ZDFinfo ist der Überraschungserfolg des ZDF
im Jahr 2012. Innerhalb eines Jahres konnte
der Digitalkanal seinen Marktanteil bei den
jungen Zuschauern verfünffachen. Hinter
dem Erfolg steckt eine klare thematische
Ausrichtung, eine konsequente crossmediale
Idee und eine schlüssige Programmierung.
Welches Fernsehen wollen junge Zuschauer? Es
ist nicht einfach, diese Frage zu beantworten.
Schon die Ausgangslage ist alles andere als klar.
Auf der einen Seite stehen Medienkritiker und
Medienberater, die das Fernsehen für tot erklären
und Thesen vertreten wie: »Junge Menschen
sehen nicht mehr fern, sondern sind nur noch im
Internet unterwegs«. Oder: »Das Einzige, was
junge Menschen am Fernsehen noch interessiert,
sind internationale Fernsehserien auf DVD«. Oder:
»Lange Strecken gehen gar nicht. Wenn man junges
Publikum erreichen will, dann nur mit möglichst
schnellen Schnitten«. Kann sein oder auch
nicht. Denn auf der anderen Seite zeigt die Medienforschung,
dass die Menschen in Deutschland
durchschnittlich immer mehr Zeit pro Tag mit
fernsehen verbringen und das quer durch alle
Altersgruppen. Die Bedeutung des Mediums
Fernsehen ist also noch immer groß. Doch vieles
hat sich gewandelt: Durch die digitale Wende ist
das Angebot größer geworden. Die Interessen der
Zuschauer sind differenzierter als früher. Das bedeutet
einen Wandel der Mediennutzung und
damit auch der Art fernzusehen vor allem bei
jungen Zuschauern.
Welche Rolle kann das öffentlich-rechtliche Fernsehen
in dieser Situation spielen? Hierauf eine
Antwort zu finden, ist eine der größten Herausforderungen
für das ZDF.
Die Digitalkanäle sind in diesem Kontext ein gutes
Experimentierfeld. Sehr viel leichter und schneller
als im Hauptprogramm lässt sich dort testen, was
bei jungen Zuschauern funktioniert. ZDFinfo ist in
diesem Feld ein echter Überraschungserfolg.
Zum 5. September 2011 ging der Sender mit
neuem Konzept unter der Leitung von Robert
Bachem an den Start. Die Zwischenbilanz nach
einem Jahr kann sich sehen lassen. ZDFinfo hat
seinen durchschnittlichen Marktanteil im Zeitraum
von Januar bis August 2012 im Vergleich zum
Vorjahr bei allen Zuschauern vervierfacht. Noch
besser sieht es bei den jungen Zuschauern, den
14- bis 49-Jährigen, aus: In dieser Zielgruppe ist
der Marktanteil fünf Mal so hoch wie im Vorjahr.
Seit Juli liegt er sogar bei 0,6 Prozent. Das macht
ZDFinfo zum jüngsten öffentlich-rechtlichen Digitalkanal.
Eine klare thematische Ausrichtung, eine konsequente
crossmediale Idee und eine schlüssige
Programmierung sind die Faktoren hinter diesem
Erfolg. Dabei widerlegt ZDFinfo viele Klischees
über die Vorlieben von jungen Zuschauern. So
hört man häufig, dass mit Informationen keine
jungen Zuschauer zu gewinnen seien. Junge
Menschen suchen demnach nur Entspannung
und Unterhaltung. ZDFinfo beweist das Gegenteil.
Thematisch setzt der Kanal stark auf Dokumentationen
aus dem Bereich Zeitgeschichte, modernes
Wissen und Service. Information heißt also bei
ZDFinfo nicht reines Abbilden der Aktualität, und
ZDFinfo ist auch kein Ereignissender, das ist und
bleibt PHOENIX. Im Fokus von ZDFinfo stehen
aktuelle Themen, die im Gespräch sind. Sie werden
von ZDFinfo vertieft. Das kann die Wahl des
Bundespräsidenten sein, der Konflikt in Syrien
oder der Börsengang von Facebook.
Auf starkes Interesse beim jungen Publikum stoßen
vor allem zeitgeschichtliche Dokumentationen.
Hier vermittelt ZDFinfo wichtiges Hintergrundwissen.
Der Claim von ZDFinfo lautet: »Fernsehen
zum Mitreden«. Mit seinen Dokumentationen
ist der Digitalkanal genau das. Denn wer ZDFinfo
gesehen hat, kann mitreden. Diese Art von Information
kommt an.
Doch der Claim »Fernsehen zum Mitreden« ist
durchaus doppeldeutig zu verstehen. Bei ZDFinfo
können die Zuschauer selbst mitreden. Auch hier
geht ZDFinfo seinen eigenen Weg. Denn zur Verjüngung
reicht es eben keineswegs, an jede Sendung
einen Facebook-Auftritt zu hängen. Auch
wenn die Sozialen Medien ganz selbstverständlich
zum Leben junger Menschen gehören, die
Bereitschaft zur Beteiligung ist endlich. Ständige
Aufrufe zum Mitmachen, Mitdiskutieren und Nachfragen
können die Zuschauer ermüden. Wenn sie
dann nur halbherzig in die Sendungen zurückfließen,
können sie sogar kontraproduktiv sein. Das
Konzept von ZDFinfo ist deshalb ein anderes. Auf
der einen Seite stehen ganz klassische Dokumentationen.
Solche Programme kommen ganz ohne
Interaktivität aus auch wenn sie natürlich crossmedial
über die Mediathek gesehen werden können.
Komplettiert wird dieses Angebot durch
wirklich interaktive Sendungen, die ganz konsequent
auf den Input der Zuschauer setzen und
diesen wiederum in die Sendungen hinein transportieren.
Bei »heute plus« können die Zuschauer
zum Beispiel live Fragen an die Macher der ZDF-Hauptnachrichtensendung
stellen, Feedback
geben und Kritik einbringen. Direkt beteiligen
können sie sich aber auch bei der interaktiven
Talk-Sendung »ZDF log in«. Über die Sozialen
Netzwerke stellen dabei die Zuschauer ihre Fragen
an Politiker und Experten, kommentieren live
mit. Vor den Landtagswahlen kamen die Spitzenkandidaten
zum Fragenmarathon mit viel beachteten,
vielleicht sogar wahlentscheidenden Ergebnissen.
Eine weitere verbreitete Vorstellung über junge
Zuschauer ist, wie anfangs schon erwähnt, dass
die »Generation YouTube« nur kurze Schnipsel
sehen will und keinen Atem für längere Formate
hat. Auch in dieser Frage beweist ZDFinfo das
Gegenteil: Es gibt ein Interesse an zusammenhängenden
Darstellungen. Ein Pfund, mit dem
das öffentlich-rechtliche Fernsehen in dieser Hinsicht
wuchern kann, sind gut gemachte Dokumentationen.
So bietet das Fernsehen Mehrwert
gegenüber der Clip-Kultur im Internet. ZDFinfo
spielt diesen Vorteil aus und setzt konsequent auf
längere Formate. Dabei kann der Sender aus dem
Programmvermögen des ZDF schöpfen und mit
intelligent gesetzten Wiederholungen Synergien
schaffen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei
auf der inhaltlichen und thematischen Abstimmung
der einzelnen Sendungen im Programmverlauf.
ZDFinfo-Zuschauer können sich sicher sein,
dass das Programm ihnen das bietet, was sie interessiert.
So kann eine Bindung an den Sender
entstehen.
ZDFinfo ist es geglückt, jüngere Zuschauer anzusprechen.
Und auch wenn damit keine Zauberformel
für die Verjüngung des ZDF gefunden ist
dafür ist der Fernsehmarkt einfach zu komplex ,
so gibt der Digitalkanal doch wichtige Impulse für
die Modernisierung des Hauptprogramms. Das
geschieht ganz konkret mit den Magazinen »WISO
plus«, »heute plus«, »Berlin PolitiX« und »Sport
Xtreme«, die an bewährte Inhalte des Hauptprogramms
anknüpfen und mit diesen experimentieren.
Innovationen bei der Machart der Beiträge
und interessante, neu aufbereitete Themen finden
dann ihren Weg in die Sendungen »WISO«,
»heute«, »Berlin direkt« und die »ZDF SPORTreportage« im Hauptprogramm. Darüber hinaus bietet
der Erfolg von ZDFinfo auch Anknüpfungspunkte,
um grundsätzlich über Verjüngung nachzudenken,
mit Klischees aufzuräumen und so einen
Weg für ein modernes öffentlich-rechtliches Fernsehen
zu bahnen. Notabene: Fast zwei Jahrzehnte
kämpfen wir um Verjüngungserfolge im
Hauptprogramm. Die Digitalkanäle zeigen, dass
das ZDF aus dem Stand auch bei unter 50-Jährigen
punkten kann.