-Demand-Content für die ZDFmediathek gehört zu den Aufgaben der neuen Sendeabwicklungen. Am 13. Juli 2010, direkt nach der Fußball-WM, ging die erste Sendeabwicklung der neuen Familie on air. Das große Ganze wollen wir bis 2012 realisiert haben.

Havarie und Test als »Grundvoraussetzung« verankert …
In unserem Projekt konnten wir schon in der Vorbereitung ein neues »Grundrecht« einfordern: Komplexe vernetzte Systeme benötigen eine voll funktionsfähige Testumgebung. Softwareänderungen an einem laufenden System, das ist Harakiri. Die Komplexität ist so hoch, dass Fehlerfreiheit reines Wunschdenken ist. Bevor eine neue Software on air geht, müssen gut vorbereitete, umfangreiche Testszenarien gefahren werden, um mit abschätzbarem Risiko auf den Sender zu gehen.

Im Fehlerfall ein Strauß von Möglichkeiten, Fluch und Segen …
Die Programmabwicklung stellt einen 24/7-Dienst dar. Mit der Erneuerung der Sendeinfrastruktur wird generell darauf geachtet, dass durch geeignete Maßnahmen ein »Single Point of Failure« ausgeschlossen und die Möglichkeit eines Ausfalls des Gesamtsystems aus technischen Gründen minimiert ist.

Eine harte Nuss für die Systemingenieure, viele Komponenten müssen zusammenspielen. Im Signalweg »sitzen« eine Unzahl von Geräten, die ausfallen können. Bislang hieß es bei Ausfall einer Komponente: überbrücken – die Funktionalität fiel weg, bis ein anderes Gerät teilweise die Funktion übernehmen konnte. Nun können wir direkt Ersatz schalten, es sind Havariegeräte im direkten Zugriff, das kann blitzschnell erfolgen. Der Wermutstropfen: Es gibt so viele Möglichkeiten, dass man sich auch »verirren« kann. Da kommt uns unser neues »Grundrecht« gerade recht: Nicht nur Test- und Havariearbeitsplatz, es ist auch noch ein »Flugsimulator« für SAW-Operatoren, ein riesiger Fortschritt für das ständige Training.

Löcherwanderung, alles im laufenden Betrieb …
Auf der grünen Wiese kann jeder bauen, wir bleiben im Sendebetriebsgebäude. Der große Nachteil dabei: Hier wird 24 Stunden Fernsehen gemacht, die laufenden Systeme müssen on air bleiben, darum herum wird gebaut. Die ganze Palette der Gewerke, Boden, Klima, elektrische Versorgung – schweres Gerät kommt zum Einsatz, nur nicht die falschen Kabel durchschneiden. Zum Schluss wird die neue Fernsehtechnik in Betrieb genommen, Schulungen, Testphasen, das Alte abreißen – dann gibt es kein Zurück mehr. Dazu muss exakt geplant, offen kommuniziert und verlässlich miteinander umgegangen werden, und das klappt wirklich ausgezeichnet.

Schritt für Schritt …
Aufgrund der Notwendigkeit, mehrere Bauabschnitte und Projektphasen durchzführen, beträgt die Gesamtprojektlaufzeit etwa 36 Monate. Das Projekt startete mit einer ausführlichen Systemspezifikation und Leistungsbeschreibung.

Im Anschluss folgte ein europaweites Verhandlungsverfahren, das in sehr kurzer Zeit rechtskonform und ohne Beanstandungen durchgeführt wurde. Damit begann die Phase eins der Umsetzung mit dem Ziel, Mitte 2010 die erste HD-fähige Sendeabwicklung in neuer Technik im Regelsendebetrieb für das ZDF-Hauptprogramm einzusetzen.

Zur Phase eins gehören ebenfalls der Werberaum, in dem die Werbespots konfektioniert werden und ein Einspielbereich (neudeutsch: Ingest). In einem neuen Geräteraum sind die Systeme und Gerätschaften in 28 mächtigen 19-Zoll-Schränken installiert.

Multiplikatoren-Prinzip …
24 Stunden sieben Tage Schichtbetrieb für fünf Kanäle, dazu reicht unser Personal. Für die Projektlaufzeit bekamen wir personelle Unterstützung in Form freier Mitarbeiter mit Projektzeitverträgen, das verschaffte uns die benötigte Luft. Dann wurden Dienstpläne optimiert, neue Abläufe probiert und mit der Hilfe des ganzen Teams sechs Multiplikatoren auserkoren. Ein Multiplikator ist ein Vorreiter, der fremdes Terrain erkundet, sich schlau macht, Workflows entwickelt, den Praxisbezug sicherstellt, Bugs findet, Schulungsunterlagen erstellt, kurz: jemand, der alles können muss. Sie oder er braucht festen Boden unter den Füßen, erst dann können die anderen Kolleginnen und Kollegen geschult werden, fit gemacht werden für den Betrieb, sicher genug, um die technische Verantwortung für die Programmverbreitung zu übernehmen.

Unternehmensübergreifende Teamarbeit …
Die Projektleitung und das Kernteam bestehen aus Ingenieuren der Fernsehsystemtechnik, einem Spezialisten für Einkaufsfragen, einem Spezialisten vom Gebäudemanagement, einem Vertreter des Programms, einem Kollegen aus dem Fernsehbetrieb, einem Fachmann aus der Sendeleitung und einer Projektassistentin. Daran schließt sich die ganze Kompetenz der fernsehsystemtechnischen Planung, der Netzwerktechnik und der Montageleitung an. Der Aufbau eines so komplexen Systems ist nur mit geballtem Teamwissen zu stemmen. Baumaßnahmen, Montagen, Inbetriebnahmen, Bugfixing, Systeme stabilisieren, Vertrauen schaffen, das ist bislang gut gelungen.

Wie geht es weiter …
Derzeit werden die Beiträge noch auf Magnetbändern angeliefert, auf unsere Sendeserver aufgespielt und nach der Sendung gelöscht – eine wenig effektive Methode. Unser Ziel: weg von den Bändern. Deshalb ist es mit der technischen Umsetzung alleine nicht getan, es bedarf auch weitreichender Anpassungen bei den Arbeitsabläufen. Die Basis dazu wird das zukünftige Content-Management-System (CMS) bilden. Ein CMS in einer modernen Sendeinfrastruktur erfüllt im Wesentlichen folgende Aufgaben: singuläre Erfassung von Metadaten, Vermeidung doppelter Handgriffe, weitgehende Automatisierung von Routinetätigkeiten, ergonomisches Handling. Es muss offen sein für Weiterentwicklungen im Rahmen veränderter Programmanforderungen. Parallel dazu wird die Anbindung an das digitale Archivsystem (Projekt »DAS II«) realisiert. Bänder ade, Fernsehsendungen werden zu Dateien. Darin enthalten sind Bilder, Töne und so genannte Metadaten: Titel, Längen, Beschreibungen, Untertitel, technische Daten.

Der Herbst 2010 steht im Zeichen der Projektphase zwei. Neben dem CMS entstehen zwei weitere Sendeabwicklungen mit den zugehörigen Sendebüros der Sendeleitung. Drei weitere Sendeabwicklungen und Sendebüros wie auch das Multiplex-Compression-Center (MCC) folgen in der Phase drei, aber darüber berichten wir zu gegebener Zeit. Es gibt noch viel zu tun, wir packen es an.
 
 
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