Kurt Beck, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und Vorsitzender des Verwaltungsrats des ZDF
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Digitale, konvergente Medienwelt
Neue Herausforderungen für die Medienpolitik

Die Konvergenz von klassischen Rundfunkgeräten und Internettechnologie erweitert die Möglichkeiten von Nutzern und Inhalteanbietern wie den Rundfunkanstalten. Den Nutzern stehen damit neue Wege des Navigierens offen. Die Entwicklung birgt aber auch Gefahren und Risiken für den Zugang der Sender zu den neuen Plattformen und den Schutz der Integrität ihrer Angebote. Diese Situation stellt die Medienpolitik und Medienregulierung vor neue Herausforderungen.

Bisher unterscheiden wir bei den elektronischen Medien lineare Rundfunkdienste und nichtlineare über das Internet verbreitete Telemedienangebote. Diese Unterscheidung wird, wie die aktuellen Entwicklungen im Bereich HbbTV/Hybridgeräte zeigen, zunehmend schwieriger. Fernseh- und Internetangebote können gleichzeitig über den TV-Bildschirm abgerufen werden. Diese Verschmelzung von Fernsehen und Internet in einem Gerät hat weitreichende Folgen, sowohl für das Nutzungsverhalten der Zuschauer, als auch für die Rundfunkanstalten wie das ZDF als Programmveranstalter und Anbieter von Medieninhalten. So kann der Zuschauer per Knopfdruck vom klassischen linearen Fernsehprogramm unmittelbar zu den im Internet zeitunabhängig angebotenen medialen Inhalten wechseln. Er kann sich über ein und dasselbe Gerät in Soziale Netzwerke einloggen, im Internet recherchieren oder seine Mails bearbeiten.

Für die Fernsehveranstalter eröffnet diese technische Entwicklung Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle. Die Konvergenz von Rundfunkgeräten und Internettechnologie wirft jedoch auch eine Reihe neuer Fragen auf. Fragen, die aus der Perspektive der Rundfunkanstalten Themen wie Auffindbarkeit, Zugang, Inhalte, aber auch den Signalschutz betreffen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine Fernsehprogramme erfüllen eine essenzielle Aufgabe für unsere demokratische Gesellschaft. Insofern muss auch künftig gewährleistet sein, dass jeder ungehinderten Zugang zu diesen Angeboten hat, egal, auf welchem Verbreitungsweg. Dies bedeutet, dass die Rundfunkanstalten ohne technische Schwierigkeiten und Hindernisse ihren Weg zum Zuschauer finden müssen.

In dieser Hinsicht stellen hybride Geräte die Empfangbarkeit von Fernsehprogrammen und Angeboten im Internet vor neue Herausforderungen. Dies gilt insbesondere für Geräte, die mit proprietären Funktionen einer Onlineplattform ausgestattet sind, bei der neben dem regulären Empfang von Fernsehprogrammen auch der Zugriff auf ausgewählte Internetangebote möglich ist. Damit erfolgt eine Suche nach Medieninhalten nicht mehr nur über den klassischen Fernsehprogrammführer (EPG), sondern zunehmend über die Portale der verschiedenen Geräte und Plattformanbieter. Hierbei ist nicht ohne weiteres sichergestellt, dass ein Zugreifen der Nutzer, etwa auf das Angebot der Rundfunkanstalten, diskriminierungsfrei erfolgen kann. Insofern stellt sich zu Recht die Frage, ob die im Rundfunkstaatsvertrag formulierten Anforderungen an eine chancengleiche und diskriminierungsfreie Darstellung auch für Portale gelten sollen.

In diesem Zusammenhang ist von den Rundfunkanstalten zur Sicherung ihres gesellschaftlichen Auftrags die Forderung erhoben worden, dass im Medienrecht ein Anspruch auf ein »Must Be Found« geschaffen werden soll, der die Auffindbarkeit im Spektrum der vielfältigen Rundfunkangebote auch auf hybriden Empfangsgeräten sichert. Dabei wurde der Gedanke aufgegriffen, dass in Übereinstimmung zu den bestehenden »Must-Carry-Regelungen«1 dies nicht nur für die Programme der Öffentlich-Rechtlichen gelten sollte, sondern auch für die privaten Sender, soweit sie zum Rundfunkauftrag beitragen. Dies sind Ansätze, die im Länderkreis im Zusammenhang mit einer zeitgemäßen Plattformregulierung zu diskutieren sind.

Eine weitere Frage in diesem Bereich ist, wie sichergestellt werden kann, dass im Hinblick auf den Integritätsschutz von Rundfunkprogrammen das Erscheinungsbild des Rundfunkprogramms auf dem Bildschirm nur vom Nutzer und nicht von Dritten verändert werden kann. Diese Fragen stellen sich angesichts der technischen Möglichkeiten etwa, das Fernsehbild zu verkleinern und durch Werbung zu ergänzen oder das Fernsehbild durch optische Signale zu überlagern. Dies ist kritisch zu sehen, da Dritte damit Inhalte in der Wahrnehmung stark verändern können, ohne dass Zuschauer oder auch Rundfunkanstalten als Inhalteanbieter darauf Einfluss haben. Es ist notwendig, sicherzustellen, dass die Zuschauer nicht »entmündigt« werden und die Selbstbestimmung der Anbieter gewahrt bleibt. Die Anstalten haben ein schützenswertes Interesse daran, dass ihre Angebote in der ihnen zugedachten Form erkennbar bleiben. Von Seiten des ZDF wird daher in der aktuellen Diskussion gefordert, die Integrität der Inhalte (Contentintegrität) auf gesetzlicher Ebene künftig festzuschreiben, um damit Rechtssicherheit mit Blick auf die geschilderten technischen Möglichkeiten zu schaffen.

Zu der Diskussion um die künftige Auffindbarkeit und einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Angeboten der öffentlich-rechtlichen Sender gehören auch Fragen nach der Notwendigkeit einer Regulierung von Suchmaschinen. Angesichts der Fülle von Internetseiten ist die Informationssuche im Internet heute effektiv nur noch durch Verwendung von Suchmaschinen zu bewältigen. Suchmaschinen sind zunächst Informationsvermittler, die als Gatekeeper des Internets fungieren. Es ist nicht zuletzt die Abhängigkeit des Internetnutzers von Suchmaschinen, die dessen Meinungsbildungsrelevanz begründet. Aufgrund der Filterfunktion und der damit einhergehenden Kontrollmöglichkeit bei der Ergebnispräsentation kann die öffentliche Meinungsbildung wie auch die Meinungsvielfalt beeinflusst werden, wenn zum Beispiel zu einem Suchbegriff als Ergebnis etwa nur Internetseiten von Vertretern einer bestimmten Meinung als Topergebnisse präsentiert oder sogar bestimmte Ergebnisse vollständig ausgeschlossen werden. Schließlich stellen Suchmaschinen auch eine wichtige Zugriffsmöglichkeit auf die Angebote der Rundfunkanstalten dar.

Das Kartellrecht allein wird auf die sich stellenden Fragen keine abschließenden Antworten geben können, da seine Instrumente ausschließlich dem Schutz des ökonomischen, nicht jedoch dem Schutz des publizistischen Wettbewerbs dienen. Es geht jedoch um positive Vielfaltsicherung. Diese hat das Kartellrecht nicht zum Gegenstand. Aus diesem Grund sind Suchmaschinen grundsätzlich in die medienrechtlichen Regelungen miteinzubeziehen. Insofern muss der Auftrag zur Missbrauchskontrolle durch die Länder neben dem Rundfunk alle journalistisch gestalteten Medien umfassen. Die sich aus ihrer marktbeherrschenden Stellung ergebende Verantwortung tragen die Suchmaschinenbetreiber derzeit ohne staatliche Eingriffsmöglichkeit.

Denkbar wären auf Ebene der Länder, nach meiner Ansicht, verschiedene Ansätze für rechtliche Regelungen, etwa als Missbrauchstatbestand der Ausschluss bestimmter Inhalte von der Ergebnisanzeige ohne gerechtfertigten Grund. Ein gerechtfertigter Grund könnten etwa gesetzliche Verbote oder der Jugendschutz sein. Darüber hinaus sollte der aus den klassischen Medien stammende Grundsatz zur Trennung von Werbung und Inhalt berücksichtigt werden. Dabei sehen die Länder aufgrund der Ausrichtung der Suchmaschinen auf nationale Märkte (vergleiche beispielsweise google.de und google.fr) durchaus Anknüpfungspunkte für nationale gesetzliche Regelungen.

Auch die grenzüberschreitende weltweite Verfügbarkeit des Internets ändert für mich nichts daran, dass wir, vergleichbar zu anderen Rechtsgebieten, im Geltungsbereich des deutschen Rechts weiterhin hohe Standards festlegen.

Bei der künftigen Diskussion um eine Anpassung der medienrechtlichen Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene müssen wir immer auch die Vorgaben auf europäischer Ebene im Blick haben. Dort muss es unser Ziel sein, ein technologieneutrales, inhaltsorientiertes Regelungskonzept zu verwirklichen, das zumindest qualitative Mindeststandards für die Verbreitung audiovisueller Medien formuliert und auf Dauer gewährleistet. In diesem Zusammenhang sollte man unter anderem auch überdenken, ob die in der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste vorgenommene Trennung von linearen und nichtlinearen Diensten noch zeitgemäß ist.

Dies alles zeigt, dass wir die gegenwärtigen Entwicklungen im Länderkreis aufmerksam verfolgen und auf ihren Regelungsbedarf prüfen müssen. Dabei geht es um eine medienrechtliche Fortentwicklung der bisherigen rundfunkstaatsvertraglichen Rahmenvorgaben, vor dem Hintergrund, dass das Fernsehen auf absehbare Zeit das maßgebliche Leitmedium sein wird.

  1. Als »Must-Carry«-Regeln werden die gesetzlichen Verbreitungspflichten bezeichnet, die nach dem Rundfunkstaatsvertrag (RStV) für so genannte Plattformanbieter gelten. »Must Carry«-Regeln finden sich für die digitale Verbreitung in § 52 b RStV. Danach hat ein Kabelnetzbetreiber derzeit alle digitalen Hörfunk- und Fernsehprogramme von ARD und ZDF (inklusive ARTE und Deutschlandradio) einzuspeisen
Kurt Beck