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2010  
ZDF Jahrbuch
Produktion und Technik
Andreas Bereczky/
Rainer Kirchknopf
Peter Hardt
Thomas Urban/
Manfred Höffken

Andreas Bereczky, Produktionsdirektor des ZDF
Rainer Kirchknopf, Geschäftsbereich Informations- und Systemtechnologie, Technical Innovation Office

HbbTV
Das Zusammenwachsen zweier Welten

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Andreas Bereczky
Andreas Bereczky


Rainer Kirchknopf
Rainer Kirchknopf



ZDFmediathek
ZDFmediathek


So könnte die Einstiegsseite der ZDFmediathek in der HbbTV-Version aussehen
So könnte die Einstiegsseite der ZDFmediathek in der HbbTV-Version aussehen


VideoWeb 600s
VideoWeb 600s
 

In den letzten zwei Jahren wurde in Europa ein neuer Standard entwickelt, welcher das Potenzial haben könnte, nicht nur den alten Teletext abzulösen, sondern auch als Bindeglied zwischen Internet-Inhalten und Fernsehempfang zu fungieren: Hybrid broadcast broadband Television (HbbTV). Insbesondere in Deutschland erfreut sich dieser neue Standard einer immer größeren Beliebtheit, weshalb das ZDF zur IFA eine HbbTV-Version seiner erfolgreichen Mediathek startete. Damit ermöglicht das ZDF seinen Zuschauern den direkten Zugriff vom TV-Gerät auf mehr als 30 000 Beiträge aus der ZDFmediathek.

Bereits seit dem ersten Internethype vor zehn Jahren war es für viele Analysten klar, dass die Zeit reif war für das interaktive Fernsehen. Die technische Antwort damals hieß Multimedia Home Plattform (MHP). Da die Entwicklungs- und Anschaffungskosten allerdings sehr hoch waren und es kaum attraktive Dienste gab, setzte sich MHP in Deutschland nie wirklich durch. Vor allem fehlte bei den ersten MHP-Umsetzungen ein schneller Rückkanal. Die Anzahl der internetfähigen, mit ISDN oder analogem Modem angeschlossenen Haushalte, war im Jahr 2000 noch sehr gering. So ging man bei der MHP-Programmierung davon aus, dass der Zuschauer seinen Receiver nicht mit dem Internet verbunden hatte, und somit wurden die interaktiven Dienste wie beim herkömmlichen Teletext im »Karussellbetrieb« (also beispielsweise jede Minute ein Mal) übertragen. Je größer und aufwändiger der Dienst war, desto länger waren die Wartezeiten. Bilder mit viel Speicherkapazität oder Interaktion zur laufenden Sendung wurden nur spärlich eingesetzt. An Videos oder Mediatheken wagte man sich erst gar nicht heran. Eine echte Verschmelzung der Internetwelt mit dem herkömmlichen Fernsehgerät verschob man auf spätere Versionen, die allerdings in Deutschland nicht mehr umgesetzt wurden. Ein Mehrwert war für den Zuschauer somit nicht erkennbar.

Im Laufe der Jahre stieg sowohl die Quantität als auch die Qualität der Breitband-Internetanschlüsse in den deutschen Haushalten, sodass nun neben der üblichen TV-Übertragung ein weiterer ernst zu nehmender Verbreitungsweg für die Übertragung hochqualitativer Medieninhalte – nämlich das Internet – hinzukam. Gerade der Erfolg der ZDFmediathek im Jahr 2007 zeigte, welche Entwicklungen im Bereich »Fernsehen und Internet« möglich sind. Während das Fernsehen für das »Massenmedium« steht, liegt beim Internet die Stärke in der Personalisierung und Interaktivität. Was lag also näher, als beide Technologien in einem Empfangsgerät zu verbinden? Somit wurde das so genannte hybride Endgerät geboren.

Grundsätzlich waren sich alle Beteiligten einig, dass die »neue« Technologie offen und für alle frei zugänglich sein sollte. Um den Fernseher nicht in einen Computer zu verwandeln und den Kaufpreis des Endproduktes erschwinglich zu halten, stellte man sehr geringe Anforderungen an die Hardware. Denn bei der Entwicklung wurde ein Kerngedanke nie aus den Augen gelassen: Crawl first, then walk, then run!

Mit der Zeit zeigte es sich, dass alle nötigen technischen Lösungen bereits vorhanden waren und nur sinnvoll zusammengefügt werden mussten: HTML als Internetstandard zur Visualisierung der Dienste, DVB als digitaler Fernsehstandard sowie eine Zusammenstellung aller Video- und Audioformate, die unterstützt werden sollten. So können Internetseiten mit geringem Aufwand für die Darstellung auf dem Fernseher angepasst werden.

Auf der IFA 2008 präsentierte das ZDF zusammen mit dem Institut für Rundfunktechnik, Astra und Technotrend einen Prototyp für hybride Fernseher. Diese Version präferierte den so genannten »Red Button«-Ansatz: Direkt aus dem laufenden Fernsehprogramm ließ sich der passende Dienst, beispielsweise die ZDFmediathek, per Knopfdruck auf der Fernbedienung starten. Die Gefahr einer Zugangsdiskriminierung durch einen Portalbetreiber oder Hersteller wurde somit minimiert. Der Kunde hatte die freie Wahl, über welchen Weg er einen Inhalt aufrufen möchte: über das Herstellerportal oder direkt beim angewählten Sender.

Diese Initiative traf nun auf breite Akzeptanz im Markt. Zu den Unterstützern gehören Gerätehersteller (Philips, Sony, LG, Humax, Loewe, TechniSat), Rundfunkanstalten (ARD, ZDF, RTL-Gruppe, ProSiebensSat.1-Gruppe, Canal+, TF1, France Télévisions), Infrastrukturanbieter (ASTRA, Eutelsat, Abertis Telekom), Forschungsanstalten (Institut für Rundfunktechnik) und Browserhersteller (Opera, ANT). Darüber hinaus erfolgte eine enge Vernetzung mit der BBC, der RAI und weiteren europäischen Veranstaltern im Rahmen der EBU-Arbeitsgruppen.

Im Juli 2010 wurde die Spezifikation »Hybrid broadcast broadband TV« (HbbTV) vom European Telecommunications Standards Institute (ETSI) verabschiedet und somit zu einem offiziellen Standard (ETSI TS 102 796 V1.1.1). Hybrid ist dabei das Markenzeichen von HbbTV. Der Name soll verdeutlichen, dass hier die Vorteile von zwei Technologien nicht nebeneinander, sondern konvergierend genutzt werden. Ob die Inhalte nun als Fernsehsignal und/oder über das Internet übertragen werden, bleibt letztendlich dem Broadcaster überlassen und wird vom Zuschauer nicht bemerkt.

Bereits heute sind diverse Dienste von Programmveranstaltern realisiert und können von im Markt vorhandenen Empfangsgeräten dargestellt werden. Die HbbTV-Version der ZDFmediathek, des zentralen Videoportals, stellt dem Zuschauer knapp zwei Drittel des ZDF-Programms zur Verfügung. Einer der Schwerpunkte bei der Entwicklung des Angebots lag auf einer einfachen Navigation, die für die Steuerung mit einer Fernbedienung optimiert wurde.

Perspektivisch wird die HbbTV-ZDFmediathek zu einem einheitlichen HbbTV-Gesamtangebot ergänzt. Die ARD sendet unter anderem einen erweiterten elektronischen Programmführer und eine HbbTV-Version des ARDtextes. Auch die privaten Programmanbieter RTL und Sat.1 arbeiten an verbesserten Versionen ihrer Teletextangebote. Hier bietet insbesondere die Integrierbarkeit von Videoinhalten (zum Beispiel Werbespots) in den Teletext interessante neue Möglichkeiten.

HbbTV ist gerade dabei, seine »Krabbelphase« zu verlassen. Viele Hersteller haben verkündet, in den kommenden Monaten HbbTV-Geräte auf den Markt zu bringen. Unter dem Portal von Philips sind schon über 120 Angebote von Drittanbietern erhältlich. Nun sind die Rundfunkveranstalter am Zuge, die wahren Stärken von HbbTV zu nutzen und die Entwicklung von programmbegleitenden Diensten voranzutreiben, um das klassische lineare Fernsehprogramm zu ergänzen. Darüber hinaus müssen nun die Marketingaspekte in den Vordergrund gerückt werden. Denn die kryptische Abkürzung »HbbTV« ist zurzeit nur technisch sehr interessierten Konsumenten bekannt.
 
 
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