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2007  
ZDF Jahrbuch
Produktion und Technik
Jochen Schmidt/
Dietmar Nothof
Eckhard Matzel/
Tobias Schwahn
Thomas Rübenich

Jochen Schmidt, Geschätsbereich Informations- und Systemtechnologie, Planung und Realisierung
Dietmar Nothof, Produktions- und Sendebetrieb, Sendeabwicklung Informationsdienste

TV goes Internet: das Produktionssystem für die neue ZDFmediathek

 
Jochen Schmidt
Jochen Schmidt


Dietmar Nothof
Dietmar Nothof




 

Das Internet bietet heute die Möglichkeit, auch Videos in Fernsehqualität abzurufen. Damit zieht das World Wide Web endgültig in die Wohnzimmer der Zuschauer ein. Auch die Anbieterseite verändert sich: Mit der Produktion eines klassischen Fernsehprogramms hat die Herstellung der Mediathek nur noch wenig gemein, und die Technik dahinter ist nicht einfacher, sondern sehr komplex geworden.

Das Funktionsprinzip
Grundsätzlich benötigt man für die Mediathek zwei parallele Produktionsstraßen: eine für die technische Herstellung der Internetseiten und eine für die Videos, die darin enthalten sind. Auch die Ausspielung beider Elemente zum Zuschauer erfolgt über getrennte Wege. Erst im Endgerät wird alles zusammengeführt und auf demselben Bildschirm dargestellt. Gemeinsamer Nenner ist das Internet als universelles Transportmedium.

Damit das richtige Video auf der Seite abge­spielt wird, müssen beide Welten eng miteinander verknüpft werden. Dazu haben wir eine innovative Produktionstechnik realisiert: die direkte Kopplung der bandlosen Fernsehtechnik des Produktions- und Sendebetriebs mit der Internet-Produktionsplattform des Data Broadcast Centers (DBC). Bindeglied ist eine Metadatenverwaltung – im Prinzip eine Datenbank, über die gemeinsame Informationen über die Videos (Sendungsname, Länge etc.) zwischen beiden Welten ausgetauscht werden. Damit haben wir eine Brücke zwischen Fernseh- und Internetwelt gebaut.

Der Auftrag
Mitte Dezember 2006 beschloss die ZDF-Geschäftsleitung, dass sich die Mediathek in neuem Gewand präsentieren sollte. Dazu sollte das vorhandene Internetportal komplett überarbeitet und zur Funkausstellung 2007 live geschaltet werden. Es ist ein bedeutsamer Schritt für das ZDF, wenn es exakt 40 Jahre nach der Einführung des Farbfernsehens und zehn Jahre nach Beginn der digitalen Fernsehausstrahlung nun in das Internet-Abruf-Fernsehen einsteigt.

Die Ausgangssituation
Für die Beteiligten der Produktionsdirektion war schnell klar, dass wir es mit einer Großbaustelle zu tun haben:

Das bestehende Produktionssystem reicht nicht mehr aus
Die Herstellung der Internetportale und Datenrundfunkdienste läuft seit 2001 über ein multikanalfähiges Content-Management-System, das im Data Broadcast Center betrieben wird. Das System ist technisch veraltet und würde den Einbau der neuen Mediathek nicht überstehen. Deshalb muss ein neues Produktionssystem beschafft und installiert werden.
Die vorhandene Transcodier-Kapazität ist zu gering
Sendungen und Videobeiträge müssen aus der Fernsehproduktionswelt als Dateien exportiert und dann in die im Internet gebräuchlichen technischen Formate umgerechnet werden. Die neue Mediathek soll bis zu 50 Prozent des täglich ausgestrahlten Programmvolumens in Fernsehqualität zum Abruf bereitstellen. Das bedeutet gegenüber der bestehenden Lösung eine Vervielfachung der erforderlichen Rechenleistung.
Die Technik hat sich rasch weiter entwickelt
Durch die schnell wachsende Anzahl breitbandiger Internetanschlüsse – es sind jetzt zirka 18 Millionen Nutzer zum Beispiel per DSL-Anschluss im Internet unterwegs – wollen auch wir nachziehen: Das tun wir durch Verbesserung der Bildqualität mit einem neuen technischen Videoformat (H.264). Damit nutzen wir einen offenen Standard wie auch bei HDTV, erreichen endgültig Fernsehqualität und stellen als »Grundversorger« sicher, dass man die Mediathek mit möglichst vielen gängigen Endgeräten nutzen kann (Windows-, MAC-, Linux-PC, Handys, Set-Top-Boxen usw.).
Bestehende Systeme müssen integriert werden
Das neue Produktionssystem befüllt zunächst nur die neue Mediathek mit Inhalten. Parallel dazu wird das alte System für die Portale heute.de und zdf.de weiterbetrieben. Die Nutzer sollen Videos nicht nur in der Mediathek, sondern auch in den anderen Portalen abrufen können. Dazu sind die beiden Produktionssysteme technisch miteinander zu vernetzen, um Verweise und Bilder auszutauschen.
Wir haben keine Zeit zu verlieren!
Die Umsetzung eines Investitionsprojekts dieser Komplexität dauert normalerweise etwa ein Jahr. Doch die ZDF-Geschäftsleitung gab mit dem Start zur IFA am 31. August 2007 einen »harten« Endtermin vor. Nach Bewilligung der Mittel durch den Verwaltungsrat standen also weniger als sechs Monate zur Verfügung.

Die Projektumsetzung
Unmittelbar nach der Grundsatzentscheidung im Dezember 2006 begannen wir mit den Planungen: Konzepte und Lastenhefte wurden erstellt, Tests für neue Produktionsplattformen und Videoformate durchgeführt, Marktanalysen und Kosten­ermittlungen angefertigt. Zusammen mit dem Zentral­einkauf wurden nach Ausschreibungen Server-Hardware und Software-Lizenzen beschafft sowie die verschiedenen technischen Dienstleister beauftragt.

Die Hauptredaktion Neue Medien kümmerte sich parallel dazu um die Erstellung eines funktionalen Konzepts und des Designs für das neue Portal. Gleichzeitig wurde klar, dass die Koordination des Großprojekts nur beim ZDF selbst liegen konnte, denn es mussten folgende Teilprojekte fachlich, terminlich und kommerziell zusammengeführt werden:

Entwicklung und Installation des neuen Produktionssystems;
Anpassungen am bestehenden Multichannel-CMS-System;
Anpassungen an der Metadatenverwaltung;
Neubau und Programmierung der Video-Transcoding-Plattform;
Beschaffung und Installation der Server-Hardware;
Tests und Inbetriebnahme des gesamten Systemverbundes;
Schulungen für Redaktions- und Technikbereiche.

Die Projektleitung im Geschäftsfeld Planung und Realisierung wurde deshalb um zwei externe Mitarbeiter verstärkt, außerdem haben wir Fachleute zur Qualitätssicherung akquiriert. Alle Konzepte der Dienstleister wurden durch uns begleitet, teilweise mitentwickelt und deren Umsetzung überwacht. Aufgrund der sehr kurzen Zeit haben wir die Software-Entwickler hier vor Ort in den Containern zwischen Redaktions- und Sendebetriebsgebäude untergebracht, denn trotz E-Mail und Telefon führt doch der direkte Kontakt am schnellsten zum Ergebnis. Teilsysteme wie die Metadatenverwaltung und das Video-Transcoding wurden von uns selbst mit Unterstützung externer Programmierer entwickelt und in Betrieb genommen. So haben wir es geschafft, pünktlich zur IFA eine Mediathek anzubieten, die vor dem Start intern weitgehend getestet wurde und (fast) fehlerfrei funktioniert.

Das Erfolgsrezept
Nur wir selbst können als Generalunternehmer die Gesamtfunktionalität komplett überblicken und dafür sorgen, dass alle Komponenten im Zusammenspiel richtig funktionieren: Wie so oft haben wir nicht einfach »auf der grünen Wiese« neu gebaut, sondern neue Systeme mit den vorhandenen Landschaften verbunden. Dazu haben ganz wesentlich das hohe persönliche Engagement, das Know-how und der immense Erfahrungsschatz unserer Kollegen beigetragen, die im Projekt für fachliche und personelle Kontinuität gesorgt haben – ein Aspekt, der gar nicht hoch genug bewertet werden kann! Bei externen Dienstleistern ist das nicht immer selbstverständlich, hier mussten wir intern doch so einiges ausgleichen, was die Externen nicht bewerkstelligt haben. Die gute Zusammenarbeit mit externen Mitarbeitern und freien Entwicklern hat zu einer nahezu optimalen Besetzung des Projektteams geführt. Auch in der Hauptredaktion Neue Medien war immer ein großes Verständnis für unsere kleineren und größeren technischen Probleme gegeben; die Flexibilität der dortigen Projektleitung war beispielhaft.

Was haben wir gebaut?
Hier nur ein paar Stichworte: Aus der bandlosen TV-Produktionswelt und von zugelieferten Bändern werden täglich bis zu zwölf Stunden Programm in 14 verschiedene technische Formate umgerechnet, damit können alle handelsüblichen Endgeräte beliefert werden (PCs, Handys etc.). Die Umrechnung der Videos erfolgt doppelt so schnell wie in Echtzeit. Diese hohe Geschwindigkeit ist für uns wichtig, damit wir zum Beispiel die »heute«-Sendung so schnell wie möglich ins Netz bekommen – die »time-to-market« ist im Nachrichtengeschäft mitentscheidend! Die technische Lösung (ein paralleles Rechnen eines Videobeitrags auf vielen Rechnern gleichzeitig) gibt es am Markt nicht zu kaufen, und deshalb haben wir dies selbst teilweise im Rahmen von Diplomarbeiten entwickelt.

Dazu kommen Encoder, die ein Programmsignal in einen Internet-Stream so umsetzen, dass wir Live-Streams in der Mediathek darstellen können. Das tun wir nicht nur für die ZDFmediathek, sondern auch für die Internetportale von 3sat, ZDF tivi und PHOENIX.

Das eigentliche Produktionssystem für das Media­thek-Portal besteht im Prinzip aus einer Datenbank, mit der sämtliche Inhalte verwaltet werden. Dazu kommt ein Ausspielsystem, das die Internet­seiten berechnet und für die Nutzer bereitstellt. Alle Daten werden auf hochverfügbar ausgelegten Speichersystemen mit 50 Terabyte Volumen gelagert – das reicht für grob 25 000 Stunden in Internetqualität und ist bei dem in der Mediathek geplanten Programmvolumen nicht zuviel.

Komplex: System-Architektur und Serverlandschaft
Auch anfassen kann man die neue Mediathek: Insgesamt haben wir für die Produktion intern zirka 140 Server neuester Bauart im Rechenzentrum eingebaut und die zugehörige Netzwerk-Infrastruktur, Stromversorgung und Klimatechnik installiert – das ist die schöne neue Fernsehproduktionswelt.

Alle Videos und Portalseiten werden über spezielle Serverfarmen, die im Internet verteilt installiert sind, zu den Internetnutzern gebracht. Es macht für uns keinen Sinn, diese Server selbst zu betreiben, denn sonst hätten wir weit über 1 000 Maschinen und sehr breitbandige oder viele Internetleitungen im ZDF Sendezentrum benötigt. Dies erledigen zahlreiche Dienstleister am Markt für uns.

Danke!
Das Projekt konnte in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nur bei perfektem Zusammenspiel aller Beteiligten umgesetzt werden. Die Zahl der Beteiligten ist mit über 100 Personen sehr groß gewesen. Deshalb hier ein allgemeiner Dank an alle, die dazu beigetragen haben, dass wir die neue ZDFmediathek pünktlich am ersten Messetag an den Start bringen konnten. Wir haben uns strategisch wichtiges Know-how aufgebaut, sodass wir an der raschen Entwicklung weiter teilhaben und die Internet-Produktionstechnik bedarfsgerecht weiterentwickeln können. Die große Resonanz nach der Messe zeigt: Es hat sich gelohnt!
 
 
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