Reinhold Elschot, Leiter der Hauptredaktion Fernsehspiel
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»Barbara«, »Kriegerin« und andere »heiße Nummern«
Großes Kino im ZDF

»Barbara«, »Kriegerin« »Hanni und Nanni«, »Pina« und »Eine ganz heiße Nummer« – fünf Filme, die emblematisch für das deutsche Kino im ZDF stehen: Kinofilme, die das ZDF nicht einfach auf dem Markt erstanden, gekauft hat, sondern bei denen es als Koproduzent dabei ist, mit Ideen und Kreativität, mit einer eigenen Redaktion, und schließlich mit einem Teil des Filmbudgets. Denn in Deutschland, man weiß es längst, entsteht kaum ein Kinofilm ohne Beteiligung des Fernsehens. Das ZDF verfolgt dabei eine Vier-Säulen-Strategie.

Das ambitionierte deutsche Kino
Mit Christian Petzolds DDR-Film »Barbara« mit Nina Hoss hat das ZDF einen der interessantesten und meistprämierten Kinofilme des Jahres 2012 koproduziert: Mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet und für den Oscar nominiert, konnte der Film beinahe 400 000 Zuschauer ins Kino locken, eine für einen so ernsten wie intensiven, zeitgeschichtlich wichtigen Film erstaunlich hohe Zahl, und unsere an Petzolds Arbeiten sehr interessierten Nachbarn in Frankreich sind auf dem besten Weg, diese Zahl noch zu übertreffen. »Pina«, Wim Wenders‘ 3D-Hommage an die Ausnahmechoreografin Pina Bausch, war ein großer Erfolg im Kino und schaffte es bis zu den Oscars nach Los Angeles, und mit »Everything will be fine« wird auch der nächste Film des Regisseurs, der den internationalen Ruf des deutschen Kinos über Jahrzehnte prägen konnte, mit Beteiligung des ZDF entstehen. Die Reihe ließe sich fortsetzen: mit der Schlink-Verfilmung »Das Wochenende«, Matthias Glasers Skandinavien-Drama »Gnade« und vielen anderen Produktionen.

Die deutsche Kino-Komödie
»Eine ganz heiße Nummer«, eine bayerische Volkskomödie mit Anklängen an den britischen Arbeiterfilm, ein herrlich schräger und zugleich lebenskluger Film von Markus Goller, der der Redaktion zuvor durch seinen Überraschungserfolg »Friendship!« aufgefallen war, ist einer der – wenigen – deutschen Besucher-Millionäre 2012: Beinahe 1,5 Millionen Zuschauer konnte der Film für sich begeistern, und er wäre, so die Autorin und Produzentin Andrea Sixt, »ohne das ZDF nie zustande gekommen«. Weil Erfolg belohnt gehört, wird nun eine Fortsetzung unter dem verheißungsvollen Titel »Alle nackert« gedreht. Bei der Bestsellerverfilmung »Kein Sex ist auch keine Lösung« mit Stephan Luca und Marleen Lohse ist das ZDF dabei, genauso wie beim Nora-Tschirner-Kinofilm »Offroad – Packt das Leben bei den Hörnern«.

Das Familienkino
Der Kinder- und Jugendfilm im ZDF, das ist vor allem Markenkino: Die Jugendbuchverfilmungen »Hanni und Nanni«, Otfried Preußlers »Das kleine Gespenst«, »Petterson und Findus« oder »Das Sams im Glück« stehen für das Engagement des ZDF beim Kinder- und Jugendfilm, bei dem Marken weit wichtiger sind als beim Erwachsenen-Kino. Und diese Reihe lässt sich leicht erweitern: Auch »Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel« von Cornelia Funke, »Ritter Rost« und die Kinoversion der »Biene Maja« sollen zunächst die Familien und die kleinen Zuschauerinnen und Zuschauer in den Erlebnisraum Kino locken, bevor sie dann im Fernsehen zu sehen sind.

Das Nachwuchs-Kino
Um Das kleine Fernsehspiel wird das ZDF allerorten beneidet: Diese Redaktion der Talentsucher zur Entdeckung und Pflege des filmischen Nachwuchses sucht ihresgleichen, und die deutschen wie internationalen Preise und Auszeichnungen, die die Arbeit dieser Redaktion würdigen, sind so zahlreich, dass sie zu den meistprämierten im ZDF zählt. Das kleine Fernsehspiel hat sich in seiner Arbeit dem Kinonachwuchs verschrieben, dem deutschen wie dem internationalen: Lancelot von Nasos »Waffenstillstand«, als Bester Europäischer Film ausgezeichnet, und der mit dem Bundesfilmpreis prämierte »Kriegerin« um eine junge Frau, die in den Rechtsradikalismus rutscht, kommen ebenso aus dem Kleinen Fernsehspiel wie »Esmas Geheimnis« und »Schlafkrankheit«. Beide Filme wurden auf der Berlinale mit einem Bären prämiert. Auch der herrliche, mit »Multikulti« nur unzureichend beschriebene Film »Salami Aleikum« von Ali Samadi Ahadi entstand in der Redaktion Das kleine Fernsehspiel. Im Sommer 2012 konnte das Fernsehpublikum sich von der Qualität des deutschen Filmnachwuchses überzeugen: In der Kinoreihe »Shooting Stars« waren TV-Premieren vom vielbeachteten »Das letzte Schweigen« bis »Schwerkraft« zu sehen. Ohne Nachwuchstalent keine Kinozukunft.

Kino im ZDF – das Engagement des Senders für das deutsche Kino versteht sich dabei als ein programmliches wie ein programmatisches. Programmlich, weil diese Filme gute Plätze im Programm finden werden – nach einer marktüblichen Sperrfrist von 18 Monaten, die dem Kino vorbehalten ist: Hier bringen sie den Zuschauern noch einmal andere Bilder, andere Erzähl-, Sicht- und Sehweisen, und gerade bei der deutschen Kinokomödie führen sie neue, jüngere Zuschauer an den Sender heran, die sich oft im Kino eher zuhause fühlen als im Fernsehen. Programmatisch, weil das ZDF hiermit in die deutsche Kinokultur investiert: Nicht nur durch die Geldmittel, die in die Kino-Koproduktionen fließen, sondern durch das große Engagement des Senders bei den Filmförderungen der Länder – in allen großen Länderförderungen ist das ZDF als Gesellschafter oder als Einzahler dabei – und bei der Filmförderanstalt FFA, bei der das ZDF zusammen mit der ARD zu den verlässlichsten Partnern gehört.

Die gesamte Konstruktion dessen, wie Kinofilme in Deutschland entstehen, ist dabei im Fluss: Die Produzenten, die mit den Kinofilmen oft ein nicht unerhebliches Risiko eingehen, fordern mehr und länger laufende Rechte für sich – eine nachvollziehbare Forderung, die freilich in Kollision mit den Interessen eines Fernsehsenders steht, der seinen Zuschauern den mit Gebührengeldern finanzierten Film nach einer absehbaren Frist zeigen möchte. DVD, Video-on-Demand, Pay-TV und die Filmnutzung im Netz tun ihr übriges. Am Ende wollen Produzenten, Förderer, Verleiher und Sender dasselbe: qualitativ hochwertige und erfolgreiche Kinofilme. Dass es auf dem Weg dorthin nicht immer und überall Einigkeit gibt, führt zu produktiver Reibung.

Das ZDF meint es mit seinem Engagement für das Kino, für das deutsche Kino, ernst und kann auf viel Anerkennung bei Preisen und Wettbewerben, auf gute Zuschauerzahlen und auf Programmerfolge schauen – gelegentliche Attacken, die dem Fernsehen unterstellen, es dominiere die deutsche Kinokultur, lassen sich da leicht verschmerzen. Die vielen wunderbaren Filme, die mit Unterstützung des Fernsehens entstehen, um ihre Zuschauer zunächst im Erlebnisraum Kino zu finden, sprechen eine andere Sprache.

Das ZDF ist ein wichtiger Partner für die deutsche Filmwirtschaft und den Filmnachwuchs. Die Beiträge, die der Sender hier leistet, gehen weit über den unmittelbaren Nutzen für das Programm hinaus. Film ist Kultur – hier passen öffentlichrechtlicher Auftrag und das Kino auf das Schönste zusammen.

Reinhold Elschot
Nina Hoss und Ronald Zehrfeld in »Barbara«
»Gnade« mit Birgit Minichmayr und Jürgen Vogel
Henry Stange in »Gnade«
Alina Levshin als »Kriegerin«
Jürgen Vogel in »Schwerkraft«
»Waffenstillstand« mit Matthias Habich