2012
Anja Fix, Subkoordination Dokumentationen/Wirtschaft ZDFkultur/3sat
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Niemals zuvor war so viel Geld im Umlauf wie heute. Mit Billionen von Euro und Dollar fluteten die Zentralbanken in den letzten Jahren den Markt, um marode Banken zu stützen und die Wirtschaft anzukurbeln. Doch die wachsende Geldmenge sorgt auch für wachsende Besorgnis. Wie lange kann das noch gut gehen? Und wer kann die Risiken und Fallhöhen im Wirtschaftsdschungel noch überblicken?

Spätestens durch die Finanzkrise ist das Bewusstsein für die weltweite Vernetzung von Finanzströmen und Produktionsprozessen verstärkt worden. Die großen wirtschaftlichen Fragen zur Zukunftssicherung Deutschlands und Europas werden immer stärker Teil der gesellschaftlichen Debatte. Wirtschaft betrifft uns alle. Diese Überzeugung führte uns Anfang 2011 von der »3satbörse« zum neuen Wirtschaftsformat »makro«.

Von Börsenkursen und Branchenporträts hin zu einer weltweiten Wirtschaftsbetrachtung, die komplexe Zusammenhänge verständlich macht – das neue, monothematische Format setzt konsequent auf längere Beiträge und Hintergrunderläuterungen in den Magazinen und ausführliche, vertiefende Berichterstattung in den Dokumentationen. »makro« berichtet seitdem jeden Freitagabend aus dem globalen Wirtschaftsdschungel. Mit Blick für den Menschen und fürs Detail, aber vor allem auch für die globalen Zusammenhänge wirtschaftlicher Entscheidungen. Was bewegt die Märkte? Was bewegt die Menschen?

2012 bewegte sie vor allem die Schuldenkrise, die Milliardenbürgschaften für Griechenland und Spanien und die Zukunft des Euro. Aber auch der Wunsch nach fachkundiger und vertiefender Begleitung und Orientierung in den Medien. Eine Gemeinschaftsstudie des Fachgebiets für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim und der Frankfurter Bank ING-DiBa AG untersuchte Ende 2011 die Erwartungen und Ansprüche des Publikums an den Wirtschaftsjournalismus. Danach interessieren sich 86 Prozent der Bürger in Deutschland für Wirtschaftsthemen und wünschen sich von den Journalisten, dass diese verantwortungsvoll über das wirtschaftliche Geschehen informieren und bei der Einordnung der aktuellen Entwicklungen helfen.

In Zeiten der Krisen und Umwälzungen wächst das Bedürfnis, ökonomische Zusammenhänge besser zu verstehen. Deshalb hielten wir bei 3sat die Zeit reif für ein Wirtschaftsformat, das sich zwischen Tagesaktualität und verbraucherorientierten Servicethemen positioniert und wirtschaftliche Themen nachhaltig und im gesellschaftlichen Zusammenhang betrachtet. »makro« sollte das globale Wirtschaftsgeflecht beleuchten, Abhängigkeiten und zukünftige Entwicklungen aufzeigen und dabei den Menschen immer im Blick behalten. Und das anfangs vor allem auch in vertiefenden Dokumentationen, die im wöchentlichen Wechsel mit dem Livemagazin gesendet wurden. Doch in Zeiten, in denen sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Zuschauer fast täglich verändern, musste ein erfolgreiches Wirtschaftsformat 2012 vor allem auch aktuell reagieren können. Auf die Entwicklungen in Südeuropa und die innereuropäischen Konflikte bei der Bekämpfung der Schuldenkrise, auf die Zinsmanipulationen und immer neuen Enthüllungen aus dem Bankensektor.

Diesen Entwicklungen und dem wachsenden Interesse an Wirtschaftsthemen trug »makro« Rechnung und sendet seit Februar 2012 mehr monothematische Livemagazine, moderiert von Eva Schmidt, und das früher am Abend: bereits um 21 Uhr. 30 Livemagazine realisierten wir 2012, 2011 waren es nur 17. Und wir verzichteten auf den starren wöchentlichen Wechsel von Magazin und Dokumentation, um kurzfristiger planen und besser auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. Im Fokus standen dabei zum Beispiel die Stabilitätsbemühungen in Europa, aber auch die wirtschaftlichen und politischen Weichenstellungen in den USA und Russland oder die Entwicklungen auf dem Rohstoffmarkt sowie die Spekulationen mit Nahrungsmitteln. Dabei zeigte sich immer wieder, dass die Zuschauer nicht nur an einer kritischen Einordnung, sondern vor allem auch an einer sachlich vertiefenden Darstellung und an Alternativen zur bestehenden Wirtschaftsordnung und den krisenanfälligen Finanzsystemen interessiert sind.

Jahrzehntelang galten Fortschritt und Wachstum als untrennbar. Nur das Prinzip »Höher, Größer, Weiter« schien wirtschaftlichen Erfolg zu versprechen. Doch dieser bedingungslose Profitgedanke verliert zunehmend an Akzeptanz in der Gesellschaft.

Das »makro«-Magazin »Fortschritt durch Rücksicht« zeigte, dass auch die Unternehmen immer stärker umdenken müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Immer mehr Firmen verknüpfen ihr Wachstum mit sozialer Verantwortung. Verpflichten sich selbst dazu, die Belastung für die Umwelt zu verringern, mit Mitarbeitern fair umzugehen oder Produkte mit echtem gesellschaftlichem Mehrwert anzubieten.

Selbst in der Bankenwelt zeigten sich 2012 erste Ansätze des Umdenkens. Das Image der einstigen Vorzeigebranche hat seit Beginn der Finanzkrise tiefe Kratzer bekommen. Nahezu jeder vierte Deutsche hält Banker für kriminell. Die jahrelangen und milliardenschweren Manipulationen des wichtigen Zinssatzes Libor waren 2012 nur ein weiteres Glied einer Skandalserie. Das »makro«-Magazin »Das Ende der Banken-Macht?« fragte deshalb nach der Rolle der Banken in unserer Gesellschaft, aber auch nach deren zukünftigen Geschäftsmodellen. Denn die Finanzbranche hat nicht nur ein moralisches, sondern vor allem ein massives finanzielles Problem. Europaweit wurden bereits Hilfsgelder in Milliardenhöhe in die Institute gepumpt. Folgerichtig wurden 2012 die Rufe nach mehr Transparenz und Regulierung immer lauter, erste Maßnahmen zu einer erweiterten Europäischen Bankenaufsicht wurden verabschiedet. Wie wirksam diese Maßnahmen allerdings greifen, bleibt abzuwarten. »makro« zeigte, wie einerseits in Bad Banks zum Beispiel die Verluste der zwangsverstaatlichten Hypo Real Estate minimiert oder restrukturiert werden sollen, andererseits in so genannten Schattenbanken weiterhin unkontrolliert mit Milliardenfonds spekuliert wird.

Über die Einordnung aktueller Entwicklungen hinaus bot »makro« 2012 aber auch Entdeckungen und exklusive Einblicke. Die »makro«-Reportage von Jürgen Natusch stellte den Wirtschaftsstandort Äthiopien vor. Der afrikanische Staat ist bei uns vor allem wegen der andauernden Hungerkatastrophe im Süden des Landes in den Schlagzeilen. Doch im Zentrum Äthiopiens gibt es erste positive Ansätze. Wachsende Gewinne aus Agrarexporten, der Know-how-Transfer durch ausländische Investoren sowie der Aufbau moderner Industrie sollen dem Land neue Zukunftsperspektiven eröffnen. Ob der »Aufbruch in Äthiopien« dem Land eine nachhaltige Entwicklung bringt, bleibt aber abhängig davon, wie es dem Staat gelingt, seine Bevölkerung besser auszubilden und eine eigene Infrastruktur aufzubauen.

Auch der Wachstumsgigant Indien steht vor großen Herausforderungen. Trotz fruchtbarer Böden und mehrerer Ernten im Jahr ist die Agrarwirtschaft vielerorts extrem ineffizient. Ein Problem, denn die stark wachsende Bevölkerung braucht immer mehr Lebensmittel. Im Jahr 2050 wird Indien mit 1,6 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Welt sein. Doch schon heute haben 300 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Welche Probleme das Land zu bewältigen hat und welche Lösungsansätze es gäbe, berichtete Ulrike Wittern in der »makro«-Reportage »Hungriges Indien«. Denn hohes Wirtschaftswachstum und steigender Wohlstand können nur dann nachhaltig sein, wenn Indien seine Einwohner auch in Zukunft noch ernähren kann.

Das Geschäft mit unserem täglich Brot bewegte die Zuschauer auch 2012. Ernteausfälle bei Weizen, Mais und Soja ließen die Preise explodieren. Aber auch die weltweite Verwendung von Getreide für immer mehr Tierfutter oder zur Herstellung von Biosprit belastet die Ernährungssituation. Zusätzlich treiben Spekulationen mit Agrarrohstoffen die Preise in die Höhe. »makro« fragte deshalb zur Erntezeit »Was essen wir morgen?« und beleuchtete die globalen Folgen der Lebensmittelgeschäfte. Doch es gibt auch Gewinner in der Nahrungsmittelkrise. Die Getreidepreise waren in den letzten Jahren so hoch, dass viele europäische Bauern gut verdient haben. Dennoch wird ihr Einkommen unverändert mit fast 60 Milliarden Euro subventioniert. Das ist der größte Einzelposten im EU-Haushalt. Und während Europa politisch und wirtschaftlich mit der Schuldenkrise kämpft und immer neue Sparauflagen aufsetzt, blieb dieser Posten im europäischen Haushalt bisher unangetastet. Für die »makro«-Reportage »Bauer sucht Einkommen. Nichts los ohne Subvention?« fand Barbara Kühn Bauern und Agrarwissenschaftler, die für einen flexibleren und maßvolleren Umgang mit und sogar den langfristigen Wegfall der Subventionen plädieren. Doch sie bleiben in der Minderheit. In Brüssel wird für 2013 eine Agrarreform vorbereitet – bisher ohne wesentliche Einschnitte.

Die europäische Agrarpolitik bleibt auch 2013 ein Thema. Ebenso wie die dringend anstehenden Reformen und Umbaumaßnahmen in der Europäischen Union. Denn ohne eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik und eine wirksame Bankenaufsicht werden alle Stabilitätsbemühungen zu kurz greifen. Und 2013 wird sich auch zeigen, welchen wirtschaftlichen Kurs die beiden Supermächte USA und China künftig verfolgen werden: die weitere Öffnung der Märkte oder stärkerer Protektionismus und staatlich gelenkter Kapitalismus. Und mit den neuen Weichenstellungen werden sich auch für uns in Deutschland neue Fragen ergeben: für die Macher in der Wirtschaft, aber auch für die Betroffenen von wirtschaftlichen Entscheidungen. Und das Bedürfnis der Menschen wird weiter wachsen, die globalen Entwicklungen und die Auswirkungen auf das eigene Leben besser zu verstehen und einzuordnen. Und dafür braucht es auch 2013 Großaufnahmen aus dem Wirtschaftsdschungel: »makro« eben.

Anja Fix
Ein Fernglas für Großaufnahmen: Arktische Schatzsuche
Eva Schmidt im »makro«-Studio
»makro«-Doku »Hungriges Indien«
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