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2006  
ZDF Jahrbuch
Produktion und Technik
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Klaus-Dieter Gutsche

Hut ab!

 
Klaus-Dieter Gutsche
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Das EasyLINK-Gefährt
Das EasyLINK-Gefährt
 

Man nennt mich EasyLINK. Du kannst mich easy nennen.

Man nehme: einen Kleinbus mit Schüssel drauf und Sendetechnik drin, ein EB-Kameraequipment, einen Notebook-Editor, ein Aggregat, allerlei Kabelei und Gedöns. Fertig.

Meine Aufgabe: schnell dort sein, wo die Musik spielt. Einfach. Multifunktional. Auf das Wesentliche aktueller Berichterstattung konzentriert. Kein Schnickschnack. Beweglicher, vielfältiger einsetzbar, mehr PKW als LKW. Ereignisse wahrnehmen können, die ohne mich aus (zeit-)ökonomischer Sicht kaum das ein oder andere Auge des Zuschauers erreichen würden.

Easy. Ich heiße, wie ich bin: einfach zu handhaben für diejenigen, die wissen, was sie wollen und schätzen können, was sie an mir haben, – meine Crew zum Beispiel. Ihre Aufgabe: Bilder, Stimmungen und Informationen einfangen und zur Sendung bringen. Punkt.

Meine älteren Artgenossen, die klassischen DSNG-Fahrzeuge, mussten sich noch mit einer Mannschaft von etwa sechs Leuten abrackern, – schon deshalb waren sie weniger easy drauf. Ich hab’s in der Regel mit maximal dreien zu tun: einem Redakteur männlichen oder weiblichen Geschlechts in Multifunktion, einem Kameramann männlichen oder weiblichen Geschlechts in Multifunktion, einem Techniker männlichen oder weiblichen Geschlechts in Multifunktion, kurz: mit drei Multifunktionären, physisch anwesend, unterstützt durch den virtuellen »Vierten Mann«, einen Operator, weitab vom Ereignisfeld, der es hinsichtlich der Satellitenausrichtung durch seine Fernbedienungskompetenz easy macht für unsere drei Helden am Ort des Geschehens. Wenn der Ruf erschallt: »Hut ab!«, erhebt sich wie von Geisterhand die »Schüssel« auf meinem Dach – gleich einem freundlichen älteren Herrn, der dem zu dokumentierenden Ereignis die Ehre erweist – und richtet sich aus gen Mekka.

Mein Mekka heißt Eutelsat W1, jener Transponder, den das ZDF zur dauerhaften Inanspruchnahme auserkoren hat. Ob das immer so funktioniert, ist eine Frage des Standpunkts oder -orts. Die Gretchenfrage lautet: Bin ich von der Position aus, an der ich mich gegenwärtig befinde, in der Lage, mein Mekka zu treffen?

Wenn nicht, bleiben mir zwei Optionen übrig: Ich verändere den Standort oder mein Mekka – sprich: Ich wechsle den Satelliten. Da kenne ich nichts. Ich bin da vollkommen unideologisch, offen für alle Ausrichtungen. Easy eben.

Wie bin ich einzuordnen? Die einen nennen mich sendefähiges EB-Team, wenn man von mir und dem EB-Team spricht, weil es sich bei einem Teil der EasyCrew um ein klassisches EB-Team handelt, das dank mir, einer ferngesteuerten digitalen Sende- und Empfangstechnik, um das Attribut »sendefähig« erweitert wird. Das umreißt allerdings nur einen Teil meines Potenzials.

Besser spricht man von einer sendefähigen News­Crew. Der Redakteur sitzt so gleich mit im Boot. Das ist ja gerade das Spannende an dem Unternehmen: Jedes Mitglied an Bord ist er selbst und noch ein Stück des anderen: mitdenken, mithandeln, mitziehen – an einem Strang.

Die Crew ist zugleich und nebenbei – quasi im Rücken des eigentlichen Produktionsgeschäfts – einem spannenden Lernprozess ausgesetzt. Das Crew-Mitglied Redakteur zum Beispiel schaltet sich in nichtredaktionelle Aufgabenfelder ein. Wenn es Not tut, kann er sich durchaus im Stil eines Videojournalisten um Kamera oder den Schnitt auf dem integrierten Notebook-Editor kümmern. Die Spezialisten befinden sich ganz in seiner Nähe. Gleiches – in anderer Richtung – gilt für Kameramann und Techniker.

Ein Ereignis ruft, EasyCrew erscheint. Ein Standplatz wird gesucht, die Stromversorgung – per Steckdose oder Aggregat – muss gewährleistet sein (wer erfindet die virtuelle Saftmaschine?). Je nach Dringlichkeit und Auftragsspektrum verändern sich die Anforderungen und Berufsbilder: eben noch Aufnahmeleiter, plötzlich Technischer Betriebsassistent, dann Kameraassistent, jetzt Cutter, gleich Uplinker ...

Wenn Zeit ist, kann der Produktionstag der klassischen Chronologie des Üblichen folgen: Redakteur und EB-Team mit dem gewöhnlichen EB-Equipment (ob bandgestützt oder besser: mit neuester bandloser Technologie ausgestattet) schwärmen aus, um die Materialgrundlage für einen Beitrag einzufahren. Anschließend ziehen sich Redakteur und Techniker auf das EasyLINK-Gefährt zurück, um das Material mittels Notebook-Editor zu schneiden, zu vertonen und endzufertigen.

Der Kameramann ist zwischenzeitlich damit beschäftigt, noch letzte Bilder nachzuliefern oder die Übertragungsmodalitäten abzuklären. Der Beitrag wird überspielt. Der Redakteur stellt sich vor, der Kameramann hinter die mittlerweile zur Livekamera mutierten EB-Kamera, der Techniker besorgt die Kommunikation mit dem »Vierten Mann« und dem Sendezentrum und los geht das Liveschaltgespräch. Am Ende helfen alle Crewmitglieder beim Rückbau und reisen freudig erregt nach getaner Arbeit ins ZDF-Heimatstudio ... ob Düsseldorf, Hamburg oder München, meinen jetzigen Basisstationen.

In der Regel läuft das allerdings ein klein wenig anders ab. Wenn ein berichtenswertes Ereignis eintritt, beschränkt sich die Berichterstattung nicht auf eine einzelne Sendung. Je nach zeitlichem Korridor und Anforderungsprofil müssen verschiedene Aufgaben parallel beziehungsweise in dichter Aufeinanderfolge bewältigt werden. Da muss alles passen und reibungslos ineinander greifen.

Gibt es Probleme, gleich welcher Art, muss sich jedes Crewmitglied auf den anderen blind verlassen können. Das funktioniert nur, wenn jeder über die Aufgabenfelder und Abläufe im Ganzen Bescheid weiß und eingeübt ist, auch in den Nachbardisziplinen einzuspringen. Tritt ein technisches Problem auf, um nur ein exemplarisches Beispiel zu nennen, muss der Redakteur die Kommunikation und das Leitungsmanagement selbst in die Hand nehmen, um Kameramann und Techniker Gelegenheit zu geben, sich konzentriert der Problembewältigung zuwenden zu können. In der Hektik wird jede Kleinigkeit zu einem unüberwindlichen Hindernis, wenn die nötige Routine fehlt.

Ein eingespieltes Team ist eine Bank, geeicht auf die Bewältigung gestellter Aufgaben unter zumeist widrigen Umständen, auf sich gestellt, dabei – und das ist auffällig – mit viel Engagement und hoher Bereitschaft, die jeweils nächste Nuss mit Leidenschaft zu knacken. Auf der Basis einer gewachsenen Konstellation öffnen sich Türen: neue Erzählformen, Blickfelder, Sendeprofile. Ein Experiment. Die Gefahr: eine reine Reduktion auf den Teilaspekt einer kostengünstigen Substitution des Althergebrachten. Eine Warnung.

Easy meint alles andere als bequem. Easy meint einfach. Nicht auf Komfort bedacht. Kein Sendebild während einer Schalte, keine Kommandoanlage, keine Liveeinspielung zur Liveschalte. Um so wichtiger: klare Spielregeln, saubere Abstimmung, unzweideutige Kommunikation – Herausforderung und Chance zugleich.

Also wirklich alles easy? Ja. Wenn sich alle Beteiligten professionell verhalten. Professionell meint Teamarbeit ohne Allüren. Alle für Easy, easy für alle. Na denn: Hut ab!

 
 
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