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2007  
ZDF Jahrbuch
Produktion und Technik
Jochen Schmidt/
Dietmar Nothof
Eckhard Matzel/
Tobias Schwahn
Thomas Rübenich

Thomas Rübenich, Produktionsingenieur Produktions- und Sendebetrieb

Viva Mallorca – »Wetten, dass ..?« kommt
Das absolut »heiße« Sommer-Event

 
Thomas Rübenich
Thomas Rübenich


Das Coliseo bei Nacht
Das Coliseo bei Nacht


Spidercam
Spidercam


Viva Mallorca!
Viva Mallorca!


Viva Mallorca!
Viva Mallorca!
 

»Wir gehen (wieder) nach Mallorca«, hieß es Anfang des Jahres. Nach 1999 stand das Coliseo Balear in Palma de Mallorca zum zweiten Mal als Austragungsort für unser Sommer-»Wetten, dass ..?« fest. Für viele von uns neu, für einige von uns schon einmal dagewesen, starteten wir ein Projekt, das sich so ganz anders darstellen sollte als das von 1999. Erste Meetings während unserer Produktion im Januar 2007 in Friedrichshafen und die darauf folgende Vorbesichtigung auf Mallorca im Februar zeigten uns, dass nur wenig in Anlehnung an die frühere Sendung möglich sein sollte. Die Anforderungen von Regie, Bühnenbild und Lichtdesign verlangten ein komplett neues technisches Konzept. Zudem erforderte der Einsatz einer Spidercam (eine an vier Seilen montierte Kamera, die den kompletten Bühnen- und Zuschauerbereich dreidimensional »überfliegt«) ein absolut »sauberes« Set und einen »technikfreien« Zuschauerbereich. Die hierzu notwendige Feinabstimmung mit den künstlerischen Bereichen musste während unserer »Wetten, dass ..?«-Produktionen in Dortmund und Freiburg erfolgen. Nur hier waren gemeinsame Sitzungen aller Bereiche möglich. Letztendlich planten und konstruierten wir in knappen zwölf Wochen, riefen Ideen ins Leben, verwarfen sie, verfeinerten und verbesserten stetig Zeitplan und Konzept.

Am 5. Juni rollten die ersten Fahrzeuge Richtung Mallorca, und es begann spannender, als wir es uns je erträumt hätten. An der französisch-spanischen Grenze wird zwei Tage später einer der Lkw gestohlen, überwiegend beladen mit geschweißten Sonderteilen des Bühnen- und Lichtriggs. Ersatz musste her, und das innerhalb von 60 Stunden, sollte der minutiöse Zeitplan und somit die gesamte Produktion nicht gefährdet werden. Mit einem einzigartigen Arbeitseinsatz wurden die Bauteile neu hergestellt und mit Sondergenehmigung per Flugzeug nach Mallorca transportiert. So konnte der Einbau der 18 Tonnen Stahl und Aluminium mit einiger Zeitverzögerung am Sonntag, dem 10. Juni beginnen. Sollten die nachgeschalteten Gewerke nicht ebenfalls in Verzug kommen, musste die verlorene Zeit aufgeholt werden. Mit Volldampf sollte uns dies gelingen, am Dienstagabend waren wir wieder »in time«.

Mittlerweile, sicher angekommen, stand das Licht- und Starkstrommaterial bereit, die Arena mit Ener­gie und Licht zu versorgen. Ü-Wagen, Gerätewagen sowie das zusätzliche Technikequipment waren noch auf dem Weg und sollten uns am Freitag gegen zehn Uhr erreichen. In großer Hitze waren die Arbeiten in den technischen Bereichen bis Sonntagabend abgeschlossen. Stierställe waren zu Schalträumen, der Stiertunnel zum Kabelschacht umfunktioniert worden. Die Arena war bereit für Viva Mallorca. Zwei Tage bestimmten heiße Sommerrhythmen in perfektem Sound und gleißende Lichteffekte den Tagesablauf. Kool & the Gang, Loona, Melanie C & Co. sowie 5 000 begeisterte Zuschauer verwandelten die Arena in eine riesige Partyzone. Am Mittwoch fiel dann der Startschuss zu »Wetten, dass ..?«, zweieinhalb Tage blieben uns, um Wetten und Showacts in Szene zu setzen. Die Showacts waren vorerst nur mit Doubles besetzt, denn erst am Samstag sollten die großen Stars zur Probe bereitstehen. Bon Jovi, Enrique Iglesias, Fanta 4, David Bisbal, Dieter Bohlen & Mark Medlock erforderten bereits ab dem frühen Nachmittag unser volles Engagement, bevor wir dann endlich gegen 20.15 Uhr via Satellit europaweit live zu erleben waren. 6 000 Zuschauer in der Arena empfingen mit tosendem Applaus einen gut aufgelegten Moderator. Wochenlange Planungen und eine zweiwöchige Bauphase sollten nun ihre erfolgreiche Umsetzung finden. Stetig steigende Anspannung, das »Kribbeln im Bauch« und Gedanken, die sich nur noch auf das gute Gelingen fokussierten, erlangten mit Erklingen der Eurovisionsfanfare ihren positiven Wert. Einem präzisen Uhrwerk gleich, boten wir unseren Zuschauern eine gleichsam technisch perfekte wie inszenierte Show, die in vollem Umfang einem heißen Sommer-Event entsprach. Beispielhaftes Engagement, Teamgeist, die Identifikation mit dem Produkt sowie der Einsatz bewährter Technik erzeugten die notwendige Sicherheit, ein solches Projekt erfolgreich umsetzen zu können. Der Abschluss eines »Wetten, dass ..?«-Jahres fand hier seinen absoluten Höhepunkt.

Die Technik im Detail
17 Bühnencontainer, 13 Lkw für Licht- und Energieversorgung, fünf Lkw für die Bühnenkonstruktion, drei Lkw Requisiten und Garderobenausstattung, vier Lkw Zusatztechnik, insgesamt 42 Lkw mit weit über 200 Tonnen Material rollten neben unseren Übertragungsfahrzeugen MP3 und DSNG2 nach Mallorca.

18 Tonnen Stahl und Aluminium, acht Tonnen Holzkonstruktionen wurden verbaut, 7 800 Meter Bild- und Tonkabel, 6 000 Meter Starkstromkabel, 2 500 Meter Netzkabel, 14 000 Meter Leuchtenkabel, 600 Meter Lichterketten mit zirka 2 400 Glühlampen wurden verlegt, zwölf Aggregate verbrauchten 1 500 Liter Diesel pro Tag und erzeugten 27 698 kWh Strom. Vier Lichtpulte steuerten insgesamt 1 150 Lichtquellen in der Arena. Eine 6 m x 3,3 m große Videoleinwand und zwei Tonanlagen mit 100 000 Watt Musikleistung versorgten Künstler und Zuschauer mit Bild und Ton. Sieben Gabelstapler und ein Mobilkran waren täglich im Einsatz. Ein Großzelt mit Garderoben für Künstler und Wettpaten sowie ein Großzelt als Lagerraum waren ebenso notwendig wie 800 Stellwände für Büro- und Besprechungsräume. 150 Mitarbeiter, die zirka 8 000 Liter Wasser und 1 800 Eis am Stiel zur Abkühlung benötigten, führten geschätzte 3 847 Telefongespräche und schrieben 2 523 E-Mails. Vier Kameras auf fahrbaren Pumpstativen, eine drahtlose Steadycam, ein Kamerakran, eine Handkamera am Set, eine drahtlose Handkamera im Publikum sowie eine Spidercam bildeten die Grundlage für die regietechnische Umsetzung.

Konzeption
Beschallung
Die Herausforderung bestand für uns darin, sehr gute Sprachverständlichkeit bei Gesprächen und Wetten sowie einen perfekten Sound bei Musikbeiträgen zu realisieren. Es war wichtig, mithilfe der Beschallungsanlage, den Wettpaten auf der Couch und den Mitwirkenden auf beiden Bühnen eine zuverlässige Kommunikation und damit auch Spontaneität zu ermöglichen. Gleichzeitig sollten alle 6 000 Zuschauer in der Arena die Sendung entspannt verfolgen können. Eine flächendeckende Beschallung in einer kreisrunden Stierkampfarena mit einem Durchmesser von knapp 90 Metern zu planen, war eine sehr spannende und außergewöhnliche Aufgabe. Ein traditionelles Beschallungskonzept (viele Lautsprecher in der gesamten Arena verteilt) war nicht möglich, wollten wir die beeindruckende Kulisse der Arena mit möglichst unauffälliger Technik optimal präsentieren. In Absprache mit Regisseur und Bühnenbildner haben wir uns für ein zentrales Line-Array-Konzept entschieden. Ein solches System besteht aus mehreren Lautsprechern, die mechanisch so miteinander verbunden sind, dass sie sich im Prinzip wie ein einziger riesiger Lautsprecher verhalten. In unserem Fall wurde das Line Array, knapp vier Meter hoch und zirka 800 Kilogramm schwer, im Mittelpunkt der Arena in 14 Metern Höhe über Videowand und Sofa errichtet und hinter schalldurchlässigem, aber blickdichtem Stoff (gestaltete Gaze) versteckt. So konnte der größte Teil der Zuschauer erreicht werden. Die seitlichen Bereiche wurden mit kleineren Line Arrays ergänzt. Eine Computersimulation ergab, dass die Idee mit dem großen zentralen Lautsprecher sowohl akustisch als auch optisch die beste Lösung war. Die aufwändige Vorbereitung und der Aufbau in enormer Hitze sollten jedoch belohnt werden. Hörtests und Messungen ergaben, dass, bis auf wenige Feinheiten, Planung und Praxis optimal übereinstimmten (verantwortlich: Gerd Braunewell).

Energieversorgung
Die Energieversorgung der Arena, mitten im Zent­rum von Palma de Mallorca gelegen, war für uns mit gravierenden Problemen verbunden. Die Stromanschlüsse der Arena boten nur wenig elektrische Leistung (nicht einmal ausreichend für ein Übertragungsfahrzeug), eine Energieversorgung mit Aggregaten war unabdingbar. 1999 brachte dies erhebliche Proteste der Anwohner wegen Lärmbelästigung mit sich. 2007 war somit eine unauffällige Einbettung in die Atmosphäre der Stadt zwingend notwendig. Dies bedeutete eine möglichst niedrige Geräuschkulisse, und das bei einer installierten elektrischen Leistung von 2 600 kW. Zwölf Aggregate mit einer Gesamtleistung von 6 000 KVA waren für die Energieversorgung von Ü-Fahrzeugen, Bühnen- und Arenabeleuchtung, Licht, Klimageräte, Küche und Kühlung notwendig (verantwortlich: Detlev Höfer).

Lichtgestaltung
Nach der erfolgreichen Produktion von 1999 galt es, nun eine Neuauflage ebenso gelungen in Szene zu setzen. Es sollte die Schönheit der Architektur zur Geltung kommen und eine sonnige Sommer- und Urlaubsatmosphäre geschaffen werden, um Arena in begehrlichem Aussehen erscheinen zu lassen. Das Bühnenbild orientierte sich an den baulichen Originalen. Dekor und Stil der Arena wurden exzellent aufgegriffen und integriert. Das Bühnenbild verschmolz mit dem Original zu einem einheitlichen Gesamtbild. Nun galt es, ein Lichtdesign, im Rahmen eines festgelegten Budgets, für dieses Szenario zu entwickeln. Vorgabe war die Ausleuchtung der Arena, ohne dabei die Showelemente zu vernachlässigen.

Also ein Mix aus Realität und Illusion. Wichtig war es, Spannungsbögen der visuellen Reize zu entwickeln. Noch so schöne Bilder wirken doch irgendwann ermüdend. Die Lichtdramaturgie muss sich stetig entwickeln. Nur so bleibt die Show für den Zuschauer interessant. Systematisch ist festzulegen, was alles beleuchtet werden muss, um ein großes Gesamtbild zu erhalten. Hierzu wird nach Segmenten festgelegt, wo und welche Lampen zu installieren sind, unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten. Bei einer ersten Begehung benötigt man dafür zirka einen Tag. Nach Fertigstellung der Bühnenpläne erstellt man das Lichtdesign für die gesamte Arena und die einzelnen Bühnen. Man entwickelt nach seinen Vorstellungen ein Lichtkonzept und wählt die dafür geeigneten Scheinwerfer für die unterschiedlichen Aufgaben aus. Hier hat man großen Freiraum, aber auch die Gesamtverantwortung für ein Lichtdesign, das bei Redaktion und Regie die Erwartungen erfüllen soll (verantwortlich: Michael Donecker).

Acht Wochen nach unserer Show findet die spanische Polizei den gestohlenen Lkw, 20 Kilometer südlich der Grenze, auf einem entlegenen Parkplatz – voll beladen.
 
 
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