Christof Königstein, Hauptredaktion Unterhaltung-Wort
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Wenn dienstags um 19.25 Uhr nach der ohrwurmverdächtigen Titelmusik »Pfeif drauf« der niederbayerischen Gruppe Haindling von der quirligen Frau Stockl »Es gabert a Leich!« zu hören ist, ist dies das eindeutige Signal, dass die »Kriminaler« aus Rosenheim ihre Ermittlungen aufnehmen. Und damit beginnt für fast fünf Millionen Fans der ZDF-Serie ein gleichermaßen spannender wie entspannender Fernsehabend und verleiht den »Rosenheim-Cops« Kultstatus. Die Ermittler aus dem bayerischen Voralpenland erfüllen als klassisches Lean-Back-Format scheinbar perfekt die Seherwartungen und sind die meistgesehene deutsche Vorabendserie.

Seit 2002 sind »Die Rosenheim-Cops« regelmäßig – und seit etlichen Jahren ganzjährig – auf dem ZDF-Schirm zu sehen. Keiner der Verantwortlichen hätte damals zu hoffen gewagt, dass sich das Format zu einem derart erfolgreichen Dauerbrenner entwickeln und über so viele Jahre die Zuschauer begeistern würde. Mittlerweile sind die bajuwarischen Spürnasen fast rund um die Uhr »im Einsatz«; als Wiederholung war das Programm täglich am Vormittag und in der Nacht zu verfolgen.

Inzwischen sind die Dreharbeiten der zwölften Staffel abgeschlossen, die 13. Staffel ist in Vorbereitung. Mit dieser wird dann die 300. Folge erreicht werden. Wollte man sich alle bisherigen Folgen hintereinander ansehen (inklusive der zwei 90-Minuten-Filme: über 12 000 Sendeminuten), erforderte dies etwa vier Wochen à acht Stunden pro Tag oder mehr als acht Tage à täglich 24 Stunden.

Wurde in den ersten Jahren noch eine im Vergleich zu heute bescheidene Stückzahl hergestellt, so waren es in den letzten Jahren jeweils 30 neue Folgen pro Jahr. Um dieses Pensum zu schaffen, muss in den Sommermonaten für einige Wochen mit zwei Teams parallel gedreht werden, sodass mehrere Kommissare in verschiedenen Konstellationen zum Einsatz kommen – was der Beliebtheit der Serie allerdings keinen Abbruch tut.

Schmunzelkrimis existieren im deutschen Fernsehen zahlreich, und »Krimi light« ist en vogue. Ganz ohne Überheblichkeit jedoch könnte man »Die Rosenheim-Cops« quasi als Prototyp aller momentan präsenten komödiantischen Krimiserien bezeichnen. Das Format war schon »Krimi light«, als diese Genrebezeichnung noch gar nicht erfunden war.

Was macht die Cops aus dem Chiemgau so besonders und einzigartig – so »unique«? Was ist das Geheimnis, wie lautet das Erfolgsrezept? Bekanntermaßen gibt es das eine Rezept, das Geheimrezept mit Erfolgsgarantie nicht. Auf einen einfachen Nenner gebracht, könnte man es wohl so formulieren: Der Mix aus Softkrimi, Komödie und bayerischer Familienserie scheint gelungen.

Der Krimifall ist unverzichtbar – ein Mordopfer pro Folge muss es schon sein! In Wort und Bild aber nahezu »unblutig« und in verträglicher, harmloser Dosierung, falls man angesichts von Mord überhaupt davon sprechen kann. Doch »Die Rosenheim-Cops« sind eben soft, smooth und gewaltfrei, es gibt keine »Action«. Es gibt keine extremen oder ausgefallenen brutalen Verbrechen, keine rabiaten Verhörmethoden, keine wilden Verfolgungsjagden oder Schießereien – die Cops tragen nicht einmal Waffen. Doch sie lösen jeden Fall, und sei er noch so knifflig.

Der Humor speist sich aus Sprachwitz und zwischenmenschlichen Turbulenzen, ist eher amüsiertes Augenzwinkern als Schenkelklopfer oder Brüller; keinesfalls jedoch Klamauk, Klamotte oder Slapstick. Was den Zuschauern Vergnügen bereitet, sind die nachvollziehbaren, »menschlichallzu-menschlichen« Schwächen und Fehler, die liebenswürdigen Marotten und Macken der Figuren, ihre Ecken und Kanten.

»Die Rosenheim-Cops« sind eine Ensemble- und Familienserie. Die Mitarbeiter des Kommissariats bilden eine Art Familie aus sympathischen und empathischen Mitgliedern. Mit allem, was so dazugehört: Eifersüchteleien, Kabbeleien und Streitereien aufgrund unterschiedlicher Befindlichkeiten, Interessen und Temperamente unterschiedlicher Charaktere. Das gipfelt dann schon mal in Zicken-Alarm, manchmal sogar in seiner extremsten Form. Aber am Ende hilft man sich dann doch wieder aus der Patsche. »Pack schlägt sich, Pack verträgt sich«, Ehrensache! Denn wichtig sind Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung, Fairness, Vertrauen, Offenheit, Ehrlichkeit … Wie in einer echten Familie. »Die Rosenheim-Cops« erzählen und propagieren klassische Werte, sind eben ein wertkonservatives Format.

Getragen wird die »familiäre Kommissariats-Solidarität« von der berühmten bayerischen Liberalität und der noch berüchtigteren Mentalität. Womit ein weiteres essenzielles Element der Serie aufscheint: Bayern, die beliebteste deutsche Urlaubsregion. Der Freistaat genießt ein extrem positives Image und wird durch Sprache, Lebensart und Lokalkolorit in dem Vorabendformat widergespiegelt. Nicht zuletzt auch durch malerische Landschaftsbilder und Postkartenpanoramen, die nicht nur eine klare Verortung, sondern auch eine Steigerung des Schauwertes bewirken. Insgesamt entsteht damit ein positiver Look & Feel; noch verstärkt durch den Umstand, dass wir in den »Rosenheim-Cops« nur eine Jahreszeit erzählen: Sommer.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich eine unabdingbare Voraussetzung für den Publikumserfolg der »Rosenheim-Cops«. Dies sind der Production Value und der hohe Qualitätsstandard des Formats, die nur durch das ambitionierte und permanente Ringen der Crew um die bestmögliche Qualität des Endprodukts zustandekommen. Nur durch den hochkarätigen Cast und das ausgezeichnete Team von Autoren, Regisseuren und gesamtem Stab in Verbindung mit dem konstruktiv-kreativen Zusammenspiel zwischen Bavaria Fernsehproduktion und ZDF-Redaktion ist dieses Programm dauerhaft zum Erfolg geworden.

Kritisch betrachtet, erscheint Rosenheim zwar als eine der kriminellsten Städte Deutschlands, mit einer im Verhältnis zur Einwohnerzahl schier unglaublichen »Mörderdichte«. Doch dafür arbeitet die örtliche Kriminalpolizei mit einer garantiert hundertprozentigen Aufklärungsquote, sodass am Ende jeder Serienfolge stets die Ordnung wiederhergestellt ist. Die Zuschauer können sich also weiterhin getrost zurücklehnen, nachdem das eskapistische Sehbedürfnis nach entspannender Spannung beziehungsweise spannender Entspannung befriedigt werden konnte.

Für den Vorabend sind »Die Rosenheim-Cops« offenbar ein weiß-blaues Erfolgsrezept in bester Tradition öffentlich-rechtlicher Fernsehunterhaltung. Was sich jeden Dienstag aufs Neue bestätigt, wenn es wieder heißt: »Es gabert a Leich!«.

Christof Königstein
Michael Mohr (Max Müller) und Miriam Stockl (Marisa Burger)
Korbinian Hofer (Joseph Hannesschläger), Michael Mohr (Max Müller) und Sven Hansen (Igor Jeftic)
Korbinian Hofer (Joseph Hannesschläger), Michael Mohr (Max Müller), Patricia Ortmann (Diana Staehly), Miriam Stockl (Marisa Burger), Sven Hansen (Igor Jeftic)
Tobias Hartl (Michael A. Grimm), Michi Mohr und Christian Lind (Tom Mikulla)
Dr. Eckstein (Petra Einhoff), Michi Mohr, Tobias Hartl und Christian Lind
Marie Hofer (Karin Thaler) mit ihrem Bruder Korbinian Hofer (Joseph Hannesschläger)
Polizeichef Achtziger (Alexander Duda), Marie Hofer und Controllerin Ortmann (Diana Staehly)