Christoph Hamm, Stellvertretender Leiter der Hauptredaktion Sport/Programmchef der Fußball-EM
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Am Anfang standen wir auf Sand – am Ende wurden mehr als 80 Stunden ZDF-Programm in den verschiedensten Formaten von der Ostseeinsel Usedom gesendet. Aus einer Idee wurde ein Mammutprojekt mit besonderen Herausforderungen, und mittendrin: das Fußballereignis des Jahres, die »UEFA-Fußball-EM 2012«.

Im Gegensatz zur Fußball-WM 2010 in Südafrika, als das ZDF die erste Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent vor Ort produziert hatte, sollte die Europameisterschaft 2012 mit den Gastgebern Polen und Ukraine zum Gemeinschaftserlebnis in Deutschland werden. Public Viewing, so die Grundidee, ist seit der WM 2006 Teil der »Fußball-Erlebniskultur« in Deutschland. Auf der Suche nach einem geeigneten Standort entlang der deutsch-polnischen Grenze landeten wir am Strand von Usedom vor der modernen Pyramide der »Seebrücke Heringsdorf«. Hier war er, der markante, exponierte Spot: Der »ZDF-Fußballstrand« war entdeckt.

Public Viewing am Strand – das war neu, und mit der geteilten deutsch-polnischen Ostseeinsel Usedom als Moderationsposition waren die örtlichen Rahmenbedingungen vorhanden, um in der ZDF-Berichterstattung in besonderem Maß auf das historische Verhältnis zwischen Deutschland und Polen eingehen zu können.

Bis zu 1 000 Zuschauer fanden Platz in dieser Kulisse auf Usedom. Als zu Beginn der EM die Strandstühle noch nicht vollständig besetzt waren, sahen wir uns einer medialen Berichterstattung ausgesetzt, die unser EM-Programm nachhaltig beschädigte. In der öffentlichen Wahrnehmung wurde Usedom häufig negativ bewertet. Im Verlauf der EM äußerten sich dann jedoch 64 Prozent der Zuschauer positiv.

Der markante Standort auf Usedom mit dem Moderatorenduo Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn bestimmte das ZDF-Bild der Europameisterschaft. Die Randberichterstattung, die Hinführung zu den Spielen, die Expertisen von Oliver Kahn, unterstützt durch neueste Analysetechnik und unterhaltende Elemente rund um die deutsch-polnische Insel, bildeten den Rahmen. Eine eigene Crew begleitete die deutsche Mannschaft. Aktuelle Berichte, Interviews und Schalten zu Michael Steinbrecher, auch in die Sendungen der Aktualität, hielten die Zuschauer ganztägig auf dem neuesten Stand. Das internationale Fernsehzentrum (IBC) in Warschau beheimatete unsere redaktionelle Basis. Die dort eingesetzten Kollegen produzierten Beiträge zu allen Mannschaften, aber auch zu Land und Leuten der Gastgeberländer. Auch die kreative Verpackung der EM-Sendungen wurde hier erstellt.

Ein besonderes Anliegen war es, die Atmosphäre aus den Spielorten und den Stadien einzufangen. Rudi Cerne und Sven Voss waren in der Ukraine und in Polen unterwegs. Dort sprachen sie mit Fans in den Städten und den Stadien und meldeten sich mit atmosphärischen Schalten vor und nach den Spielen. Wie bei den Fußballgroßereignissen zuvor, bot das ZDF auch bei der »Euro 2012« exklusive Elemente:

Aber auch online haben wir das Angebot wesentlich erweitert. Für das Sportportal des ZDF, zdfsport.de, war die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine die erste Bewährungsprobe nach dem Relaunch der ZDF-Onlineangebote Ende April. Daneben gab es vor der EM eine technisch neue Version der ZDFmediathek und eine Umgestaltung der Streaming-Abwicklung, die das so genannte adaptive Streaming sowie ein mobiles Streaming-Angebot möglich machte. Auch über die Social-Media-Angebote der Redaktion SPORT online – www.facebook.com/zdfsport sowie www.twitter.com/zdfsport – wurden die Nutzer der Onlineangebote angesprochen und eingebunden.

Ein weiteres, wichtiges Online-Element war ein Datencenter, in dem neben Tickermeldungen alle Ergebnisse und Tabellen, auch zahlreiche Statistiken, angeboten wurden. Während der Spiele wurden die Inhalte live aktualisiert.

An ZDF-Sendetagen gab es alle Spiele im Livestream – auch die parallel in ZDFinfo übertragenen Begegnungen. Die Höhepunkte aller EM-Spiele zeigte ZDFsport.de im Video, ausgewählte Partien sogar mit 3D-Analyse und in voller Länge. Das Video »Deutschland – Griechenland: Die Tore« erzielte mit 92 000 Sichtungen die höchste Nutzung unter den Abrufvideos.

Im ZDFtext konnten alle News, Liveticker, Spieldaten, Statistiken und Tabellen auch per Fernbedienung abgerufen werden. Als einziger deutscher Sender präsentierte das ZDF mit seinem ZDFtext die Spielerstatistik mit den Einzelwerten aller Spieler live.

Mit den Kollegen der ARD wurde die Infrastruktur dieser EM frühzeitig abgestimmt. Das ZDF war für die technische Ausstattung und die Betreuung der Stadien in der Ukraine zuständig, die ARD für Polen. Das jeweilige Personal, wie auch die Kollegen der Technik im IBC Warschau, arbeitete für beide Systeme. Zudem wurden im IBC eine gemeinsame Regie sowie gemeinsame technische Räume installiert und partnerschaftlich im Schichtbetrieb genutzt.

Unter der »Dirigentschaft« von Eckhard Gödickemeier gelang ein effektives Zusammenspiel der ZDF-Familie. Von den beteiligten Redaktionen gab es ein positives Feedback, viele Sendungen erreichten überdurchschnittliche Quoten. So wurden insgesamt 80 ZDF-Programmstunden von Usedom aus gesendet.

Zuschauerakzeptanz
Die ARD erreichte mit den Übertragungen der Spiele insgesamt einen etwas größeren Zuschauerkreis als das ZDF. Dies lag daran, dass die ARD ein Spiel der deutschen Mannschaft mehr übertrug, darunter auch das am stärksten eingeschaltete Halbfinale gegen Italien. Im Schnitt sahen 15,25 Millionen Zuschauer (51,9 Prozent Marktanteil) die 27 Livespiele (exklusive Parallelspiele) im ZDF oder bei der ARD. Im Vergleich zur EM 2008 gingen die Akzeptanzwerte leicht zurück. Getrennt nach Sendern lag das ZDF (15,5 Millionen/51,8 Prozent Marktanteil) in der Sehbeteiligung knapp vor der ARD (15,02 Millionen/52 Prozent Marktanteil), obwohl das ZDF ja ein deutsches Spiel weniger übertrug.

Auch wenn wir uns von den schreibenden Kollegen viel Kritik eingehandelt haben: Usedom hat eindrucksvolle Bilder geliefert und den Programmsommer geprägt. Ein großes Dankeschön an alle, die uns unterstützt haben bei diesem einmaligen, erfolgreichen, lohnenden Projekt für das ZDF.

Christoph Hamm
Der Fußballstrand auf Usedom
Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn
Public Viewing am Strand
Webreporterin Jeannine Michaelsen mit Katrin Müller-Hohenstein