Ralph Schumacher, Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen/
Leiter der Deutschland-Redaktion
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Die Debatte um den Soli ist ein Dauerbrenner innenpolitischer Berichterstattung. Wie lange brauchen die ostdeutschen Bundesländer noch finanzielle Unterstützung? Gibt es nicht auch im Westen Städte und Regionen, die die Probleme aus eigener Kraft schon lange nicht mehr stemmen können? Als eine Gruppe wortgewaltiger Ruhrgebiets-Bürgermeister das Ende der Aufbau-Ost-Zahlungen forderte, startete »heute – in Deutschland« spontan eine Serie in Sachen Finanzgerechtigkeit: Tag für Tag eine andere Kommune im Fokus – mit ganz individuellen Sorgen und Problemen, aber auch mit unterschiedlichsten Lösungsansätzen in Ost wie West. Das »Best of« dieser Beitragsreihe sendete der »Länderspiegel« – eine differenzierte Bestandsaufnahme, die den Schwarz-Weiß-Malern in der Soli-Debatte sicher nicht gefallen hat.

Seit »heute – in Deutschland« als tagesaktuelles Nachrichtenmagazin in der Verantwortung der Hauptredaktion Politik- und Zeitgeschehen konzipiert und gesendet wird, erfolgt dies im redaktionellen Verbund mit unserem ZDF-Klassiker »Länderspiegel«. Die beiden Formate sind die tragenden Säulen der neuen Redaktion Deutschland, die darüber hinaus auch »Politbarometer«, »Was nun, ..?« und »Standpunkte« betreut und bei »ZDF spezials«, Wahlen und Sondersendungen unterstützt. Die Integration einer zusätzlichen Tagesredaktion war ein enormer Kraftakt für alle Beteiligten. Aber er hat sich gelohnt: »heute – in Deutschland« profitiert von der Expertise erfahrener Magazin-Macher, und der »Länderspiegel« kann die Woche über schon mal Themen testen und die aktuellen Stücke anschließend vertiefen. Eine echte Win-Win-Situation.

Der Neustart der Sendung »heute – in Deutschland« machte eine komplette Reorganisation in der Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen erforderlich: In einem ersten Schritt wurden die traditionsreichen innenpolitischen Redaktionen »Länderspiegel« und »blickpunkt« verschmolzen zur neuen Deutschland-Redaktion. Im zweiten Schritt entstand ein Kooperationsmodell mit dem erfahrenen Sendungsteam von »heute – in Europa«. Beide Tagessendungen produzieren seit Januar 2012 in einem gemeinsamen Großraumbüro, beide Formate teilen sich einige Funktionsjobs und unterstützen sich gegenseitig. Das hat sicher Vorbildcharakter, auch für andere Fusionen im ZDF und trägt in der noch jungen Hauptredaktion nachhaltig zum Zusammenwachsen von ehemaligen Innen- und Außenpolitikern bei.

Es geht aber um mehr als um Synergien bei der Sendeabwicklung. Viele unserer Deutschland-Themen haben immer auch eine europapolitische Komponente. Das ist bei der Euro-Krise evident, gilt aber ebenso für viele Alltagsthemen. In unserem Großraum führen wir Kompetenzen zusammen und erklären Themen von zwei Seiten: Die Autoren in den Landesstudios zeigen, welche Bedeutung Brüsseler Entscheidungen für uns hier in Deutschland haben, und die Korrespondenten in den europäischen Hauptstädten berichten, wie das Ganze bei unseren Nachbarn gesehen wird.

Das Verschmelzen der einstigen Schwester-Redaktionen »Länderspiegel« und »blickpunkt« zur neuen Deutschland-Redaktion war für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen nach der Zusammenlegung von Innen- und Außenpolitik die zweite Fusion binnen Jahresfrist. Neue Aufgaben, neue Räumlichkeiten, neue Bürogemeinschaften – das alles hat den Redaktionsalltag reichlich durcheinandergewirbelt.

Ohne die »Fusion 2.0«, wie Theo Koll, Leiter der Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen, das Zusammengehen von »Länderspiegel« und »blickpunkt« so treffend bezeichnete, wäre eine Übernahme der Sendungsverantwortung für »heute – in Deutschland« undenkbar gewesen. Und inzwischen begreifen viele Kolleginnen und Kollegen im Redaktionsteam die neue Aufgabenvielfalt durchaus auch als Chance: Man kann bei uns tagesaktuell arbeiten, blitzschnell agieren und reagieren, man kann aber auch gründlich recherchieren und nachhaltig an Magazinstoffen arbeiten. Die Mischung macht’s.

Gleichwohl bergen Fusionen – bei allem Bemühen um mehr Synergien und höhere Effizienz – auch Gefahren. Das darf man nicht unterschätzen. Der Verlust von Identifikation zum Beispiel. Die Sehnsucht nach einer Heimatredaktion, nach dem Lagerfeuer, das wärmt und um das man sich versammeln kann. »blickpunkt« und »Länderspiegel« waren all die Jahre kräftige Lagerfeuer, die den jeweiligen Redaktionsteams viel gegeben haben: Zusammenhalt, Motivation, Verlässlichkeit. Da hat sich – zwangsläufig – einiges verändert. Erst recht nach der Einstellung der Sendung »blickpunkt«. Die Mitarbeiter rotieren durch die Dienstpläne, arbeiten in immer wieder neuen Teams und in unterschiedlichen Funktionen. Kein ganz einfacher Umstellungsprozess. Nach einem Jahr Deutschland-Redaktion aber hat sich vieles eingespielt, das neue Team wächst gut zusammen und »heute – in Deutschland« hat einen festen Platz in der Politik- und Zeitgeschichte-Familie.

Herzstück der neuen Deutschland-Redaktion ist die zentrale Planung. Für alle Inlandstudios und Produktionsfirmen, aber auch für alle Sendungs-CvDs der Mainzer ZDF-Zentrale gibt es einen zentralen Ansprechpartner. Das hat die Kommunikation deutlich vereinfacht und effektiver gemacht. Kurze Wege, schnelle Entscheidungen – hier wird über Themen entschieden und über Kooperationen. Und damit natürlich auch über Geld.

»heute – in Deutschland« hat logischerweise auch die journalistische Wachsamkeit in der Redaktion erhöht. Wochenmagazine folgen ihren eigenen Gesetzen, da geht man nicht bei jeder Eilmeldung am Dienstag oder Mittwoch sofort in Alarmstellung. Tagesaktuell zu produzieren und bereits um 14 Uhr sendefähig zu sein, ist dagegen für alle Beteiligten jeden Tag aufs Neue wieder eine gewaltige Herausforderung. Das gilt für unser Redaktionsteam genauso wie für die Reporter in den Studios. Zumal wir uns zum Ziel gesetzt haben, unsere Themen besonders zuschauernah anzubieten.

Information ist am Nachmittag nicht unbedingt das, wonach die Zuschauer lechzen. Hierzu gibt es von der Medienforschung ganz eindeutige Hinweise – und da zeigen die Sendeplätze von »heute – in Deutschland« und »Länderspiegel« viele Gemeinsamkeiten. Länder- und bundespolitische Themen haben zu dieser Sendezeit nur dann Erfolg, wenn sich die Zuschauer in der Berichterstattung wiederfinden – mit ihren Erwartungen ebenso wie mit ihren Sorgen und Problemen. Wir versuchen daher, politische Prozesse und Entscheidungen besonders gut zu erklären und – wann immer möglich – auch die Sicht der Menschen im Land einzubeziehen. Dieses Credo hat die Marke »Länderspiegel« über Jahrzehnte frisch und zuschauerattraktiv gehalten, und das ist inzwischen auch eine Stärke von »heute – in Deutschland«.

Ralph Schumacher