Ruprecht Polenz, Vorsitzender des ZDF-Fernsehrats
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Ein neuer Fernsehrat hat sich im Sommer 2012 konstituiert. Rund ein Drittel der Fernsehratsmitglieder sind neu in das Gremium entsandt worden. Sie haben ihre neue Aufgabe engagiert in Angriff genommen: Das ZDF zu kontrollieren und zu beraten, insbesondere, wenn es um das Programm geht. Das sind für den Fernsehrat vor allem die strategischen Fragen mit Programmbezug bei der Umsetzung der Sparvorgaben der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), die Ansprache jüngeren Publikums, die Ausgestaltung der Digitalkanäle sowie die Onlineaktivitäten und der Jugendmedienschutz.

Strategische Fragen mit Programmbezug
Nicht erst durch die Sparvorgaben der KEF war absehbar, dass das ZDF den Gürtel enger schnallen muss. Die KEF hat die Zahlen konkretisiert: Bis 2016 sind 75 Millionen Euro im Personalbereich oder 400 Köpfe (so genannte Full Time Equivalents) einzusparen. Diese Einsparungen werden sich freilich auf das Programm auswirken.

Der Fernsehrat ist durch die Informationen des Intendanten und seiner Geschäftsleitung frühzeitig einbezogen worden, auch wenn für Haushalts- und Personalfragen primär der Verwaltungsrat als Aufsichtsgremium zuständig ist. Der Fernsehrat ist gefragt, wenn Auswirkungen der Personal- und Einsparpolitik auf das Programm bewertet werden. Einhelligkeit besteht bei meinen Kolleginnen und Kollegen darüber, dass die zu treffenden Maßnahmen und Einschnitte weder zu Lasten der Programmqualität noch zum Nachteil der durch die Digitalkanäle wieder erstarkten Innovationskraft gehen dürfen. Auch stellt es eine besondere Herausforderung an die Verantwortlichen dar, den Personalabbau so vorzunehmen, dass das Haus nicht über Gebühr junge, kreative Mitarbeiter verliert, die die Senderfamilie für die Zukunft des Programms dringend braucht.

Digitalkanäle
Vor dem Hintergrund der Sparvorgaben stellt sich die Frage nach der Zukunft der Digitalkanäle von ZDF und ARD. Anders als bei der ARD sind die Digitalsender für das ZDF existenziell notwendig, um auch als Programmfamilie in der digitalen Welt bestehen zu können. Die pauschale Forderung, bei ARD und ZDF ein oder zwei Digitalkanäle zu streichen, berücksichtigt nicht die unterschiedliche Ausgangslage der beiden öffentlich-rechtlichen Systeme. Das ZDF setzt seinen staatsvertraglichen Auftrag um, drei Digitalkanäle zu veranstalten, deren Zuschnitt ebenfalls durch die Länder vorgegeben ist. Diese Entwicklung hin zur Programmfamilie hat der Fernsehrat immer in dem Wissen begleitet und unterstützt, dass sich die Nachteile eines Einkanalsenders in der digitalen Welt ansonsten potenzieren würden. Die Komplementarität mit dem Hauptprogramm funktioniert: ZDFneo, ZDFinfo und ZDFkultur gewinnen bei den 14- bis 49-Jährigen kontinuierlich mehr Prozentpunkte hinzu als das ZDF-Hauptprogramm durch die zunehmende Fragmentierung verliert. Auch ist deutlich geworden, dass die drei Digitalsender eine Experimentierfläche für Programme und Personen bieten, die der ARD mit den Dritten Programmen schon immer zur Verfügung stand.

Sehr sorgfältig ist jedoch zu überlegen, wie Geld und Personal in der ZDF-Programmfamilie einzusetzen sind. Parallel dazu hat eine medienpolitische Diskussion in eine ganz andere Richtung Fahrt aufgenommen, nämlich hin zur Etablierung eines eigenen Jugendkanals von ARD und ZDF. Auch wenn völlig offen ist, woher die Mittel für ein solches Angebot kommen sollen, wird die Diskussion sicher weitergeführt werden, da es in der Medienpolitik sowohl klare Befürworter als auch deutliche Skeptiker gibt. Die Rundfunkkommission der Länder hat ARD und ZDF um Vorlage eines fortgeschriebenen Konzepts für die künftige Ausgestaltung der Digitalprogramme bis spätestens April 2013 gebeten. Meiner Ansicht nach könnte der Digitalkanal ZDFkultur ein Baustein sein, den das ZDF in einen möglichen öffentlich-rechtlichen Jugendkanal einbringt. Voraussetzung dafür wäre aber ein entsprechender gesetzlicher Auftrag. Auch müssten der erforderliche Personal- und Finanzaufwand vor dem Hintergrund der Umstellung auf den Rundfunkbeitrag und der damit verbundenen Deckelung genau festgelegt werden.

Onlineaktivitäten
Der Fernsehrat hat vor drei Jahren im Drei-Stufen-Test den Telemedienbestand von ZDF, 3sat und PHOENIX auf den Prüfstand gestellt. Nach erfolgreichem Abschluss der Prüfung wurde ein sechster Fernsehratsausschuss eingerichtet, der Telemedienausschuss. Dieser beobachtet und bewertet die Telemedienangebote fortlaufend; insbesondere prüft das Gremium die Frage, ob neue oder wesentlich veränderte Angebote vorliegen, die einen neuen Drei-Stufen-Test erforderlich machen würden.

Mit dem Rechtsstreit um die Frage, ob die »Tagesschau«-App der ARD ein »presseähnliches« Angebot ist, sind die öffentlich-rechtlichen Telemedienangebote wieder in den Fokus geraten. Im Fernsehrat herrscht mit den Verlegerverbänden ein offener Dialog, nicht zuletzt wegen der Präsenz von Vertretern des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) im Fernsehrat und auch im Telemedienausschuss. Diese haben immer wieder bestätigt, dass das ZDF hier einen Weg geht, der die Position der Verlage berücksichtigt. Damit wird deutlich, dass sich das noch während des Drei-Stufen-Tests belastete Verhältnis merklich entspannt hat und die Fernsehratsarbeit ihre befriedende Wirkung entfalten konnte.

Jugendmedienschutz
Der rasante Wandel in den Kommunikationsformen via Internet bietet auch immer wieder einen Anlass für medienpolitische Diskussionsbeiträge, die eine Zuständigkeit der Landesmedienanstalten nicht nur für die privaten, sondern auch für die öffentlich-rechtlichen Angebote fordern. Derartige Vorschläge sind zurückzuweisen, weil die Landesmedienanstalten schon alle Hände voll zu tun haben, die jugendschutzrechtlichen Verstöße der privaten Sender wirkungsvoll zu verfolgen.

Bei den Programmbeschwerden, die der Fernsehrat zu behandeln hat, geht es ganz selten um die Verletzung des Jugendmedienschutzes. Diese Tatsache und der jährliche Bericht des Jugendschutzbeauftragten zeigen, dass die binnenplurale Aufsicht als Element der programmlichen Qualitätskontrolle durch den Fernsehrat funktioniert. Sie ist wegen ihres präventiv-programmberatenden Charakters der rein repressiven staatlichen Kontrolle überlegen. Denn der Jugendschutzbeauftragte des ZDF ist schon bei der Produktion der Sendungen eingebunden, während bei den privaten Sendern die Landesmedienanstalten in der Regel erst im Nachhinein tätig werden.

Strategien zur Ansprache jüngeren Publikums
Seit einigen Jahren begleitet den Fernsehrat die Frage, wie das ZDF mehr Angebote für jüngere Zuschauer machen kann. Klar ist, dass sich das ZDF-Hauptprogramm mit seinen Inhalten schwer tut, die jüngere Zielgruppe zu erreichen und damit den befürchteten Generationenabriss zu verhindern. Bei seinem Amtsantritt hat Intendant Thomas Bellut das Ziel ausgegeben, den Trend des ansteigenden Durchschnittsalters der Zuschauer im Hauptprogramm auf nunmehr 61 Jahre zu stoppen und ein weiteres Ansteigen des Durchschnittsalters in den nächsten zwei Jahren zu verhindern. Spätestens 2014 will er eine Trendwende einleiten und das Durchschnittsalter leicht senken. Hier spielen die Digitalkanäle eine wichtige Rolle, da sie nach seinen Vorgaben in den nächsten Jahren jeweils mindestens zehn Prozent mehr junge Zuschauer erreichen sollen.

Der Fernsehrat unterstützt die Strategie der behutsamen kontinuierlichen Modernisierung, ohne aber krampfhaft eine Verjüngung des Publikums zu forcieren. Denn ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender wie das ZDF-Hauptprogramm hat relevant zu sein, das heißt, er muss ein Massenmedium sein, das alle wesentlichen Schichten einer Gesellschaft erreicht – altersmäßig, geschlechtsspezifisch, sozial und regional. Das ZDF hat nach der Wiedervereinigung bei der Präsenz in Ostdeutschland Defizite gehabt, die inzwischen behoben wurden. Aber im Generationenaufbau gibt es noch viel zu tun, eine der wichtigsten Aufgaben des Intendanten in den nächsten Jahren. Daneben ist im Blick zu behalten, dass Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft ist. Daher ist das Thema, wie der nationale Sender ZDF von den Migranten gesehen wird, ebenfalls zu berücksichtigen.

Reihenfolge der Befassung
Bei der Umsetzung dieser Ziele und der dafür erforderlichen Modernisierungsprozesse wird der Fernsehrat den Intendanten beraten und begleiten. Er bekennt sich zu seiner Verantwortung, und er ist bereit, die Kompetenzen wahrzunehmen, die ihm vom ZDF-Staatsvertrag übertragen wurden. Bei weitreichenden Entscheidungen wie der Umsetzung der Einsparvorgaben hat es sich bewährt, die vom Gedanken der staatsvertraglich garantierten Programmhoheit des Intendanten getragene Reihenfolge der Befassung einzuhalten. So hat der ZDF-Fernsehrat zunächst die Erwartung an den Intendanten gerichtet, dem Gremium die mit der Umsetzung verbundenen Maßnahmen darzustellen. Diese werden in den zuständigen Ausschüssen und dem Plenum des Fernsehrats sorgfältig beraten, bevor die Beratungsergebnisse der interessierten Öffentlichkeit mitgeteilt und mit der Medienpolitik diskutiert werden. Denn die Beratungen des Fernsehrats sind der richtige Ort, um Weichen für die Zukunft des ZDF zu stellen, nicht die Podien von Medientagen oder die Feuilletons von Printmedien.

Ruprecht Polenz