2012
Peter Frey, Chefredakteur des ZDF
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Ein Jahr Fernsehen zum Mitreden
Die Erfolgsgeschichte von ZDFinfo

ZDFinfo ist der Überraschungserfolg des ZDF im Jahr 2012. Innerhalb eines Jahres konnte der Digitalkanal seinen Marktanteil bei den jungen Zuschauern verfünffachen. Hinter dem Erfolg steckt eine klare thematische Ausrichtung, eine konsequente crossmediale Idee und eine schlüssige Programmierung.

Welches Fernsehen wollen junge Zuschauer? Es ist nicht einfach, diese Frage zu beantworten. Schon die Ausgangslage ist alles andere als klar. Auf der einen Seite stehen Medienkritiker und Medienberater, die das Fernsehen für tot erklären und Thesen vertreten wie: »Junge Menschen sehen nicht mehr fern, sondern sind nur noch im Internet unterwegs«. Oder: »Das Einzige, was junge Menschen am Fernsehen noch interessiert, sind internationale Fernsehserien auf DVD«. Oder: »Lange Strecken gehen gar nicht. Wenn man junges Publikum erreichen will, dann nur mit möglichst schnellen Schnitten«. Kann sein – oder auch nicht. Denn auf der anderen Seite zeigt die Medienforschung, dass die Menschen in Deutschland durchschnittlich immer mehr Zeit pro Tag mit fernsehen verbringen – und das quer durch alle Altersgruppen. Die Bedeutung des Mediums Fernsehen ist also noch immer groß. Doch vieles hat sich gewandelt: Durch die digitale Wende ist das Angebot größer geworden. Die Interessen der Zuschauer sind differenzierter als früher. Das bedeutet einen Wandel der Mediennutzung und damit auch der Art fernzusehen – vor allem bei jungen Zuschauern.

Welche Rolle kann das öffentlich-rechtliche Fernsehen in dieser Situation spielen? Hierauf eine Antwort zu finden, ist eine der größten Herausforderungen für das ZDF.

Die Digitalkanäle sind in diesem Kontext ein gutes Experimentierfeld. Sehr viel leichter und schneller als im Hauptprogramm lässt sich dort testen, was bei jungen Zuschauern funktioniert. ZDFinfo ist in diesem Feld ein echter Überraschungserfolg. Zum 5. September 2011 ging der Sender mit neuem Konzept unter der Leitung von Robert Bachem an den Start. Die Zwischenbilanz nach einem Jahr kann sich sehen lassen. ZDFinfo hat seinen durchschnittlichen Marktanteil im Zeitraum von Januar bis August 2012 im Vergleich zum Vorjahr bei allen Zuschauern vervierfacht. Noch besser sieht es bei den jungen Zuschauern, den 14- bis 49-Jährigen, aus: In dieser Zielgruppe ist der Marktanteil fünf Mal so hoch wie im Vorjahr. Seit Juli liegt er sogar bei 0,6 Prozent. Das macht ZDFinfo zum jüngsten öffentlich-rechtlichen Digitalkanal.

Eine klare thematische Ausrichtung, eine konsequente crossmediale Idee und eine schlüssige Programmierung sind die Faktoren hinter diesem Erfolg. Dabei widerlegt ZDFinfo viele Klischees über die Vorlieben von jungen Zuschauern. So hört man häufig, dass mit Informationen keine jungen Zuschauer zu gewinnen seien. Junge Menschen suchen demnach nur Entspannung und Unterhaltung. ZDFinfo beweist das Gegenteil.

Thematisch setzt der Kanal stark auf Dokumentationen aus dem Bereich Zeitgeschichte, modernes Wissen und Service. Information heißt also bei ZDFinfo nicht reines Abbilden der Aktualität, und ZDFinfo ist auch kein Ereignissender, das ist und bleibt PHOENIX. Im Fokus von ZDFinfo stehen aktuelle Themen, die im Gespräch sind. Sie werden von ZDFinfo vertieft. Das kann die Wahl des Bundespräsidenten sein, der Konflikt in Syrien oder der Börsengang von Facebook.

Auf starkes Interesse beim jungen Publikum stoßen vor allem zeitgeschichtliche Dokumentationen. Hier vermittelt ZDFinfo wichtiges Hintergrundwissen. Der Claim von ZDFinfo lautet: »Fernsehen zum Mitreden«. Mit seinen Dokumentationen ist der Digitalkanal genau das. Denn wer ZDFinfo gesehen hat, kann mitreden. Diese Art von Information kommt an.

Doch der Claim »Fernsehen zum Mitreden« ist durchaus doppeldeutig zu verstehen. Bei ZDFinfo können die Zuschauer selbst mitreden. Auch hier geht ZDFinfo seinen eigenen Weg. Denn zur Verjüngung reicht es eben keineswegs, an jede Sendung einen Facebook-Auftritt zu hängen. Auch wenn die Sozialen Medien ganz selbstverständlich zum Leben junger Menschen gehören, die Bereitschaft zur Beteiligung ist endlich. Ständige Aufrufe zum Mitmachen, Mitdiskutieren und Nachfragen können die Zuschauer ermüden. Wenn sie dann nur halbherzig in die Sendungen zurückfließen, können sie sogar kontraproduktiv sein. Das Konzept von ZDFinfo ist deshalb ein anderes. Auf der einen Seite stehen ganz klassische Dokumentationen. Solche Programme kommen ganz ohne Interaktivität aus – auch wenn sie natürlich crossmedial über die Mediathek gesehen werden können. Komplettiert wird dieses Angebot durch wirklich interaktive Sendungen, die ganz konsequent auf den Input der Zuschauer setzen und diesen wiederum in die Sendungen hinein transportieren. Bei »heute plus« können die Zuschauer zum Beispiel live Fragen an die Macher der ZDF-Hauptnachrichtensendung stellen, Feedback geben und Kritik einbringen. Direkt beteiligen können sie sich aber auch bei der interaktiven Talk-Sendung »ZDF log in«. Über die Sozialen Netzwerke stellen dabei die Zuschauer ihre Fragen an Politiker und Experten, kommentieren live mit. Vor den Landtagswahlen kamen die Spitzenkandidaten zum Fragenmarathon – mit viel beachteten, vielleicht sogar wahlentscheidenden Ergebnissen.

Eine weitere verbreitete Vorstellung über junge Zuschauer ist, wie anfangs schon erwähnt, dass die »Generation YouTube« nur kurze Schnipsel sehen will und keinen Atem für längere Formate hat. Auch in dieser Frage beweist ZDFinfo das Gegenteil: Es gibt ein Interesse an zusammenhängenden Darstellungen. Ein Pfund, mit dem das öffentlich-rechtliche Fernsehen in dieser Hinsicht wuchern kann, sind gut gemachte Dokumentationen. So bietet das Fernsehen Mehrwert gegenüber der Clip-Kultur im Internet. ZDFinfo spielt diesen Vorteil aus und setzt konsequent auf längere Formate. Dabei kann der Sender aus dem Programmvermögen des ZDF schöpfen und mit intelligent gesetzten Wiederholungen Synergien schaffen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der inhaltlichen und thematischen Abstimmung der einzelnen Sendungen im Programmverlauf. ZDFinfo-Zuschauer können sich sicher sein, dass das Programm ihnen das bietet, was sie interessiert. So kann eine Bindung an den Sender entstehen.

ZDFinfo ist es geglückt, jüngere Zuschauer anzusprechen. Und auch wenn damit keine Zauberformel für die Verjüngung des ZDF gefunden ist – dafür ist der Fernsehmarkt einfach zu komplex –, so gibt der Digitalkanal doch wichtige Impulse für die Modernisierung des Hauptprogramms. Das geschieht ganz konkret mit den Magazinen »WISO plus«, »heute plus«, »Berlin PolitiX« und »Sport Xtreme«, die an bewährte Inhalte des Hauptprogramms anknüpfen und mit diesen experimentieren. Innovationen bei der Machart der Beiträge und interessante, neu aufbereitete Themen finden dann ihren Weg in die Sendungen »WISO«, »heute«, »Berlin direkt« und die »ZDF SPORTreportage« im Hauptprogramm. Darüber hinaus bietet der Erfolg von ZDFinfo auch Anknüpfungspunkte, um grundsätzlich über Verjüngung nachzudenken, mit Klischees aufzuräumen und so einen Weg für ein modernes öffentlich-rechtliches Fernsehen zu bahnen. Notabene: Fast zwei Jahrzehnte kämpfen wir um Verjüngungserfolge im Hauptprogramm. Die Digitalkanäle zeigen, dass das ZDF aus dem Stand auch bei unter 50-Jährigen punkten kann.

Peter Frey
Peter Frey in der Sendung »ZDF log in«
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Szene aus der Sendung »Sport Xtreme«
Thomas Walde moderiert im Boxring
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