Peter Weber, Justitiar des ZDF
PDF
Die Verbreitung der ZDF-Angebote in der digitalen Welt

Im Jahr 2012 sind Fragen der Verbreitung von linearen Programmen und non-linearen Telemedienangeboten des Rundfunks in die Diskussion geraten. Die technologische Konvergenz und die Vervielfachung der technischen Verbreitungs- und Empfangsmöglichkeiten audiovisueller Inhalte in der digitalen Welt schreiten voran. Das ZDF muss darauf mit einer konsistenten Verbreitungsstrategie antworten, die Fernsehprogramme und Onlineangebote gleichermaßen umfasst. Voraussetzung für eine solche Strategie ist freilich die Vergewisserung über den regulatorischen Rahmen sowie die der Verbreitung der ZDF-Inhalte zugrundeliegenden Geschäftsmodelle Dritter. Im Folgenden sollen daher die Verbreitungswege des ZDF eingeordnet und den Geschäftsmodellen Dritter zur Verbreitung unserer linearen Programmangebote über Terrestrik (1), über Kabel einschließlich IP-Verbreitung (2) sowie über Satellit (3) ebenso nachgegangen werden wie den Herausforderungen in regulatorischer und vertraglicher Hinsicht für die Verbreitung unserer non-linearen Onlineangebote durch Hybridfernsehen (Connected TV) (4).

1. Die terrestrische Sendung
Rundfunkprogramme werden in Deutschland terrestrisch ausschließlich digital verbreitet. Die terrestrische Sendung ist – neben der Ausstrahlung via Satellit – die originäre Programmverbreitung durch das ZDF, mit der der gesetzliche Verbreitungsauftrag erfüllt wird. Sie wird deshalb auch als Primärausstrahlung bezeichnet. Im Rahmen der Primärausstrahlung verbreiten Sendeunternehmen ihre Rundfunkangebote über eigene terrestrische Netze oder aber angemietete terrestrische Senderkapazität. Das ZDF verfügt dazu – anders als die ARD – nicht über ein eigenes Sendernetz, sondern mietet die erforderliche Verbreitungskapazität. Die unverschlüsselte terrestrische Verbreitung der ZDF-Angebote ist von hoher Bedeutung, da der Zuschauer über diesen Verbreitungsweg unmittelbar erreicht wird, ohne dass sich Drittplattformbetreiber mit eigenen Geschäftsmodellen zwischen Sender und Zuschauer schieben können. Aus Sicht des Zuschauers hat die terrestrische Verbreitung einen hohen Wert, da sie einen ortsunabhängigen Empfang ohne weitere häusliche Verkabelung ermöglicht und eine technisch unkomplizierte, kostengünstige Empfangsmöglichkeit darstellt. Insbesondere in den Ballungsräumen, in denen viele Programme empfangbar sind, nutzen unter Einbezug der Zweit- und Drittgeräte mittlerweile bis zu 25 Prozent der TV-Haushalte DVB-T. Für Smartphones und Tablets erfreut sich der mobile Empfang großer und weiter steigender Beliebtheit.

Die DVB-T-Technik wurde dabei weiterentwickelt. Der Standard DVB-T2 wird für die Zuschauer weiteren Nutzen bieten. Mit ihm wird die Ausstrahlung von HD-Kanälen auch terrestrisch möglich. Die mit DVB-T2 verbundenen Einsparungen an Übertragungskapazität können beispielsweise für barrierefreie Angebote, aber auch für die Verbreitung sämtlicher Programmangebote des ZDF, gegebenenfalls auch in HD sowie zugehöriger non-linearer HbbTV-Angebote, also den Zugriff auf die ZDFmediathek, genutzt werden.

Das ZDF ist deshalb daran interessiert, dass dauerhaft ausreichend terrestrische Frequenzen zur Verfügung stehen, damit möglichst viele Beitragszahler den für sie komfortablen und preiswerten Übertragungsweg nutzen können. Dagegen versuchen Mobilfunkbetreiber aufgrund der zunehmenden Belastung ihrer Netzinfrastruktur, Teile des bisher für Rundfunk genutzten Spektrums für eigene Dienste in Anspruch zu nehmen. Aus Artikel 5 Grundgesetz folgt die Verpflichtung des Staates zur Schaffung einer positiven Rundfunkordnung, die auch über Rahmenbedingungen für die Medien- und Kommunikationsindustrie die Erhaltung und Entwicklung qualitativ hochwertiger Inhalte auf den verfügbaren Übertragungswegen ermöglicht und fördert. Nur dies garantiert die grundgesetzlich abgesicherte Freiheit der Meinungsbildung und der Informationsfreiheit. Die terrestrische Übertragung trägt durch ihre Verfügbarkeit in Ballungsräumen, ihre niedrigen Kosten und die Möglichkeit ihrer mobilen Nutzung erheblich zum Medienpluralismus, also einer Angebotsvielfalt, bei.

Aus Sicht der Zuschauer ist die mit der terrestrischen Verbreitung verbundene Auswahlmöglichkeit und der damit einhergehende Wettbewerb verschiedener Verbreitungswege essenziell im Hinblick auf verbraucherfreundliche Bedingungen des Rundfunkempfangs. Dies wird der Gesetzgeber bei dem Umgang mit Frequenzressourcen, insbesondere auch im derzeit diskutierten 700-MHz-Band, zu beachten haben.

2. Die Ausstrahlung der ZDF-Angebote über Satellit
Die Verbreitung der ZDF-Programme über Satellit ist der zweite technologische Baustein, mit dem das ZDF seinen Verbreitungsauftrag erfüllt. Der analoge Switch-off wurde für die Verbreitung der Rundfunkprogramme über Satellit zum 30. April 2012 erfolgreich abgeschlossen. Auch hierbei handelt es sich um eine Primärsendung des ZDF. Dieses mietet die für die Programmverbreitung erforderliche Transponderkapazität bei dem Satellitenbetreiber, derzeit ASTRA beziehungsweise Eutelsat, an. Die Satellitenverbreitung ist der zurzeit bedeutendste primäre Verbreitungsweg für die ZDF-Programme.

Das ZDF setzt dabei auch künftig auf die unverschlüsselte Ausstrahlung seiner Angebote. Sie entspricht dem europäischen Grundsatz des »free flow of information«. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zudem entscheidendes Medium und Faktor der gesellschaftlichen Meinungsbildung. Er muss deshalb entsprechend den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts für jedermann ungehindert zugänglich sein.

3. Die Weitersendung der Programmangebote des ZDF durch Kabelnetzbetreiber
Die Kabelweitersendung von Rundfunkangeboten durch Dritte ist grundsätzlich von der eigenen Primärsendung der Sendeunternehmen zu unterscheiden.

Die Primärsendung charakterisiert sich – wie dargestellt – dadurch, dass das Sendeunternehmen unmittelbar selbst unter Nutzung eigener oder angemieteter Verbreitungskapazitäten sendet. Die Weitersendung über Kabel zeichnet hingegen aus, dass das Kabelunternehmen die von den Fernsehsendern ausgestrahlten Programme in sein Netz einspeist und mit Endkunden Verträge über die Zurverfügungstellung von Fernsehprogrammen schließt. Das Kabelunternehmen schiebt sich also aufgrund eigener wirtschaftlicher Entscheidung gleichsam zwischen das Sendeunternehmen und den Zuschauer, für den es eine entgeltliche Dienstleistung erbringt. Ohne die Kabelweitersendung würde das ZDF seine Zuschauer unmittelbar durch seine Primärsendung über Satellit oder terrestrisch erreichen.

Für diesen Kabelweitersendevorgang sieht das Urhebergesetz vor, dass das Kabelunternehmen die notwendigen Rechte von den Rechteinhabern (Sendeunternehmen und Verwertungsgesellschaften) erwerben muss. Bereits aus dieser Bewertung ergibt sich, dass der Gesetzgeber von einer Verwertungshandlung des Kabelunternehmens ausgeht.

Dem wird von Kabelnetzbetreibern entgegengehalten, sie erbrächten für die Fernsehsender eine Dienstleistung, nämlich den Transport des Fernsehsignals zum Fernsehzuschauer. Dass keine Transportdienstleistung der Kabelnetzbetreiber vorliegt, wird durch die analoge Verbreitung der ZDF-Programme deutlich. Seit 30. April 2012 werden die Programme vom ZDF nur noch digital ausgestrahlt. Die Kabelnetzbetreiber (KNB) senden sie dennoch analog weiter, wozu eine aufwändige Umwandlung des Sendesignals erforderlich ist. Das fortdauernde Angebot analoger Programme durch die Kabelnetzbetreiber belegt, dass diese sowohl technisch als auch wirtschaftlich eine eigene Weitersendung aufgrund eigener Entscheidung vornehmen. Wären die Kabelnetzbetreiber tatsächlich nur Transporteure für das Signal, würden sie es ohne Veränderung weiterleiten.

Nach Auffassung des ZDF sind daher die in der Vergangenheit an die beiden großen Kabelgesellschaften Kabel Deutschland GmbH (KDG) und Unity Media (einschließlich Kabel BW) gezahlten Einspeiseentgelte jedenfalls in der digitalen Welt nicht mehr sachgerecht.

Die mit Privatsendern vereinbarten Geschäftsmodelle sehen in der digitalen Welt perspektivisch ebenfalls keine Einspeiseentgelte vor. Dass die Kabelweitersendung keine Dienstleistung im Interesse des Fernsehsenders ist, sondern eine eigennützige Zweitverwertung, ist für die digitale Welt bereits in den neuen Geschäftsmodellen zwischen Kabelunternehmen und Sendeunternehmen nachvollzogen worden. So sind die HD-Programme der privaten Sendeunternehmen auch im Kabel nur gegen eine jährliche Zahlung des Zuschauers in Höhe von 50 Euro zugänglich.

Dieses Entgelt teilen sich Kabelunternehmen und Sendeunternehmen. Nach Presseberichten ist die entsprechende Zahlungsbilanz für die Sendeunternehmen bereits positiv, das heißt, sie erhalten leicht höhere Einnahmen aus dem Zuschauerentgelt für den Empfang von HD-Programmen, als sie Einspeiseentgelte an die Kabelunternehmen zahlen. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtung zahlen also in Wahrheit die privaten Sendeunternehmen für die Verbreitung ihrer HD Signale bereits keine Einspeiseentgelte mehr.

Der Wegfall von Einspeiseentgelten entspricht dabei auch der Vertragsgestaltung in allen europäischen Nachbarländern. Nach Kenntnis des ZDF zahlt in den benachbarten Ländern kein nationales Vollprogramm für die Weitersendung seiner Programme Einspeiseentgelte. Auch IPTV-Provider wie die Deutsche Telekom, Mobilfunkbetreiber sowie vielfach Kabelnetzbetreiber der so genannten Netzebene 4 haben in der Vergangenheit keine Einspeiseentgelte verlangt.

Aus dem Must-Carry-Status folgt keine Entgeltpflicht. Kabelunternehmen versuchen Einspeiseentgelte aus der so genannten Must-Carry-Verpflichtung für öffentlich-rechtliche Programme abzuleiten. Allerdings ist zu beachten, dass der Must-Carry-Status nicht zugunsten der Rundfunkanstalt, sondern zur Sicherung des gesamtgesellschaftlichen Anliegens unabhängiger, ausgewogener und pluralistischer Rundfunkangebote im Interesse des Zuschauers besteht. Die europäischen Vorgaben zu Must-Carry regeln, dass ein nationaler Gesetzgeber eine Entschädigung für von ihm geschaffene Must-Carry-Verpflichtungen vorsehen kann. Er ist jedoch dazu nicht verpflichtet. Entscheidet sich ein Gesetzgeber dafür, zu Lasten der Fernsehsender einen finanziellen Ausgleich zu regeln, muss er eine solche Leistungspflicht ausdrücklich anordnen und gleichzeitig den (Kalkulations-)Maßstab und die Höhe der Entschädigung festlegen. Dies ergibt sich aus Paragraf 31 Abs. 2 der Universaldienstrichtlinie. Hiervon hat der deutsche Gesetzgeber aus gutem Grund keinen Gebrauch gemacht.

Eine unveränderte Fortsetzung der bisherigen vertraglichen Vereinbarung über Einspeiseentgelte ist daher nicht sachgerecht. Das ZDF bleibt unabhängig von diesen prozessualen Auseinandersetzungen bemüht, die gegenseitigen Geschäftsbeziehungen mit den Kabelunternehmen auf dem Verhandlungswege angemessen auszugestalten.

4. Die Herausforderungen von Hybridfernsehen (Connected TV)
Connected TV steht für die technologische Konvergenz, das Zusammenwachsen von Fernsehen und Internet auf der Endgeräteseite, vor allem aber für das sich weiter verändernde Nutzerverhalten des Zuschauers, der audiovisuelle Inhalte an Orten und zu Zeiten sowie auf Endgeräten seiner Wahl konsumieren will. Unter dem Schlagwort Connected TV wird gemeinhin die Möglichkeit verstanden, auf einem Fernsehgerät nicht nur Fernsehprogramme zu empfangen. Auf demselben Gerät, mit der gleichen Fernbedienung ist der Zuschauer in der Lage, neben Fernsehprogrammen auch Onlineangebote zu nutzen. Dabei kann es sich um die Mediatheken der Fernsehsender handeln, aber auch um Onlineangebote, die keinerlei Bezug zu einem Fernsehprogramm aufweisen. Geräte, die derartige Funktionalitäten aufweisen, verfügen über eine so genannte Hybridplattform, die den Wechsel zwischen Fernsehprogramm und Internet technisch ermöglicht.

Die Anpassung der Regulierung an die beschriebene technische Konvergenz muss die Inhalte in den Mittelpunkt stellen. Hybridplattformen werden allein durch Inhalte zum Leben erweckt. Die Regulierung von Hybridplattformen muss den chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugang für die Inhalteanbieter zum Ziel haben. Nur dort wird nachhaltig in audiovisuellen Inhalt investiert. Neben dem Bereich von Eigenproduktionen, wie Nachrichten, Magazinen, Dokumentationen und Ratgebersendungen investiert allein das ZDF jährlich in fiktionale Produktionen über 500 Millionen Euro. Sendeunternehmen sind der entscheidende Motor für die Schaffung audiovisueller Inhalte in Deutschland.

Die Endgeräteindustrie nimmt mit Connected TV stärkeren Einfluss auf die Inhalte. Die in die Fernsehgeräte integrierten Portale listen nicht nur in Form bekannter EPGs (Elektronische Programmführer) die Programme, nein, sie ordnen auch non-lineare Inhalte in eigenen Übersichten und ermöglichen über Apps einen schnelleren Zugriff, aber eben auch nur auf – möglicherweise vom Endgerätehersteller – vorausgewählte Onlineangebote.

Die Plattformregulierung und namentlich der Begriff des Plattformbetreibers bedürfen daher einer angemessenen Fortschreibung. Plattformbetreiber, die in Portalen Inhalte zusammenstellen, sind ebenso meinungsbildend und damit einer Regulierung zu unterwerfen wie Plattformbetreiber, die über Übertragungskapazitäten bestimmen. Soweit Rundfunkprogramme unter Pluralismusaspekten geschützt sind, weil sie einen Beitrag zur Meinungsvielfalt, zur demokratischen Willensbildung leisten, erscheint das Recht auf Must Be Found, also auf bloße Auffindbarkeit durch die Zuschauer nicht ausreichend. Für diese Rundfunkprogramme ist vielmehr eine bevorzugte Auffindbarkeit im Interesse der Pluralismus- und Vielfaltssicherung zu fordern. Dies betrifft nicht allein Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern auch Programme privater Sendeunternehmen, soweit sie in dem beschriebenen Sinne einen Beitrag leisten.

Entsprechende Dialoge mit der Endgeräteindustrie werden sowohl von der EBU als auch von ARD und ZDF geführt. Abschließende Verständigungen stehen leider noch aus. Allerdings hat man sich in Deutschland im Rahmen der Diskussion in der Deutschen TV-Plattform auf wichtige Grundsätze verständigen können. Eine gemeinsame Erklärung ist letztlich bisher nur an unterschiedlichen Positionen zur Problematik der so genannten Overlays, das heißt, der Überlagerung des Fernsehbilds durch fremde Inhalte, gescheitert. Einheitliche Regulierungsansätze, gepaart mit entsprechenden Instrumentarien einer Missbrauchsaufsicht, würden hier einen Anreiz zum Abschluss freiwilliger Vereinbarungen setzen.

Weiterhin wollen Plattformbetreiber zunehmend auch non-lineare Inhalte, beispielsweise die Mediatheken der Sendeunternehmen, auf ihren Plattformen zum Abruf bereithalten. Das ZDF hat gemeinsam mit Verwertungsgesellschaften vertragliche Lizenzierungsmöglichkeiten zu dieser auch als Spiegelung bezeichneten Verfügbarkeit seiner Inhalte auf Drittplattformen geschaffen.

Technologische Konvergenz und Veränderungen in der digitalen Welt erfordern damit die Fortentwicklung der rechtlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen, insbesondere für die Verbreitung der ZDF-Angebote auf Drittplattformen. Das ZDF hat die hierfür notwendigen Weichenstellungen im Jahr 2012 eingeleitet.

Peter Weber