Wenn dienstags um 19.25 Uhr nach der ohrwurmverdächtigen
Titelmusik »Pfeif drauf«
der niederbayerischen Gruppe Haindling von
der quirligen Frau Stockl »Es gabert a Leich!«
zu hören ist, ist dies das eindeutige Signal,
dass die »Kriminaler« aus Rosenheim ihre
Ermittlungen aufnehmen. Und damit beginnt
für fast fünf Millionen Fans der ZDF-Serie ein
gleichermaßen spannender wie entspannender
Fernsehabend und verleiht den »Rosenheim-Cops« Kultstatus. Die Ermittler aus dem
bayerischen Voralpenland erfüllen als klassisches
Lean-Back-Format scheinbar perfekt
die Seherwartungen und sind die meistgesehene
deutsche Vorabendserie.
Seit 2002 sind »Die Rosenheim-Cops« regelmäßig
– und seit etlichen Jahren ganzjährig auf
dem ZDF-Schirm zu sehen. Keiner der Verantwortlichen
hätte damals zu hoffen gewagt, dass sich
das Format zu einem derart erfolgreichen Dauerbrenner
entwickeln und über so viele Jahre die
Zuschauer begeistern würde. Mittlerweile sind die
bajuwarischen Spürnasen fast rund um die Uhr
»im Einsatz«; als Wiederholung war das Programm
täglich am Vormittag und in der Nacht zu
verfolgen.
Inzwischen sind die Dreharbeiten der zwölften
Staffel abgeschlossen, die 13. Staffel ist in Vorbereitung.
Mit dieser wird dann die 300. Folge
erreicht werden. Wollte man sich alle bisherigen
Folgen hintereinander ansehen (inklusive der zwei
90-Minuten-Filme: über 12 000 Sendeminuten),
erforderte dies etwa vier Wochen à acht Stunden
pro Tag oder mehr als acht Tage à täglich 24 Stunden.
Wurde in den ersten Jahren noch eine im Vergleich
zu heute bescheidene Stückzahl hergestellt,
so waren es in den letzten Jahren jeweils 30
neue Folgen pro Jahr. Um dieses Pensum zu
schaffen, muss in den Sommermonaten für einige
Wochen mit zwei Teams parallel gedreht werden,
sodass mehrere Kommissare in verschiedenen
Konstellationen zum Einsatz kommen was der
Beliebtheit der Serie allerdings keinen Abbruch
tut.
Schmunzelkrimis existieren im deutschen Fernsehen
zahlreich, und »Krimi light« ist en vogue. Ganz
ohne Überheblichkeit jedoch könnte man »Die
Rosenheim-Cops« quasi als Prototyp aller momentan
präsenten komödiantischen Krimiserien
bezeichnen. Das Format war schon »Krimi light«,
als diese Genrebezeichnung noch gar nicht erfunden
war.
Was macht die Cops aus dem Chiemgau so besonders
und einzigartig so »unique«? Was ist
das Geheimnis, wie lautet das Erfolgsrezept? Bekanntermaßen
gibt es das eine Rezept, das Geheimrezept
mit Erfolgsgarantie nicht. Auf einen
einfachen Nenner gebracht, könnte man es wohl
so formulieren: Der Mix aus Softkrimi, Komödie
und bayerischer Familienserie scheint gelungen.
Der Krimifall ist unverzichtbar ein Mordopfer pro
Folge muss es schon sein! In Wort und Bild aber
nahezu »unblutig« und in verträglicher, harmloser
Dosierung, falls man angesichts von Mord überhaupt
davon sprechen kann. Doch »Die Rosenheim-Cops« sind eben soft, smooth und gewaltfrei,
es gibt keine »Action«. Es gibt keine extremen
oder ausgefallenen brutalen Verbrechen, keine
rabiaten Verhörmethoden, keine wilden Verfolgungsjagden
oder Schießereien die Cops tragen
nicht einmal Waffen. Doch sie lösen jeden
Fall, und sei er noch so knifflig.
Der Humor speist sich aus Sprachwitz und zwischenmenschlichen
Turbulenzen, ist eher amüsiertes
Augenzwinkern als Schenkelklopfer oder
Brüller; keinesfalls jedoch Klamauk, Klamotte
oder Slapstick. Was den Zuschauern Vergnügen
bereitet, sind die nachvollziehbaren, »menschlichallzu-menschlichen« Schwächen und Fehler, die
liebenswürdigen Marotten und Macken der Figuren,
ihre Ecken und Kanten.
»Die Rosenheim-Cops« sind eine Ensemble- und
Familienserie. Die Mitarbeiter des Kommissariats
bilden eine Art Familie aus sympathischen und
empathischen Mitgliedern. Mit allem, was so dazugehört:
Eifersüchteleien, Kabbeleien und Streitereien
aufgrund unterschiedlicher Befindlichkeiten,
Interessen und Temperamente unterschiedlicher
Charaktere. Das gipfelt dann schon
mal in Zicken-Alarm, manchmal sogar in seiner
extremsten Form. Aber am Ende hilft man sich
dann doch wieder aus der Patsche. »Pack schlägt
sich, Pack verträgt sich«, Ehrensache! Denn wichtig
sind Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung,
Fairness, Vertrauen, Offenheit, Ehrlichkeit
Wie in einer echten Familie. »Die Rosenheim-Cops«
erzählen und propagieren klassische
Werte, sind eben ein wertkonservatives Format.
Getragen wird die »familiäre Kommissariats-Solidarität« von der berühmten bayerischen Liberalität
und der noch berüchtigteren Mentalität. Womit ein
weiteres essenzielles Element der Serie aufscheint:
Bayern, die beliebteste deutsche Urlaubsregion.
Der Freistaat genießt ein extrem positives
Image und wird durch Sprache, Lebensart
und Lokalkolorit in dem Vorabendformat widergespiegelt.
Nicht zuletzt auch durch malerische
Landschaftsbilder und Postkartenpanoramen, die
nicht nur eine klare Verortung, sondern auch eine
Steigerung des Schauwertes bewirken. Insgesamt
entsteht damit ein positiver Look & Feel; noch
verstärkt durch den Umstand, dass wir in den
»Rosenheim-Cops« nur eine Jahreszeit erzählen:
Sommer.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich eine unabdingbare
Voraussetzung für den Publikumserfolg
der »Rosenheim-Cops«. Dies sind der Production
Value und der hohe Qualitätsstandard des Formats,
die nur durch das ambitionierte und permanente
Ringen der Crew um die bestmögliche
Qualität des Endprodukts zustandekommen. Nur
durch den hochkarätigen Cast und das ausgezeichnete
Team von Autoren, Regisseuren und
gesamtem Stab in Verbindung mit dem konstruktiv-kreativen Zusammenspiel zwischen Bavaria
Fernsehproduktion und ZDF-Redaktion ist dieses
Programm dauerhaft zum Erfolg geworden.
Kritisch betrachtet, erscheint Rosenheim zwar als
eine der kriminellsten Städte Deutschlands, mit
einer im Verhältnis zur Einwohnerzahl schier unglaublichen
»Mörderdichte«. Doch dafür arbeitet
die örtliche Kriminalpolizei mit einer garantiert
hundertprozentigen Aufklärungsquote, sodass
am Ende jeder Serienfolge stets die Ordnung
wiederhergestellt ist. Die Zuschauer können sich
also weiterhin getrost zurücklehnen, nachdem
das eskapistische Sehbedürfnis nach entspannender
Spannung beziehungsweise spannender
Entspannung befriedigt werden konnte.
Für den Vorabend sind »Die Rosenheim-Cops«
offenbar ein weiß-blaues Erfolgsrezept in bester
Tradition öffentlich-rechtlicher Fernsehunterhaltung.
Was sich jeden Dienstag aufs Neue bestätigt,
wenn es wieder heißt: »Es gabert a Leich!«.