Veit Scheller, Leiter des ZDF-Unternehmensarchivs
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1962 – das ereignisreiche, aber »unsichtbare« erste Jahr des ZDF
Intendantenwahl, Direktorenfindung, personeller Aufbau und Programmstart

Das Jahr 2012 begann mit einem bedeutenden Ereignis für das ZDF: Im März übernahm mit Thomas Bellut der fünfte Intendant das für jede Rundfunkanstalt wichtigste Amt. Der Intendant des ZDF besitzt aufgrund der für das ZDF geltenden Rechtsgrundlagen (vor allem des ZDF-Staatsvertrags sowie der Satzung des ZDF)1 eine starke Stellung. Er vertritt das ZDF nach außen und ist für alle Geschäfte der Fernsehanstalt verantwortlich. Die wichtigste Aufgabe des Intendanten ist die Verantwortung für die Gestaltung der ZDF-Programme. Er soll – unterstützt durch die von ihm ausgewählten Führungskräfte – für den Erfolg des Programms sorgen, und nur er ist für das gesendete Programm rechenschaftspflichtig gegenüber den beiden gesellschaftlichen Kontrollorganen Fernsehrat und Verwaltungsrat. Doch alleine kann der Intendant kein Programm produzieren und ausstrahlen. Er kann die Ausrichtung des Programms in Form von strategischen Entscheidungen bestimmen, doch zur Umsetzung benötigt er einen geeigneten Ort, an dem das ZDF-Programm produziert werden kann, engagierte Programm-Macher und einen Verwaltungsapparat, damit die Redakteurinnen und Redakteure sich auf die Programmerstellung konzentrieren können und von bürokratischen Aufgaben entlastet werden.

Anfang des Jahres 1962 gab es aber weder einen ZDF-Intendanten noch Personal, noch Räumlichkeiten, aus denen das ZDF senden konnte. Es gab zum Jahresbeginn nur den von den Bundesländern unterzeichneten ZDF-Gründungsstaatsvertrag – der aber noch nicht von allen Ländern ratifiziert worden war –, die vom rheinland-pfälzischen Ministerialbeamten Dr. Ernst W. Fuhr geleitete »Geschäftsstelle der Fernsehkommission der Ministerpräsidenten«, die vom Land Rheinland-Pfalz in Kreditform bereitgestellten Mittel zum Aufbau des ZDF und das von den Ministerpräsidenten ausgegebene, sehr ambitionierte Ziel eines Programmstarts des ZDF am 1. Juli 1962.

Als erste und wichtigste Aufgabe mussten also die gesellschaftlichen Kontrollgremien, Fernsehrat und Verwaltungsrat, ihre Tätigkeit aufnehmen, um schnellstens einen Intendanten zu wählen, der mit dem personellen Aufbau des ZDF zu beginnen und gleichzeitig den Programmstart vorzubereiten hatte. Ein Neuaufbau aus dem Nichts heraus, kurz: eine »Herkulesaufgabe«.

Der Fernsehrat hat laut ZDF-Staatsvertrag mehrere Aufgaben, die von existenzieller Bedeutung für das ZDF sind. Er soll Richtlinien für die Gestaltung der Sendungen des ZDF erarbeiten (und deren Einhaltung nach Programmstart überwachen), den Haushaltsplan des ZDF genehmigen und über die vom Verwaltungsrat zu erarbeitende Satzung des ZDF befinden (ZDF-Staatsvertrag vom 6. Juni 1961, Paragraf 13). Doch die im Jahr 1962 wichtigste Aufgabe des Fernsehrats war die Wahl eines Intendanten (ZDF-Staatsvertrag vom 6. Juni 1961, Paragraf 19). Die Mitglieder des Fernsehrats sollten aufgrund ihrer Kontrollfunktion zum einen die Bundesländer als Träger des ZDF vertreten, zum anderen aber auch die bundesdeutsche Gesellschaft der 1960er Jahre repräsentativ abbilden. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer legten im ZDF-Staatsvertrag daher fest, dass im 66 Personen zählenden Fernsehrat je ein Vertreter der Bundesländer, drei Abgesandte der Bundesregierung, zwölf Vertreter der im Bundestag befindlichen Parteien, jeweils zwei Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche, ein Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland, drei Gewerkschaftler, zwei Abgesandte der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, je ein Vertreter des Zentralausschusses der Deutschen Landwirtschaft und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, je zwei Vertreter des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger und des Deutschen Journalistenverbandes, je vier Vertreter der Freien Wohlfahrtsverbände und der Kommunalen Spitzenverbände, je ein Vertreter des Deutschen Sportbundes, des Bundes der Vertriebenen, der Freien Berufe, der Familienarbeit, der Frauenarbeit und der Jugendarbeit sowie insgesamt zehn Vertreter aus den Bereichen des Erziehungs- und Bildungswesens, der Wissenschaft und Kunst sitzen sollten. (Fast) alle Gruppierungen des gesellschaftlichen Lebens der Bundesrepublik Deutschland Anfang der 1960er Jahre sollten bei der Kontrolle und Steuerung des für Gesamtdeutschland konzipierten Fernsehsenders ZDF mitwirken können. Diese Bandbreite an Entsendeorganisationen führte aber auch zu einer zeitlichen Verzögerung. Aufgrund des von den Ministerpräsidenten vorgesehenen Programmstarts im Juni 1962 sollte sich der Fernsehrat so schnell wie möglich, nach dem Willen des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Peter Altmeier noch vor Weihnachten 1961, konstituieren.

Doch die Benennung der Vertreter für den Fernsehrat dauerte länger als geplant. Dies lag zum einen an der Uneinigkeit der CDU/CSU- und der SPD-​Ministerpräsidenten über den parteipolitischen »Verteilerschlüssel« der Vertreter aus den Bereichen des Erziehungs- und Bildungswesens, der Wissenschaft und Kunst sowie zum anderen auch an der Benennung der Vertreter der Bundesregierung erst am 10. Januar 1962. Somit konnte Kurt Kiesinger als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz der Bundesländer den Fernsehrat erst für den 6. Februar 1962 zur konstituierenden Sitzung in die Staatskanzlei nach Mainz einladen.2 Dieser Einladung waren 63 Personen gefolgt. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, und Dr. Dr. Wolfram Freiherr von Gugel aus der Gruppe der Erziehung/​Bildung/​Wissenschaft/Kunst-Vertreter fehlten. Der Freistaat Bayern hatte offiziell keine Person nach Mainz geschickt, da das Bayerische Parlament dem ZDF-Staatsvertrag noch nicht zugestimmt hatte. Als Beobachter saß aber der bayerische Ministerialdirigent Prof. Dr. Gerner mit im Sitzungsraum.

Zur Wahl des ersten Vorsitzenden des Fernsehrats konnten dann sogar nur 59 Fernsehratsmitglieder ihre Stimmen abgeben, denn auf Vorschlag von Kurt Kiesinger konnten nur die Ländervertreter wählen, deren Länder den ZDF-Staatsvertrag schon ratifiziert hatten (nicht stimmberechtigt waren die Länder Niedersachsen, Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen). Die stimmberechtigten Fernsehratsmitglieder wählten dann im ersten Wahlgang den Hannoveraner Rechtsanwalt und Vertreter des Deutschen Sportbundes, Dr. Walter Wülfing, zum ersten Vorsitzenden des ZDF-Fernsehrats. Zu seinen Stellvertretern wurden der SPD-Vertreter Jockel Fuchs und der CDU-Vertreter Dr. Rainer Barzel bestimmt. Der im Grundgesetz festgelegten Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes wurde somit auch im Fernsehrat des ZDF Rechnung getragen.

Ein »Ausschuss zur Beratung der Geschäftsordnung« des Fernsehrats im März 1962 schlug zwecks effizienter Tätigkeit des Fernsehrats die Einsetzung von ständigen Ausschüssen vor, die sich entsprechend ihrer Spezialisierung im Vorfeld der Fernsehratssitzungen mit Fachfragen beschäftigten und dann dem gesamten Fernsehrat Entscheidungsvorschläge vorzulegen hätten. Ab April 1962 wurden sieben unterschiedlich große Ausschüsse für die Programmgestaltung eingerichtet: Richtlinienausschuss (15 Mitglieder); Ausschuss für Haushalts- und Finanzfragen (11 Mitglieder); Ausschuss für Unterhaltungssendungen (15 Mitglieder); Ausschuss für Werbefernsehprogramme (11 Mitglieder); Ausschuss für Wissenschaft, Bildung, Erziehung (15 Mitglieder); Ausschuss für allgemeine Kultur (15 Mitglieder); Ausschuss für Dokumentation und Zeitgeschehen (21 Mitglieder). In den folgenden Sitzungen beschloss der Fernsehrat auftragsgemäß am 2. April 1962 die »Satzung des ZDF« und am 11. Mai 1962 einen »Vorläufigen Haushaltsplan«. Außerdem wirkte er im Frühjahr 1962 bei der Suche nach geeignetem Personal für die Direktorenposten mit und äußerte sich regelmäßig zu verschiedensten Fragen der Programmgestaltung (beispielsweise zum Programmschema, dem Aufbau der Hauptabteilung Tagesgeschehen inklusive der Sendezeit der zukünftigen Nachrichtensendung etc.). Auch an organisatorischen Entscheidungen wie der Einrichtung der Auslands- und der Landesstudios war der Fernsehrat beteiligt (zum Beispiel Zustimmung des Fernsehrats vom 11. Mai 1962 zur Errichtung der ZDF-Studios in Bonn und Berlin).

Neben dem Fernsehrat gab es mit dem Verwaltungsrat noch ein zweites ZDF-Kontrollorgan. Der Verwaltungsrat des ZDF war kleiner als der Fernsehrat, er bestand nur aus neun Mitgliedern (drei Vertreter der Bundesländer, fünf vom Fernsehrat zu wählende Vertreter und ein Vertreter der Bundesregierung). Der Verwaltungsrat überwacht hauptsächlich die Tätigkeit des Intendanten in Haushaltsfragen und kann über seine Beschlussfunktion des Haushaltsplans, der dann aber noch vom Fernsehrat genehmigt werden muss, sehr stark in die Entwicklung des ZDF eingreifen. Zu einer seiner ersten Amtshandlungen nach seiner Konstituierung am 27. Februar 1962 gehörte der Erlass einer »Vorläufigen Finanzordnung des ZDF« am 9. März 1962. Wie schon der Fernsehrat, bildete der Verwaltungsrat Fachausschüsse. 1962 besaß er drei Ausschüsse: Haushaltskommission (Finanzausschuss), Bauausschuss und Arbeitsausschuss zur Vorbereitung der Verwaltungsratssitzungen. Mit der Wahl des rheinland-pfälzischen Ministerpräsident Peter Altmeier zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats wurde eine ungeschriebene Tradition gestartet, die bis heute anhält. Bisher wurden alle Ministerpräsidenten des ZDF-Sitzlandes Rheinland-Pfalz auch Vorsitzende des ZDF-Verwaltungsrats.

Die wichtigste Aufgabe im Frühjahr 1962 hatte aber der Fernsehrat. Er musste den Intendanten des ZDF wählen. Dies erwies sich schwieriger als gedacht. Zwecks Auswahl eines geeigneten Kandidaten hatte der Fernsehrat einen elfköpfigen Wahlausschuss gebildet, der am 20. Februar 1962 in Bonn zu seiner ersten Sitzung zusammentrat. Der Ausschuss musste aus dem »beträchtlichen Katalog der Kandidaten« einen geeigneten auswählen. Namen von Intendantenkandidaten gab es viele, im Vorfeld der Ausschusssitzung wurden unter anderen genannt: der SDR-Intendant Hans Bausch, der SWF-Intendant Friedrich Bischoff, der WDR-Fernsehdirektor Hans Joachim Lange, der Leiter der NDR-Hauptabteilung Wort Franz Reinholz, der frühere WDR-Intendant Hanns Hartmann, der ehemalige Vorsitzende des SWF-Rundfunkrates Karl Holzamer, der Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt, Dieter Sattler, und der Diplom-Ingenieur und Mitinhaber der RIVA Produktions- und Atelierbetriebe München, Wilhelm Vaillant. Die Diskussion im Wahlausschuss drehte sich nicht nur um die fachliche Eignung der Kandidaten, sondern auch um das politische »Tableau«, nämlich die »proporzgerechte Verteilung der nächstwichtigen Positionen«, wie es die Fachzeitschrift Funk-Korrespondenz umschrieb. Den Ausschussmitgliedern war klar, dass der zukünftige ZDF-Intendant die Weichen für die Position des ZDF in der deutschen Medienlandschaft stellen würde. Ob das ZDF eine Art »kleine ARD« oder ein eigenständiger TV-Sender mit einem qualitativ hochwertigen Programm werden würde, hing stark vom zukünftigen Intendanten und seinen personellen wie programmlichen Entscheidungen ab. Aufgrund der damaligen politischen Mehrheitsverhältnisse besaßen die Unionsparteien im von der Presse aufgrund der bekannten Mainzer Fastnacht scherzhaft »Elferrat« genannten Intendantenwahl-Ausschuss ein Vorschlagsrecht für einen aus ihren Reihen stammenden oder ihnen nahestehenden Kandidaten. Hans Bausch und Wilhelm Vaillant wurden als Favoriten gehandelt. Doch gegen beide gab es Widerstände. Ebensowenig fand die erst am Sitzungstag aufgetauchte Eigenbewerbung von Ernest Bornemann, dem Programmdirektor der in Liquidation befindlichen Freien Fernsehen GmbH, breite Zustimmung. Der von einer CDU-Mehrheit favorisierte Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt, Dieter Sattler – der bereits 1960 von der CDU als WDR-Intendant nominiert worden war –, lehnte ab und empfahl stattdessen den Vortragenden Legationsrat erster Klasse und Leiter des Inlandsreferates im Auswärtigen Amt, Gerhard Brand, als Intendantenkandidat. Dem Fernsehlaien Brand sollte als Fachmann – so der Wille der SPD – der Radio-Bremen-Intendant Heinz Kerneck als Programmdirektor und stellvertretender Intendant zur Seite gestellt werden. Doch Brand verzichtete am Abend des 20. Februar 1962 plötzlich auf seine Kandidatur, nachdem er am Nachmittag noch zugesagt hatte. Das ausgehandelte Personaltableau war somit hinfällig. Fieberhaft verhandelten die Parteispitzen im Hintergrund. Eine weitere Ausschusssitzung am festgelegten Intendantenwahltag, dem 27. Februar 1962, brachte keinen allseits anerkannten Intendantenvorschlag hervor. Der Ausschuss- und Fernsehratsvorsitzende Walter Wülfing musste gegenüber den zur Wahl versammelten Fernsehräten eingestehen, dass es keinen einheitlichen Ausschussvorschlag gebe. Die unionsdominierte Ausschussmehrheit schlug trotzdem den CDU-/CSU-Fraktionsgeschäftsführer und Rundfunkexperten Bruno Heck als Intendanten vor. Erwartungsgemäß verfehlte Heck bei der geheimen Wahl im Fernsehrat die zur Intendantenwahl notwendige Dreifünftel-Mehrheit, denn die SPD hatte geschlossen gegen ihn gestimmt. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel kommentierte das Wahldesaster spöttisch als »Heck-Meck«, die Süddeutsche Zeitung sprach von einem »Mainzer Intendanten-Quiz«. Angesichts dieser vertrackten Situation musste der Fernsehratsvorsitzende die Wahl des Intendanten auf den nächsten Sitzungstermin verschieben und ein neues Wahlvorbereitungsgremium einberufen. Dem neuen, nur noch aus sechs Personen bestehenden Ausschuss gehörten nun neben den Fernsehratsmitgliedern Walter Wülfing, Rainer Barzel und Jockel Fuchs auch die Verwaltungsratsmitglieder Peter Altmeier, Heinrich Landahl und Wolfgang Haußmann an.

Der Ausschuss einigte sich in seiner Sitzung am 9. März 1962 auf vier Vorschläge: Hans Bausch (SDR-Intendant), Berthold Martin (Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Kulturpolitik und Publizistik), Karl Holzamer (Professor für Philosophie, Pädagogik und Psychologie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz) und Wilhelm Vaillant (Mitinhaber der RIVA Produktions- und Atelierbetriebe München). Die SPD-Gruppe im Fernsehrat signalisierte der CDU ihr grundsätzliches Einverständnis mit allen Kandidaten. Die Unionsgruppe im Fernsehrat lehnte Bausch und Vaillant aus unterschiedlichen Gründen ab. Eine Abstimmung innerhalb der Gruppe ergab eine Mehrheit für den katholischen CDU-Mann und ehemaligen Hörfunkreporter Holzamer. Der Weg war frei für die erfolgreiche Intendantenwahl am 12. März 1962. Der Fernsehrat des ZDF wählte an diesem Tag im Großen Saal der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz in Mainz mit 44 Ja-Stimmen von 58 abgegeben Stimmen (bei neun Gegenstimmen, vier Enthaltungen und einer ungültigen Stimme) den Mainzer Philosophieprofessor Karl Holzamer zum ersten Intendanten des ZDF. Mit der Wahl wurde das ZDF geschäftsfähig und begann nun auch personell zu existieren. Die bisher alle administrativen Aufgaben für das ZDF erledigende »Geschäftsstelle der Fernsehkommission der Ministerpräsidenten« unter Ernst W. Fuhr konnte ihre Arbeit beenden.

Die Presse beneidete den »Herrn des zweiten Fernsehkanals« am nächsten Tag in ihren Kommentarspalten nicht um seine Aufgabe. Professor Holzamer versprach den Zuschauern eine »Anstalt für alle«. Das zukünftige ZDF-Programm, so führte Holzamer aus, müsse ein »prägendes, bildendes Instrument und eine Lebenshilfe für Menschen ›von heute‹« sein, »nichts sollte verschnulzt, verquizzt oder intellektualisiert« werden. Er freue sich auf ein »schönes, aber schweres Amt«. Der ursprüngliche Kompromisskandidat Karl Holzamer sollte sich für das ZDF als Glücksfall erweisen. Der »Philosoph im Intendantenamt«, wie der ehemalige ZDF-Intendant Markus Schächter Professor Holzamer einmal nannte, führte das ZDF von 1962 bis 1977 und machte aus dem Sender innerhalb kürzester Zeit eine geachtete Fernsehanstalt mit einem beliebten und geschätzten Programm.

Bis zum Frühjahr 1962 stimmten auch fast alle Länderparlamente dem ZDF-Staatsvertrag zu, und die Ratifizierungsurkunden wurden hinterlegt. Nach der Zustimmung zum Vertrag durch die Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zum 1. Dezember 1961 trat bekanntlich der ZDF-Staatsvertrag zu diesem Datum in Kraft (siehe dazu: ZDF-Jahrbuch 2011, Seite 30-34). Aus der staatsvertraglich manifestierten Willensbekundung der Bundesländer, einen neuen, für ganz Deutschland tätigen Fernsehsender zu schaffen, war damit nun institutionelle Wirklichkeit geworden. Hessen stimmte noch im Dezember 1961 dem Vertrag zu und ratifizierte ihn. Alle anderen Länder verzögerten die Vertragszustimmung und Ratifizierung aus verschiedenen politischen, nicht mit dem ZDF zusammenhängenden Gründen. Das Berliner Parlament hatte dem Vertrag zwar am 16. November 1961 zugestimmt, ratifizierte ihn aber aufgrund von ungeklärten Finanzierungsfragen des Senders Freies Berlin (SFB) erst im Februar 1962. Ebenfalls im Februar 1962 ratifizierten Bremen, Hamburg, Niedersachsen und das Saarland den Vertrag. Nur ein Land äußerte Bedenken gegen den ZDFStaatsvertrag: der Freistaat Bayern. Der Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR), Christian Wallenreiter, favorisierte ein zweites Fernsehprogramm für Bayern. Er dachte noch im Februar 1962 an ein eigenes »großes Programm süddeutscher Prägung«. Außerdem fand der BR die Festlegung, dass 30 Prozent der ihm bisher zufließenden Fernsehgebühren nach Mainz gehen sollten, inakzeptabel. Der BR behauptete, der ZDF-Gründungsstaatsvertrag verstoße gegen die bayerische Verfassung. Ferner könne der BR seine Aufgaben nicht mehr erfüllen, wenn er 30 Prozent weniger Fernsehgebühren hätte. Auch der Verwaltungsrat des BR empfahl dem bayerischen Landtag die Ablehnung des ZDF-Staatsvertrags, die Abgeordneten waren sich uneinig. Der kulturpolitische Ausschuss des bayerischen Landtages stimmte im Mai 1962 gegen eine Zustimmung Bayerns zum ZDF-Vertrag, ebenso wie der Haushaltsausschuss sowie der Rechts- und Verfassungsausschuss. Nach intensiver politischer Diskussion sowie der Zusage des ZDF, dass München für das ZDF ein wichtiger Produktionsstandort werden würde, stimmte der bayerische Landtag in dritter Lesung mit 96 Ja- und 85 Nein-Stimmen bei fünf Enthaltungen mit knapper Mehrheit dem ZDF-Staatsvertrag zu. Mit der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde am 9. Juli 1962 trat der ZDF-Staatsvertrag unter allen Bundesländern in Kraft. Das juristische Tauziehen um das ZDF sollte aber damit noch nicht beendet sein. Der erste Justitiar des ZDF, Dr. Ernst W. Fuhr, musste mit seinem kleinen Team bis in die 1970er Jahre noch einige juristische »Abwehrschlachten« schlagen.

Doch das »bayerische Problem« war im Frühjahr 1962 nicht das Wichtigste für den frisch gekürten ZDF-Intendanten. Er musste schnellstens geeignetes Personal für das ZDF finden, beginnend mit versierten Fachleuten für die beim Aufbau der Anstalt überaus wichtigen Direktorenposten. Der enge Zeitplan sah vor, dass der ZDF-Intendant noch im März 1962 die Direktoren auswählen sollte, damit diese dann gemeinsam mit dem Intendanten Ende April/Anfang Mai die Leiter der wichtigsten Redaktionen bestimmen konnten. Doch über welche fachlichen und anderweitigen Qualifikationen musste ein ZDF-Direktor verfügen? Neben fachlichen Erfahrungen im Bereich »Sehfunk« – wie es seinerzeit noch hieß – und allgemeiner Führungskompetenz musste ein zukünftiger ZDF-Direktor auch ins damalige »Proporz-Tableau« passen. Entsprechend der Absprachen der Parteien untereinander vor der Wahl von Karl Holzamer zum Intendanten sollte beispielsweise sowohl der Programmdirektor als auch der stellvertretende Intendant ein SPD-Kandidat sein. Auch die anderen Parteien hatten Direktorenposten für eigene Parteifreunde reklamiert. Diskussionslos wurde durch den Fernseh- und den Verwaltungsrat die strukturelle Dreiteilung des ZDF in »Verwaltung – Programm – Technik« gebilligt. Im Gegensatz zur Struktur der meisten Landesrundfunkanstalten der ARD und obwohl das ZDF »nur« ein Fernsehsender werden sollte, wurde die Aufteilung des Programmbereichs in zwei gleichrangige Direktionen (Programmdirektion und Chefredaktion) von den Gremien akzeptiert. Trotz der Bedeutung der Funktionen fand Professor Holzamer sehr schnell ihm geeignet erscheinende Männer für die Spitzenfunktionen des ZDF. Schon am 28. März 1962 stimmte der Verwaltungsrat des ZDF den Personalvorschlägen Holzamers für die Funktionen des Programmdirektors, des Chefredakteurs und Verwaltungsdirektors zu.

Wen hatte Professor Holzamer für diese Spitzenfunktionen vorgeschlagen? Programmdirektor wurde der 39 Jahre alte Korrespondent und Kommentator des Bonner Büros des Südwestfunks (SWF) Ulrich Grahlmann, der vor seiner SWF-Tätigkeit als freier Journalist für Tageszeitungen und Fachorgane sowie als persönlicher Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten gearbeitet hatte. Chefredakteur wurde der 43-jährige Wolf Dietrich. Dieser hatte nach seinem Studium der Zeitungswissenschaften, Geschichte und Soziologie seine Karriere als Reporter und Kommentator beim RIAS in Berlin begonnen. Er avancierte zum RIAS-Chefreporter und Leiter der »Aktuellen Sendungen«; von 1952 bis 1962 war er Leiter des Bonner Büros des Süddeutschen Rundfunks (SDR). Außerdem stand Dietrich seit 1961 als Vorsitzender der Bundespressekonferenz vor. Der rheinlandpfälzische Ministerpräsident und ZDF-Verwaltungsratsvorsitzende Peter Altmeier freute sich daher, dass mit diesen beiden zwei »alte Rundfunk- und Fernsehhasen« für das ZDF gewonnen werden konnten. Verwaltungsdirektor sollte der 38-jährige Jurist Kurt Rebmann werden. Rebmann hatte nach seinem Jurastudium promoviert und bei verschiedenen baden-württembergischen Gerichten gearbeitet, bevor er 1956 in die Landesvertretung Baden-Württembergs nach Bonn gewechselt war. Seit 1959 leitete Rebmann die Abteilung Öffentliches Recht im Justizministerium Baden-Württembergs. Obwohl die Ernennung der drei Direktoren »im Einvernehmen« mit dem ZDF-Verwaltungsrat erfolgte, verzögerte sich die Bestätigung der Direktorenverträge durch dieses Gremium. Es gab »einige Uneinigkeiten« zwischen dem Verwaltungsrat und den drei zukünftigen Direktoren, sowohl bei den Gehaltsvorstellungen als auch bei einzelnen Vertragsmodalitäten, wie die damalige Fachpresse berichtete. Als Anfang Mai 1962 der baden-württembergische Ministerpräsident Kiesinger Rebmann bat, wieder nach Stuttgart ins Justizministerium zu kommen, beendete dieser nach fünfwöchiger, vertragsloser Zeit am 9. Mai 1962 seine Tätigkeit als Verwaltungsdirektor. Die Presse gab der »Verzögerungstaktik« des Verwaltungsratsvorsitzenden und rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Altmeier die Schuld an diesem ersten kleinen Personalskandal des ZDF. Für Rebmann war sein (Rück-)Schritt nach Stuttgart nicht von Nachteil. Nach der Ermordung von Siegfried Buback 1977 wurde er dessen Nachfolger als Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof. Erst am 1. Juli 1962 konnte das ZDF mit der Berufung des 53-jährigen Juristen und bisherigen Hauptgeschäftsführers der Vereinigung Mittelrheinischer Unternehmerverbände, Franz Huch, den Posten des Verwaltungsdirektors besetzen. Mit Wirkung vom 1. Mai 1962 war aufgrund seiner Erfahrungen im Bereich Planung und Ausführung fernsehtechnischer Projekte sowie seines Organisationstalents der 46-jährige Rudolf Kaiser, bis dahin Oberingenieur im Bereich Fernsehen der Technischen Direktion des WDR, zum Technischen Direktor ernannt worden. Seine wichtigste Aufgabe sollte die Ertüchtigung der provisorischen Sendestelle in Eschborn und später der fernsehtechnische Aufbau der Sendeanlagen »Unter den Eichen« in Wiesbaden werden. Mit der Ernennung Kaisers war die Geschäftsleitung des ZDF offiziell vollständig. Allerdings fehlte noch eine wichtige Personalie für das Funktionieren einer Rundfunkanstalt: die des Justitiars. Auf Empfehlung des FDP-Politikers Wolfgang Haußmann (die FDP besaß nach interner Abstimmung im Verwaltungsrat ein Vorschlagsrecht für den Justitiarsposten) hatte Professor Holzamer im Juni 1962 einem 35-jährigen Bonner Rechtsanwalt, der auch Mitglied des Fernsehrates war, angeboten, Justitiar des ZDF zu werden. Dieser Rechtsanwalt und FDP-Jungpolitiker lehnte nach einiger Bedenkzeit Mitte Juli das ZDF-Angebot ab, da inzwischen die angedachte »herausgehobene Position« des Justitiars in die »auf mittlerer Ebene liegende Stelle des Leiters der Rechtsabteilung« geändert worden war und auch die Vertreterfunktion für das ZDF bei nationalen und internationalen Organisationen nicht dem Justitiar zugeordnet werden sollte. Das »Pech« des ZDF wurde zum Glücksfall für die Bundesrepublik Deutschland, denn dieser Rechtsanwalt, der später gern gelbe Pullover trug, war Hans-Dietrich Genscher und sollte als Außenminister große Anerkennung erlangen. Mit der Absage Genschers begann die Suche nach einem Justitiar von Neuem. Auch der nächste Kandidat, der bisherige Leiter der Geschäftsstelle der Fernsehkommission der Ministerpräsidenten, Oberregierungsrat Ernst W. Fuhr, lehnte im Herbst 1962 aus den gleichen Gründen wie Genscher das Justitiarsamt ab und blieb als »Hauptabteilungsleiter zur besonderen Verwendung (z.b.V.)« bei der ZDF-Intendanz. Erst nach strukturellen und funktionalen Zugeständnissen nahm Fuhr zum 1. März 1964 die Stelle als Justitiar des ZDF an.

Der erste Mitarbeiter des ZDF war natürlich Professor Holzamer als ZDF-Intendant. Aber eigentlich gab es sogar eine Einstellung vorher, denn der Fahrer des zukünftigen Intendanten, Seppl May, hatte seinen »ZDF-Arbeitsvertrag« noch vor Holzamer unterschrieben. Nach der Wahl der Direktoren kam der personelle Aufbau des ZDF im Frühsommer 1962 richtig in Fahrt. Ab Mitte Mai wurden nach und nach alle wichtigen Redaktionsstellen und Verwaltungsposten besetzt. Das Personal des ZDF wuchs von 184 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ende Juni 1962 auf 371 Ende August. Nach einer regelrechten Einstellungswelle zum 1. Oktober und weiteren Einstellungen arbeiteten zum Jahresende 1962 schon 1026 Personen beim ZDF. Zur »Gründergeneration« des ZDF gehörten später bekannte Fernsehgesichter wie (in alphabetischer Reihenfolge) Wolfgang Brobeil, Gerhard Dambmann, Volker von Hagen, Klaus Harpprecht, Sven Hasselblatt, Werner Kaltefleiter, Gerhard Prager, Rudolf Radke, Hajo Schedlich, Karl Senne, Rüdiger Freiherr von Wechmar, Hans Herbert Westermann, Rudolf Woller oder der 2012 verstorbene Sportjournalist Harry Valérien – um nur einige wenige mit Einstellungsdatum 1962 zu nennen.3

Im Mai 1962 fällte der ZDF-Intendant nach einem Gespräch mit einem jungen Wissenschaftsredakteur des Saarländischen Rundfunks (SR) eine Personalentscheidung, die für das ZDF noch eine besondere Bedeutung erlangen sollte. Dieser 28-jährige Redakteur war Holzamer schon als Student in Mainz aufgefallen, und nachdem sein Mainzer Universitätskollege Professor Wisser Holzamer empfohlen hatte, sich einen Assistenten zu suchen, der »nicht von einflussreichen Kräften der Politik«4 entsandt wurde, warb Professor Holzamer den Redakteur Dieter Stolte vom Saarländischen Rundfunk ab. Der spätere, sehr erfolgreiche ZDF-Intendant Dieter Stolte war somit von Anfang an engstens mit dem ZDF und dessen Aufbau verbunden.

Der schnelle personelle Aufbau brachte für Andere Probleme mit sich. So schimpfte der ARD-Vorsitzende Bausch über das aus seiner Sicht »Mainzer Laien-Gremium«, denn nicht wenige ARD-Mitarbeiter ließen sich zum ZDF locken (teils mit höheren Gehältern, teils mit interessanteren Aufgaben). Im Dezember 1962 beschwerte sich Bausch im Namen der ARD, dass bisher schon 350 ARD-Mitarbeiter zum ZDF gewechselt seien, ein Ende nicht absehbar sei und dies für einige ARD-Anstalten sendegefährdend werden könnte. Berühmt wurde der so genannte »Geist von Eschborn«, das heißt, die Arbeitseinstellung der ersten ZDF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, denn diese mussten sehr anpassungsfähig mit den örtlichen Widrigkeiten umgehen. Und damit waren nicht nur die räumlichen Probleme gemeint. Selbst der Intendant verfügte bis zum Bezug eines Bürohausneubaus der Allianz-Versicherung am 4. April 1962, in dem das ZDF mehrere Etagen angemietet hatte, über kein eigenes Büro, sondern saß in einer Dachstube in der Mainzer Staatskanzlei. Doch das Entscheidende war Flexibilität bei den auszuübenden Tätigkeiten. Im Gegensatz zu heute hatten sich die Mitarbeiter 1962 laut ZDF-Geschäftsordnung »nicht nur auf das ihnen zugewiesene Aufgabengebiet (zu) beschränken, sondern freiwillig dort einzuspringen, wo es jeweils notwendig ist.«

Das Hauptziel aller Bemühungen der ZDF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war ein zügiger Sendestart. Die Ministerpräsidenten hatten Ende 1961 für das ZDF – nach anfänglichen Überlegungen eines Sendebeginns sogar zum 1. Januar 1962, die aber schnell verworfen wurden – einen Sendestart zum 1. Juli 1962 gefordert. Doch schon Ende März 1962 teilte Professor Holzamer dem ZDF-Verwaltungsrat mit, dass das ZDF bei einem Sendestart im Juli 1962 eigene Beiträge nur in geringem Umfang ausstrahlen könne (ungefähr zwei Stunden). Grundlage dieses Programms sollte eingekauftes Programm der ARD-Anstalten und Programm der abgewickelten Freien Fernsehen GmbH sein, welches das ZDF aber noch auf seine Verwendungsfähigkeit prüfen müsse. Eigene ZDF-Beiträge würden im Laufe der Zeit in wachsendem Maße hinzukommen. Mitte Mai musste dann das ZDF bekennen, dass es wegen der kurzen Anlaufzeit nicht möglich sei, ab dem 1. Juli auf Sendung zu gehen. Der Fernsehrat stimmte der Bitte des Intendanten zu, den Sendebeginn auf den 1. April 1963 zu verschieben. Die ARD-Rundfunkanstalten mussten weiterhin ihr schon seit Juli 1961 ausgestrahltes provisorisches zweites Fernsehprogramm betreiben (später auch als »ARD 2« bezeichnet). Das ZDF bleibt im Jahr 1962 für die Zuschauer unsichtbar.

Aber die ZDF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren nicht untätig. »Wir brauchen Pioniere«, hatte Professor Holzamer bei seiner ersten Pressekonferenz auf die Frage nach den zukünftigen Mitarbeitern gesagt. Und die »Gründungspioniere« des ZDF erarbeiteten sich trotz widriger Arbeitsbedingungen im ehemaligen FFG-Sendekomplex in Eschborn bei Frankfurt a.M. das notwendige Fernseh-Know-how. Auch die für das Fernsehen erforderliche Logistik wurde aufgebaut. Aus heutiger Sicht mutet es seltsam an, wenn Filmbüchsen mit Nachrichtenmaterial von Flugzeugen aus an Fallschirmen über Eschborn abgeworfen wurden, aber es gab bekanntlich damals noch keine Fernsehsatellitentechnik. Überhaupt war das so genannte Sendezentrum in Eschborn alles andere als »fernsehtauglich«. Bei Regen versank alles in Schlamm, die Studios waren provisorisch in einem ehemaligen Bauernhofgebäude untergebracht, das Fernseh- und das Musikarchiv »logierten« in einem früheren Kuh- beziehungsweise Ziegenstall, Redaktionen saßen in zugigen Holzbaracken, und die Fernsprechanlagen in Mainz beziehungsweise Eschborn reichten nicht aus, um den ganzen Telefonverkehr zu bewältigen, sodass der Intendant im Herbst 1962 alle um Nachsicht bitten musste.

Seit Herbst 1962 wurde bereits »richtig Fernsehen gemacht«, die Nachrichtenredaktion beispielsweise produzierte erste Beiträge, später ganze Nachrichtensendungen, die aber nie ausgestrahlt wurden. Schon am 25. und 26. August 1962 hatte in Sandweiher bei Baden-Baden das ZDF als erste Unterhaltungssendung ein kleines Konzert des amerikanischen Gesangsquartetts »The King Sisters«, begleitet vom Pianisten Horst Jankowski, aufgenommen. Am 4. Oktober 1962 zeichnete das ZDF die UNICEF-Gala »Musik der Welt« mit den Weltstars Marlene Dietrich und Jacques Brel, dem Orchester Max Greger und den Bamberger Symphonikern in Düsseldorf auf (im ZDF ausgestrahlt am 2. Juni 1963). Die Sendearchive füllten sich nach und nach mit sendefähigem Material. Das ZDF war (fast) bereit zu starten, es brauchte nur noch wenige Monate Vorbereitungszeit.

Viele Geschichten gäbe es noch zu berichten: über den Streit der Nachrichtenredakteure um Rudolf Radke, die im Biergarten einer Niederhochstädter Gaststätte stritten, ob der Titel »heute« für eine Nachrichtensendung geeignet sei, oder die beginnende Diskussion, wo denn das ZDF in der Stadt Mainz sein endgültiges Sendezentrum bauen solle, und die Versuche der Stadt Wiesbaden, den ZDF-Studiokomplex in der hessischen Landeshauptstadt zu behalten, oder von Opel-Blitz-Bussen des ZDF, die ZDF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwischen Mainz und Eschborn hin- und herfuhren beziehungsweise von einer BMW-Isetta mit ZDF-Aufdruck, die Post- und Kurierfahrten durch Mainz durchführte, oder der Suche nach fernsehtauglichen Moderatorinnen und Moderatoren für das zukünftige Programm, die sich schwieriger erwies als gedacht, da das »rote Licht« auf der Kamera viele nervös werden ließ.

Es war ein »abenteuerlicher Anfang aus dem Nichts«, wie es das erste ZDF-Jahrbuch für die Jahre 1962/1964 nannte, gekennzeichnet von dem Willen aller – ob Politiker, ZDF-Intendant, ZDF-Direktoren oder einfachem Mitarbeiter –, das vorgegebene Ziel zu erreichen und den Zuschauern ab dem Jahr 1963 ein bestmögliches Programm zu bieten. Bis der ZDF-Intendant Professor Holzamer zum Sendestart am 1. April 1963 die Begrüßungsworte »Ohne eine feierliche Eröffnung, vielmehr mitten aus dem Alltag der Arbeit, begrüße ich Sie als die Zuschauer ...« sprechen konnte, war viel Arbeit im Jahr 1962 notwendig gewesen. Diese sehr unterschiedlichen Bemühungen hatte der Zuschauer nicht auf seinem Fernsehschirm sehen können, sie waren aber für die Existenz des ZDF von großer Bedeutung und bildeten den Grundstein für die heute geachtete Stellung des »Zweiten« in der deutschen und internationalen Medienlandschaft.

  1. Siehe dazu: www.unternehmen.zdf.de
  2. Kleine Anekdote am Rande: Ende Januar 1962 entdeckte im Zusammenhang mit einem Gespräch mit dem Staatsministerium Baden-Württemberg der Leiter der Geschäftsstelle der Fernsehkommission der Ministerpräsidenten der Bundesländer, Dr. Ernst W. Fuhr, dass der Paragraf 26 über die Einberufung der ersten Sitzungen des Fernsehrates in der rheinlandpfälzischen Ministerpräsidenten-Fassung des ZDF-Staatsvertrages fehlte. Im Nachgang wurde festgestellt, dass Paragraf 26 bereits in der Anlage zum Schreiben von Rheinland-Pfalz-Ministerpräsident Altmeier an den rheinland-pfälzischen Landtagspräsidenten vom 14. Juni 1961 und somit auch in der rheinland-pfälzischen Landtags-Drucksache Nr. II / 307 nicht existierte. Damit war eigentlich dieser Paragraf für Rheinland-Pfalz nicht existent, d.h. rechtskräftig
  3. Eigentlich gehören alle Einstellungen der Jahre 1962 und 1963 genannt, denn ohne den Enthusiasmus der »Gründergeneration« wäre der schnelle Aufbau und der Programmerfolg des ZDF nicht möglich gewesen
  4. Stolte, Dieter: Mein Leben mit dem ZDF. Geschichte und Geschichten. Mit einem Vorwort von Bernhard Vogel, Berlin: Nicolaische Verlagsbuchhandlung 2012, S.19
Veit Scheller
Konstituierende Sitzung des ersten Fernsehrats des ZDF
»Telesibirsk« in Eschborn, 1961 von der FFG übernommen und ab 1962 zur Vorbereitung des Sendestarts im April 1963 genutzt
Peter Altmeier gratuliert Karl Holzamer zu seiner Wahl zum ersten Intendanten des ZDF
Siegerinnen des ersten ZDF-Ansagerinnen-Wettbewerbs
Karl Holzamer und Ernst W. Fuhr beraten über den Ankauf des FFG-Programmvermögens